Die Mitnahme von Fahrrädern in öffentlichen Verkehrsmitteln gewinnt an Bedeutung. Das birgt Konfliktpotenzial im Kampf um die Plätze. Doch was ist eigentlich erlaubt?

Erst vor wenigen Tagen eskalierte eine Auseinandersetzung in einer S-Bahn der Linie 1 zwischen Esslingen-Zell und dem Stuttgarter Hauptbahnhof um ein Fahrrad. Offenbar ungefragt hatte ein 17-Jähriger das Rad eines 44-Jährigen, das in dem dafür vorgesehenen Bereich abgestellt war, zur Seite geschoben, was zu einem verbalen Streit führte. Im weiteren Verlauf zog der 17-Jährige ein Messer und bedrohte den Mann damit. Die Bundespolizei nahm den Tatverdächtigen im Hauptbahnhof fest, das Messer wurde sichergestellt. Und in den derzeit wegen der Stammstreckensperrung teilweise überfüllten Züge der Murr- und Remstalbahn wies die Deutsche Bahn aufgrund des großen Andrangs an den Bahnsteigen mehrfach darauf hin, dass eine Mitnahme von Fahrrädern nicht gesichert ist. Zum Glück bislang (noch) Einzelfälle.

Debatten um blockierte Sitzplätze in Zügen

Doch generell gewinnt die Mitnahme von Fahrrädern in den öffentlichen Verkehrsmitteln immer mehr an Bedeutung, erklären die Verkehrsträger unisono. „Das Fahrrad ist für die Alltagsmobilität der Menschen von zentraler Bedeutung“, sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Umso mehr wächst auch das Konfliktpotenzial in den S-Bahnen und Zügen. Zunehmend kommt es zu Debatten um abgestellte Räder, die vermeintlich Sitzplätze für Fahrgäste blockieren. Dabei sind die Richtlinien klar definiert.

Im Fernverkehr der Deutschen Bahn kostet die Mitnahme von Fahrrädern zwischen 7.99 und 14,99 Euro, „abhängig von Entfernung, Auslastung und Buchungstag“, erklärt der Sprecher. Dafür ist eine Anmeldung im Vorfeld aber zwingend notwendig – auch um zu sehen, ob überhaupt noch ein Platz frei ist. Eine spontane Mitnahme des eigenen Rades ist im Fernverkehr daher nicht möglich.

Kostenlos in Baden-Württemberg

Das sieht im Regionalverkehr in Baden-Württemberg anders aus. Während in weiten Teilen der Bundesrepublik die Mitnahme von Rädern kostenpflichtig ist, ist sie hier in der Regel kostenlos. Auch in den Beförderungs- und Tarifbestimmungen des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) ist dies klar geregelt. Einzig in der morgendlichen Rush-Hour von 6 bis 9 Uhr, wenn besonders viele Fahrgäste unterwegs sind, muss für das Rad zusätzlich ein Kinderticket gelöst werden. Eine derartige Ticketpflicht fürs Rad auf die Hauptverkehrszeit am Nachmittag zu erweitern, ist aus Sicht des VVS hingegen nicht notwendig, und derzeit auch nicht geplant. In der Regel seien zu dieser Zeit kaum noch Schüler unterwegs, zudem verteile sich die Zahl der Pendler auf eine größere Zeitspanne als am Morgen.

Auch E-Tretroller gelten als Fahrräder

Die Gebührenpflicht fürs Rad werde stichprobenartig von den Fahrkartenkontrolleuren überprüft. Dabei ist nicht jedem Fahrgast immer klar, was im Bahnjargon unter den Begriff der Fahrräder fällt. Dazu zählen neben handelsüblichen Drahteseln auch Pedelecs und E-Bikes, sowie nicht zusammengeklappte E-Tretroller. In Behördendeutsch mit einer maximalen Länge von zwei Metern und einem Gesamtgewicht von bis zu 40 Kilogramm. „Von der Beförderung grundsätzlich ausgeschlossen sind Mopeds und Mofas sowie E-Bikes ohne Pedale“, sagt der Bahnsprecher.

