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In Deutschland geht die Zahl der Asylanträge zurück. Eine Entwicklung, die auf ein gefährliches Modell zurückzuführen sei, kritisiert Menschenrechts-Aktivistin Düzen Tekkal.

Berlin – Bundesinnenminister Alexander Dobrindt feiert es als Erfolg seiner Grenzpolitik: Die Zahl der Asylanträge in Deutschland ist im vergangenen halben Jahr deutlich gesunken. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichte die Zahlen für Januar bis Juni: 61.336 Menschen stellten einen Erstantrag auf Schutz in Deutschland. Über 11.000 Folgeanträge. Im gleichen Zeitraum waren es 2024 insgesamt rund 132.000 Asylanträge.

Migrationsabkommen zwischen EU und nordafrikanischen Staaten: Abwehr statt Ursachenbekämpfung

„Dass die Zahl der Asylanträge rückläufig ist, ist ein gesamteuropäischer Trend“, sagt Menschenrechts-Aktivistin und Kriegsreporterin Düzen Tekkal der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. „Es hat weniger mit den aktuellen Kontrollen an Deutschlands Grenzen zu tun, – die asylrechtlich ohnehin fragwürdig sind und auch von unseren unmittelbaren Nachbarländern beargwöhnt und mit Gegenkontrollen beantwortet werden – als mit der EU-Flüchtlingspolitik. Aber auch der Machtwechsel in Syrien spielt eine Rolle.“ Im Dezember wurde dort der Machtinhaber Baschar as-Assad gestürzt. Die Zahl der Syrer, die in Deutschland Asyl beantragten, ging zurück und Syrien fiel auf der Länderliste mit den meisten Asyl-Anträgen auf Platz zwei hinter Afghanistan.

Düzen Tekkal (2025)Düzen Tekkal ist Menschenrechts-Aktivistin: Die aktuelle Migrationspolitik in der EU kritisiert sie. © Gene Glover

Aber nicht nur der politische Wechsel in Syrien sei ein Grund dafür, dass in Deutschland die Anträge zurückgegangen sind, sagt Tekkal. „Die EU hat in den letzten Jahren eine Reihe von Migrationsabkommen mit nordafrikanischen Staaten wie Ägypten, Marokko und Tunesien geschlossen, die teilweise autoritär regiert werden. Menschenrechte haben hier keine Priorität.“ Als Beispiel nennt die Menschenrechts-Aktivistin Tunesien. „Tunesische Sicherheitsbehörden setzen Flüchtlinge, die sie aufgreifen, in der Wüste aus oder verfrachten sie über die Grenze nach Algerien. Diese Länder fungieren jetzt als Türsteher Europas. Es geht um Flüchtlingsabwehr statt Fluchtursachenbekämpfung.“

Menschenrechts-Aktivistin kritisiert europäische Migrationspolitik: „tödliche Folgen“

Die Taktik der EU sei ein zweischneidiges Schwert. „Europa macht sich mit diesem Modell erpressbar – der entsprechende Deal mit der Türkei, der im Jahr 2016 geschlossen wurde, hat das Problem aufgezeigt“, erklärt Tekkal. Manche Staaten hätten ein Interesse daran, dass Migration ein Problem bleibe, damit in den nächsten Jahren das zugesicherte Geld weiter fließe. Die EU hat im März 2024 ein Abkommen mit Ägypten abgeschlossen. Demnach soll das Land 200 Millionen Euro fürs Migrationsmanagement bekommen.

„Leider sind wir im Diskurs inzwischen so weit, dass man politisch Blumentöpfe damit gewinnt, dass man beim Thema Flucht und Migration mit halbgaren Lösungen Handlungsmacht suggeriert – mit tödlichen Folgen“, kritisiert Tekkal. Statt solidarische Verteil-Mechanismen in der EU aufzusetzen, werde auf Abschottung und Abschiebung gesetzt. „Teilweise mit der Brechstange, was wir daran sehen, dass Genozid-überlebende Jesiden nach Irak abgeschoben werden oder für die Rückführung von Menschen aus Afghanistan mit den Taliban zusammengearbeitet wird. Es wird eine Politik der Kälte gefahren.“