Während Russland Krieg führt und Israel kämpft, ringt Deutschland mit sich selbst. Eine Welle des Negativismus flutet die politischen Parteien und die hiesigen Medien. SPD-Linke und AfD-Führung haben sich schon verbündet.

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Diese Arbeitsteilung hat sich in den vergangenen Monaten bewährt: Russland kämpft gegen die Ukraine. Israel kämpft gegen die Hamas. Und Deutschland kämpft mit sich selbst.

Eine Welle des Negativismus flutet derzeit die politischen Parteien und die hiesigen Medien – bis am Ende alle Reputationserfolge des Kanzlers in Washington zerredet und die Annäherungsversuche zwischen Trump und Putin aus Alaska nicht mehr positiv, sondern verdächtig sind.

ANZEIGEIn Frankfurt hat man „den wahren Putin“ durchschaut

Der wahre Putin: Das ist der Terminus von Leuten wie FAZ-Herausgeber Berthold Kohler, der in dem russischen Präsidenten nur den „skrupellosen Diktator“ zu sehen vermag. Aus der Frankfurter Schreibstube heraus hat er mit den Methoden der Telepathie „den wahren Putin“, wie er schreibt, durchschaut. Dem nämlich gehe es nicht um die Ukraine und auch nicht um die Sicherheitsinteressen seines Landes, sondern um Tabula rasa in Europa:

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„Putin fürchtet das Vorrücken der Ideen der Volkssouveränität, der Menschenrechte und des Rechtsstaats an seine Grenzen.“ Und da er ein Mann sei, „der täuscht, lügt und betrügt“, dürfe man sich auf ihn nicht einlassen.

Frieden ist demnach nur ein anderes Wort für Hinterhalt und der Weg dorthin eine Sackgasse. Und wenn der amerikanische Präsident den russischen Amtskollegen mit Handschlag und nicht mit Handschellen begrüßt, ist er für Kohler „Putins Pudel“. 

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Mittwoch, 20.08.2025 | 07:40Trump berührt Putin vorsichtig und wertschätzend am Arm, deutlich weniger dominant als sonst Donald Trump und Wladimir Putin beim Treffen in Alaska ARD SPD-Linke und AfD-Führung haben sich verbündet

In der politischen Arena das gleiche Spiel. Der Realpolitiker war zu Zeiten von Brandt, Schmidt und Henry Kissinger als seriöser Vertreter inmitten einer Zunft von kalten Kriegern bestens beleumundet. Heute steht er als der große Naivling da. Wer Realpolitik sagt, will betrügen, so der Verdacht. Wer nach Diplomatie verlangt, gilt als Mensch mit Herz, aber ohne Verstand.

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Um die Zuversicht auf einen europäischen Frieden im Keim zu ersticken, haben sich SPD-Linke und AfD-Führung verbündet. Es gilt das Motto: Getrennt marschieren, vereint schlagen.

Bundeswehr in der Ukraine? Sofort spürt man den langen Schatten Hitlers

Der geübte Fatalist blickt auf eine Landkarte der Trostlosigkeit, in der hinter dem Tal der Tränen sich das Bergmassiv der verpassten Chancen erhebt. Treten entlang der heutigen Frontlinie in der Ukraine amerikanische Soldaten ihren Dienst an, nennt man es US-Imperialismus. Beziehen Soldaten der Bundeswehr ihren Posten, spürt man den langen Schatten Hitlers. Ralf Stegner sagt: „Angesichts des Zweiten Weltkrieges und des deutschen Vernichtungskrieges sind Fantasien über deutsche Bodentruppen nicht angezeigt.“

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Alice Weidel sekundiert: „Die Falken in der CDU können es kaum erwarten, deutsche Soldaten wieder an fremde Fronten zu schicken. Diese Kraftmeierei friedensverwöhnter Politfunktionäre ist gefährlich und verantwortungslos.“

Aus der Friedenstaube wird der Tyrannosaurus rex

Da kommt unser FAZ-Herausgeber aus dem Nicken gar nicht mehr heraus. Wenn Realpolitiker wie Verteidigungsminister Boris Pistorius in Deutschland über die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten in der Ukraine nachdenken, tun sie nicht ihre Pflicht, sondern stellen „Geisterdivisionen“ auf.

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Wolfgang Ischinger, einst deutscher Botschafter in Washington und anschließend Staatssekretär unter Joschka Fischer, ist ebenfalls Teil der Koalition der Unwilligen. Er vermag keinerlei Fortschritt bei den diversen Gipfeltreffen zu erkennen. Außer Spesen nichts gewesen, sagte er: „Wir sind dem Frieden in Washington und Alaska keinen Schritt nähergekommen.“

Sein Bruder im Geiste ist Rüdiger von Fritsch, der ehemalige Botschafter der Bundesrepublik in Moskau und zuvor Vize des Bundesnachrichtendienstes. Für ihn ist Putin ein Diktator, Trump ein politischer Praktikant und die Friedenshoffnung der Europäer eine Fata Morgana. Je näher man der Friedenstaube kommt, desto mehr ähnelt sie dem Tyrannosaurus rex.

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Putin macht uns klein – ohne auch nur einen Schuss auf uns abzufeuern

„Es gibt eine elementare Fehlannahme auf amerikanischer Seite und leider auch bei uns in der Öffentlichkeit: nämlich die Vermutung, Wladimir Putin wolle Frieden. Er denkt anders als wir. Er will Sieg.“

Fazit: Unter diesen Bedingungen kann die Zuversicht keine Blüten treiben. Putin macht uns klein – ohne auch nur einen Schuss auf uns abzufeuern. In Berlin jedenfalls braucht er nicht einmarschieren. Unseren Kopf hat er schon besetzt.

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