Die gute Nachricht: Auch in einer überalterten Gesellschaft sind es die Kinder, die Trends setzen. Die schlechte: Mit diesen Trends müssen wir Älteren dann irgendwie leben. In diesem Jahr stellt sich das als weniger schlimm heraus, als im ersten Moment gedacht.
Der offizielle Sommerhit des Jahres stammt von einer fiktiven K-Pop-Band (äh, was?), für einen animierten Netflixfilm (oh, Lord) über, na ja, ebenjene K-Pop-Band, die gleichzeitig Dämonen jagt (ahhh!). Klingt . . . wild? Weird? Wundersam? Tatsächlich ist „Golden“ ein eingängiger und gut gemachter Popsong mit melodischem Elektrosound. Gesungen wird er von Kim Eun-jae (Künstlername: Ejae), die viele Lieder für den Film mitgeschrieben hat und die Gesangsparts der Figur Rumi übernimmt.
Ein Sommerhit darf – sorry! – auf die Fresse sein
Das Lied ist zu lieb und zu glatt, es könnte auch 2014 von einer anderen Künstlerin erschienen sein, von Ellie Goulding vielleicht oder Anne-Marie. Doch diese Lieder kennen die jungen Fans, die Filme über Dämonen jagende Sängerinnen lieben, vielleicht gar nicht mehr. Und das ist irgendwie auch nicht schlimm.
Ein Sommerhit darf, Verzeihung, auf die Fresse sein. Im vergangenen Jahr kam er von Shirin David. „Bauch Beine Po“ konnte sich niemand entziehen, weil das Lied eingängig und clever ist und das endgültige Ende sämtlicher Body-Positivity-Bemühungen markierte. Dünn sein, skinny werden ist wieder in. Davor hatten wir uns mit Sommerhits wie „Layla“ oder „Das Mädchen auf dem Pferd“ herumzuschlagen. Man kann „Golden“ finden, wie man will, langweilig, austauschbar, ohne große Überraschungen. Irgendwie ist es aber immer noch schöner, dass junge Frauen kreativ werden und über innere Konflikte singen (in „Golden“ geht es um die innere Zerrissenheit der Figur, eines Hybrids aus Mensch und Dämon), als wenn irgendwelche Saufheinis über junge Frauen und deren mutmaßliche Geilheit singen. Erfolgreich ist dann interessanterweise beides.
Nun transportieren solche Sommerhits manchmal nicht das, wofür man den Sommer schätzt: barfuß morgens übers feuchte Gras laufen, den Geruch von warmem Regen, das Gefühl, dass bald Ferien sind, obwohl man nicht mehr zur Schule geht, schneller radeln und rennen, als es geht, und hinterher noch ein Eis. Zum Glück gibt es zeitlose Soundtracks für solche Sommerfeelings: „Folklore“ von Taylor Swift, „Carrie & Lowell“ von Sufjan Stevens oder „Bryter Layter“ von Nick Drake. Zum Feiern kann man dann auch gerne mal „Golden“ schmettern.