Die Einführung eines neuen Mietradsystems in München und dem Umland wird sich deutlich verzögern. In einem Beschwerdeverfahren hat der Vergabesenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts entschieden, dass der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) die Ausschreibung für einen Nachfolger des MVG-Mietrads, das Ende September eingestellt wird, überarbeiten und damit neu auflegen muss. Hintergrund ist die Beschwerde des bisherigen Betreibers des MVG-Mietrads, des Leipziger Unternehmens Nextbike, das gegen die Vergabe vor Gericht gezogen ist.

Dass die Zeit von Nextbike und der markant silber-blauen Mieträder in München enden würde, war eigentlich seit längerer Zeit bekannt; nach zehn Jahren läuft am 30. September die Kooperation mit der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) aus. Dennoch hatte sich Nextbike in der Ausschreibung für ein Nachfolgemodell erneut um die Vergabe beworben, wie das Berliner Anwaltsbüro Leinemann und Partner auf SZ-Nachfrage bestätigt. Die Kanzlei hat das Bikesharing-Unternehmen vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht vertreten.

Welcher Anbieter die Ausschreibung gewonnen hatte, ist nicht bekannt

Der Richterspruch vom 5. August besagt, dass die Vergabeunterlagen durch den MVV, der für die Ausschreibung verantwortlich zeichnet, überarbeitet werden müssen, wie ein Gerichtssprecher auf SZ-Anfrage bestätigt. Nach Überarbeitung der Unterlagen könne allen Bietern ermöglicht werden, ein neues Angebot abzugeben. Die Kanzlei Leinemann und Partner spricht von einer „Verletzung des Transparenzgebots“ in den Vergabeunterlagen und bemängelt zudem „gravierende Unklarheiten und Widersprüche“. Die „rechtswidrige Beauftragung des Wettbewerbers“ sei damit vom Tisch, so Leinemann und Partner. Den Ausschluss des in der Ausschreibung zunächst erfolgreichen Bieters konnte Nextbike in dem Verfahren allerdings nicht wie erhofft erreichen, so das Bayerische Oberste Landesgericht. Um welches Unternehmen es sich dabei handelt, teilte das Landesgericht nicht mit.

SZ Good News

:Gute Nachrichten aus München – jetzt auf Whatsapp abonnieren

Mehr positive Neuigkeiten im Alltag: Die Süddeutsche Zeitung verbreitet jeden Tag auf Whatsapp ausschließlich schöne und heitere Nachrichten aus München und der Region. So können Sie ihn abonnieren.

Bereits kurz nachdem Nextbike bei Gericht Beschwerde eingereicht hatte, war klar, dass sich – wie vom Münchner Stadtrat beschlossen – der nahtlose Übergang vom MVG-Mietrad zu einem neuen Anbieter am 1. Oktober nicht würde realisieren lassen. Nun ist angesichts der Tatsache, dass die komplette Ausschreibung neu aufgerollt werden muss, mit weiteren Verzögerungen zu rechnen. Wann genau ein neues Mietradsystem – eventuell sogar betrieben durch den bisherigen Anbieter – eingeführt wird, ist allerdings vollkommen offen. Aus dem Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt heißt es: „Welche Auswirkungen diese Entscheidung auf das weitere Verfahren hat, wird im Detail gerade erarbeitet.“ Angesichts der Gerichtsentscheidung, durch die „Teile des Verfahrens noch einmal neu angestoßen und Angebote neu eingereicht werden müssen“, sei eine konkrete Aussage zum weiteren Zeitplan nicht möglich.

Klar ist, dass das bisherige System abgeschafft wird

Besiegelt ist indes das Ende des bisherigen Mietradsystems. Dieser Tage beginnt der Rückbau der sogenannten Ständermodule an den MVG-Mietradstationen, an denen bisher die Räder abgestellt werden konnten. Dieser Abbau soll bis 30. September abgeschlossen sein. Die weithin sichtbaren Stelen an den Stationen, teilt die MVG mit, sollen zunächst verhüllt werden, von 1. Oktober an werden auch diese abgebaut. Die Stationen, so die MVG, werden also „vollständig aus dem Stadtbild verschwinden“.

Nicht wenige Münchnerinnen und Münchner stellen sich aber vor allem die Frage, was mit den etwa 4500 MVG-Mieträdern passieren wird, die seit zehn Jahren das Stadtbild und auch das Umland prägen. Manch einer hegte sogar die Hoffnung auf ein günstiges Schnäppchen, wenn die Bikes möglicherweise zum Verkauf gestellt würden. Dazu aber wird es sehr wahrscheinlich nicht kommen. Derzeit befinden sich die Mieträder noch in Besitz der MVG; mit dem Ende des Systems, teilt die Verkehrsgesellschaft mit, würden alle Räder in den Besitz der Firma Nextbike übergehen. Die MVG hat offenkundig keine weitere Verwendung mehr für die Mieträder, teilt ein Sprecher mit, da diese „nach nunmehr zehn Jahren in der öffentlichen Nutzung“ in die Jahre gekommen seien. Eine Weiterverwendung sei nicht mehr darstellbar.

Was Nextbike konkret mit den mehr als 4000 Rädern vorhat, wollte das Unternehmen auf SZ-Nachfrage allerdings nicht preisgeben. Die MVG geht davon aus, dass die Leipziger Firma „einzelne Komponenten“ verwerten könnte oder die Fahrräder „anderweitig zum Einsatz“ kommen. Nextbike unterhält unter anderem in Berlin, Leipzig, Köln und der österreichischen Hauptstadt Wien Leihrad-Systeme.

Was mit den Flächen passiert, ist noch nicht geklärt

Was mit den Flächen passiert, auf denen die Mietrad-Stationen stehen, ist bisher ebenfalls nicht vollständig geklärt. Auf einigen, teilt das Mobilitätsreferat mit, könnten auch künftig Radstationen eines neuen Leihrad-Systems stehen. Denn an der Einführung eines Nachfolgemodells hält die Stadt trotz der Panne bei der Ausschreibung fest. Das neue System soll mit 675 Flächen, die auch Platz für andere Leihfahrzeuge bereithalten sollen, deutlich umfangreicher ausfallen als das bisherige MVG-Mietrad-System.

Daran übt die Fraktion aus CSU und Freien Wählern im Stadtrat Kritik und fordert in einem entsprechenden Antrag, auf ein Nachfolgemodell komplett zu verzichten. „Das MVG-Rad ist gescheitert und sollte beendet werden“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, Veronika Mirlach (CSU). CSU und Freie Wähler kritisieren insbesondere die aus ihrer Sicht hohen Kosten, die das alte System verursacht habe: Berechnungen des Wirtschaftsreferats, teilt die Fraktion mit, hätten ergeben, dass jede Fahrt mit zehn Euro bezuschusst werden musste. Auch Prognosen für das neue System sehen CSU und Freie Wähler kritisch. Dieses solle laut einem Beschluss aus dem Jahr 2023 6,7 Millionen Euro kosten; auf fünf Jahre hochgerechnet also 33,5 Millionen Euro. Aus Sicht der Fraktion könnte die Stadt sich diese Summe sparen, indem sie das Leihrad-Geschäft den privaten Anbietern überlässt.