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Das Gesundheitssystem in Deutschland ist aus mehreren Gründen belastet. Ein Beruf aus den USA könnte hierzulande eine wichtige Lücke schließen.

Viele Deutsche sind mit dem Gesundheitssystem unzufrieden: Patientinnen und Patienten müssen teilweise monatelang auf Termine warten, auf dem Land schließen immer mehr Praxen. Der demografische Wandel führt dazu, dass immer mehr ältere Menschen von weniger medizinischem Personal versorgt werden. Zudem berichten viele Ärztinnen und Ärzte davon, dass sie trotz langer Arbeitszeiten durch einen hohen bürokratischen Aufwand wenig Zeit für die Arbeit am Patienten hätten. Im Online-Forum Reddit teilt ein Nutzer seine Idee: „Was wäre, wenn wir den Arztberuf komplett revolutionieren?“ fragt er und schlägt eine dreijährige Ausbildung zum „Mini-Arzt“ vor.

Der Nutzer führt weiter aus, dass ein solcher „Mini-Arzt“ sich zum Beispiel um Nachsorge und Behandlungspläne kümmern könnte – „würde dies nicht viele unserer Probleme im Gesundheitssystem lösen?“ Andere Nutzer stimmen zu: „Es wäre gut, wenn es etwas zwischen Arzt und Krankenschwester gäbe, das die vollwertigen Ärzte entlastet“. In einem anderen Kommentar heißt es: „Sowas gibt es bereits und nennt sich Physician Assistants.“

Experte: Arztassistenten schließen Lücke durch Ärztemangel

Was sind die Aufgaben eines Physician Assistant (PA) – und warum braucht es ihn in Deutschland? „Der Physican Assistant gehört zum ärztlichen Team. Er übernimmt in Delegation Aufgaben für Ärzte“, sagt Lars Brechtel, Inhaber der Professur für Physician Assistant an der Medical School Berlin BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media. In den USA und dem Vereinigten Königreich ist dieser Beruf bereits seit rund 60 Jahren etabliert, in Deutschland kann man ihn erst seit weniger als 20 Jahren studieren. In den letzten sieben bis acht Jahren habe das Studienfeld aber deutlich an Fahrt aufgenommen, erklärt Brechtel.

Patient PflegekraftPhysician Assistants übernehmen ärztliche Aufgaben. © IMAGO / Pond5 Images

Die Einsatzbereiche von PAs reichten von Notaufnahmen über Stationsdienste bis hin zu OP-Tätigkeiten. Arztassistentinnen und -assistenten arbeiteten auch bei niedergelassenen Medizinern und unterstützten dort Routinen und Dokumentation, „die die ärztliche Tätigkeit belasten“ und viele Ressourcen binden würden. Einige PAs hätten sogar ihren eigenen Patientenstamm, wenn es sich beispielsweise um chronisch Kranke handle. „Für Tätigkeiten wie Blutdruckmessen beim Hausbesuch muss nicht zwingend ein Facharzt vor Ort sein“, sagt der Experte, „damit schließen sie eine Lücke, die sich durch den Ärztemangel entwickelt hat, insbesondere in ländlichen Gebieten“.

Arzt: Deutschland schränkt Befugnisse von PAs ein

Die wichtigsten Unterschiede zu Pflegekräften: PAs erheben Anamnesen, führen körperliche Untersuchungen durch und ordnen EKG-Befunde oder Laborwerte ein. „Wenn bestimmte Maßnahmen erforderlich sind, stimmen sie sich mit dem Arzt ab und führen diese aus“, sagt Brechtel. Auch könnten PAs Inhalte verständlich vermitteln: „Viele Patienten sind oftmals in der Kommunikation mit Ärzten überfordert“, sagt der Experte. Weitere Aufgabenfelder seien Rehabilitation, Telemedizin und Prävention; Ärzte hätten oft wenig Zeit für präventive Gespräche zu Bewegung, Ernährung, Rauchverzicht oder Alkoholkonsum.

Während Physician Assistants in Deutschland zwar Lücken im Gesundheitswesen schließen und Ärzte entlasten können, werde es aber voraussichtlich nicht dazu kommen, dass sie als „Mini-Ärzte“ handeln und mehr Befugnisse erhalten werden: „In anderen Ländern übernimmt nichtärztliches Personal teils sehr viel eigenständiger viele medizinische Aufgaben. In Deutschland ist das derzeit nicht möglich und wird zukünftig wohl auch nicht der Fall sein“, sagt Brechtel. Der Grund dafür sei die Rechtslage, die „klare Grenzen“ vorgebe: „Endgültige Diagnosestellung, Aufklärung vor Eingriffen, Rezeptierung und Krankschreibung sind Ärzten vorbehalten“.