Trotz aller Regelungen weiß auch die VVS um immer wiederkehrende Konflikte im Kampf um die oftmals zu wenigen Sitzplätze. Der Bahnsprecher appelliert dabei an die gegenseitige Rücksichtnahme von Fahrgästen und Radfahrern. Der gesunde Menschenverstand gebiete es Rollstuhlfahrern und Eltern mit Kinderwagen Platz zu machen. Und grundsätzlich gelte: Der Fahrgast hat Vorrang vor dem Fahrrad – sollten nicht genügend andere Sitzplätze frei sein.

Größere Mehrzweckbereiche in S- und Stadtbahn

Um dem steigenden Platzbedarf Rechnung zu tragen, hat der Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn und die Deutsche Bahn beschlossen, in der kommenden Generation der Züge, die für den Einsatz im Digitalen Kosten Stuttgart benötigt werden, zusätzliche Mehrzweckbereiche einzurichten. Anstatt nur an den jeweiligen Ende des Zuges stehen zwei weitere in der Mitte der Züge für Rollstühle, Kinderwagen und Fahrräder zur Verfügung. Einen vergleichbaren Weg beschreitet auch die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Auch hier verfügen die Züge der neuen Generation über deutlich größere Mehrzweckbereiche. Denn generell ist auch die Mitnahme von Rädern in den Stadtbahnen kostenlos, „aber ein Recht auf Beförderung gibt es nicht“, erklärt SSB-Sprecherin Birte Schaper. Generell gelte: „Fahrgäste im Allgemeinen und Fahrgäste mit Rollstühlen, Rollatoren und Kinderwägen haben Vorrang“, betont die SSB-Sprecherin. Allerdings gilt das nicht während der besonders stark frequentierten Zeiten montags bis freitags von 6 bis 8.30 Uhr und von 16 bis 18.30 Uhr. Dann sind Räder in den Stadtbahnen komplett verboten.

Radlobby sieht Verbesserungs

Gleiches gilt generell in sämtlichen Bussen der SSB in Stuttgart. Und auch in den umliegenden Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und im Rems-Murr-Kreis herrscht tagsüber ein Verbot. Anders als in der Landeshauptstadt können Fahrgäste dort ihr Rad aber von Montag bis Freitag ab 18.30 Uhr bis Betriebsschluss sowie an Wochenenden und Feiertagen kostenlos mitnehmen. Zudem testen gleich mehrere Landkreise im Rahmen von Pilotversuchen zusätzliche Angebote zu schaffen, die über die im Sommerhalbjahr weit verbreiteten Rad- und Freizeitbusse hinausgehen.

Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) weiß um das „bundesweit seltene Highlight“ der kostenlosen Fahrradmitnahme, dass vor allem an den Wochenenden rege genutzt werde. Dennoch sehen die Experten noch deutliches Verbesserungspotenzial. Im Mittelpunkt steht vor allem die mittelfristig geplante Ausstattung von Zügen mit automatischen Fahrgastzählsystemen und Auslastungsanzeigen – auch für Fahrräder. So sollen Fahrgäste bereits bei der Einfahrt des Zuges oder gar im Vorfeld über die Belegung informiert werden. „Dann wäre auch eine Flexibilisierung der bislang gültigen Zeitbeschränkungen für die Mitnahme von Fahrrädern denkbar“, sagt Fachreferent Johannes Metzger. Wann das großflächig der Fall sein wird, ist allerdings noch offen.

Bis dahin fordert der ADFC klare Richtlinien für die Zugbegleiter ein, auf die diese im Bedarfsfall verweisen können. „Andernfalls drohen weiter teilweise endlosen Diskussionen“, weiß Metzger – oder eben auch Konflikte im Zug zwischen Fahrgästen und Radfahrern.