Das seit mehr als einem Monat besetzte Ladenlokal in einem städtischen Gebäude an der Lahnstraße im Frankfurter Stadtteil Gallus soll nun doch geräumt werden. Das hat Oberbürgermeister Mike Josef am Donnerstag gemeinsam mit Baudezernentin Sylvia Weber (beide SPD) mitgeteilt. Damit ändert die Stadt ihre bisherige Haltung. Weber hatte zunächst entschieden, die Besetzung zu dulden und den Besetzern sogar einen Nutzungsvertrag anzubieten.
Weber und Josef machten deutlich, sie seien an einer Neuausrichtung der städtischen Liegenschaftspolitik interessiert. Man sei sich nun darin einig, das derzeit besetzte Ladenlokal an der Lahnstraße „zeitnah einer Nutzung für den Stadtteil, zum Beispiel für ein Quartiersmanagement, zur Verfügung zu stellen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Weber teilte mit, sie werde als zuständige Dezernentin mit den Besetzern in der Lahnstraße sprechen und ihnen die neuen Pläne mitteilen: „Das bedeutet, dass sie kurzfristig das Gebäude verlassen müssen.“ Sollten sie dies verweigern, werde die Stadt zusammen mit der KEG einen entsprechenden Räumungstitel erwirken. Angesichts dieser Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik sei nicht mit weiteren Besetzungen zu rechnen. Sollte es dennoch dazu kommen, werde man umgehend räumen, sagten Josef und Weber.
„Städtische Immobilien zügig sanieren“
Ferner sieht die Neuregelung vor, dass leerstehende Liegenschaften der Stadt Frankfurt künftig nicht mehr von Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) verwaltet werden sollen, sondern von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG. In Abstimmung mit Weber habe er Gespräche mit dem Geschäftsführer der ABG Holding, Frank Junker, geführt. Demnach sollen städtische Immobilien, die schon länger leer stehen, zügig von der ABG überprüft und, wenn nötig, saniert werden. Das gelte für Gewerbe- ebenso wie für Wohnimmobilien.
Ziel sei es, „diese Immobilien schnellstens wieder nutzbar zu machen und den bestehenden Leerstand zu beenden“. Die Stadt arbeite nun „mit Nachdruck daran, den Leerstand zu beseitigen“. Gerade wegen des Mangels an bezahlbaren Wohnungen teile er „den Ärger vieler Menschen über diesen Missstand, der sich über viele Jahre entwickelt hat“, sagte der Oberbürgermeister.
Die Besetzung an der Lahnstraße sowie der Umgang damit hatte für große Empörung gesorgt. Unter den Besetzern befinden sich den Erkenntnissen zufolge linksextreme Gruppierungen sowie Pro-Palästina-Demonstranten. Bereits im Herbst 2023 waren die Räume einer ehemaligen Gaststätte in einem städtischen Gebäude an der Jordanstraße im Stadtteil Bockenheim besetzt worden, ebenfalls von einer linksgerichteten Gruppierung. In beiden Fällen stellte Weber den Besetzern Nutzungsverträge in Aussicht. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Die Gebäude hatte die Stadt vor mehreren Jahren über Vorkaufsrechte erworben, um Luxussanierungen zu verhindern.
Verwahrlost: In dem Wohnhaus an der Hersfelder Straße, das die Stadt Frankfurt über ein Vorkaufsrecht erworben hat. wohnt niemand mehr.Sophie Boyer
Die Übertragung der leerstehenden Wohnungen an die ABG Holding kommt nicht überraschend. Schon seit mehreren Jahren wird darüber diskutiert, den gesamten, rund 1000 Einheiten umfassenden Wohnungsbestand der Stadt der Wohnungsbaugesellschaft zu übertragen. Im Herbst 2023 hatte das Stadtparlament beschlossen, das Immobilienmanagement neu zu ordnen, um Leerstand zu verhindern. Bisher ist es allerdings nicht zu einer konkreten Lösung gekommen. Ein Hindernis war unter anderem die bei einer Übertragung der Immobilien anfallende Grunderwerbssteuer, die dem Land zufließt.
Keine dauerhafte Übertragung
ABG-Geschäftsführer Frank Junker verwies zudem immer darauf, dass aus den Mieteinnahmen die Kosten für die anstehenden Sanierungen nicht zu erwirtschaften seien. Allenfalls als Dienstleister für die Stadt könne die ABG tätig werden. Die anfallenden Kosten müssten erstattet werden. Ein derartiges Modell haben Stadt und ABG für kleinere Sanierungsmaßnahmen an Schulen vereinbart.
Im Fall der insgesamt neun Immobilien in sogenannten Milieuschutzgebieten, die die Stadt über Vorkaufsrechte erworbenen hat, käme eine dauerhafte Übertragung an die ABG ohnehin nicht in Frage. Denn sie müssen wieder dem privaten Markt zur Verfügung gestellt werden – so sieht es eine Vorschrift des Baugesetzbuches vor. Die ABG, die zwar als GmbH firmiert, bis auf einen kleinen Anteil der Frankfurter Sparkasse aber komplett der Stadt gehört, erfüllt die Bedingungen nicht.
Die Reprivatisierung der zum Teil stark sanierungsbedürftigen Häuser soll über die Vergabe von Erbbaurechten im Rahmen von Konzeptverfahren erfolgen. Das bedeutet: Nicht das höchste Gebot kommt zu Zug, sondern das Konzept, das den größten Nutzen für die Allgemeinheit verspricht. Nach langer Vorbereitung unter Beteiligung mehrerer städtischer Ämter wurde als Pilotprojekt die Ausschreibung eines Wohn- und Geschäftshauses an der Wittelsbacherallee im Ostend auf den Weg gebracht.
Damit beauftragt wurde die Entwicklungsgesellschaft KEG, an der die Stadt 50 Prozent der Anteile hält. Erst nach Abschluss des Pilotprojekts sollten nach den bisherigen die übrigen acht Immobilien ausgeschrieben werden. Erst kürzlich teilte das Baudezernat mit, dass die beiden besetzten Gebäude nicht vor Ende 2027 an der Reihe seien. Durch den jetzt verkündeten Strategiewechsel könnte sich das ändern.
Landtag beschäftigt sich mit Hausbesetzung
Unterdessen beschäftigen die Hausbesetzungen auch den Landtag. Der Frankfurter Abgeordnete Yanki Pürsün, der auch Vorsitzender der FDP-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung ist, richtete vor wenigen Tagen einen Katalog mit zehn Fragen an die Landesregierung. „Die öffentliche Wahrnehmung ist, dass der Magistrat seinen Handlungspflichten nicht immer eindeutig nachkommt, was auch Fragen nach eventuell vorliegenden Pflichtverletzungen aufwirft“, schreibt Pürsün, dessen Partei trotz Austritts aus der Koalition immer noch mit zwei Stadträtinnen im Frankfurter Magistrat vertreten ist.
Er will von der Landesregierung unter anderem wissen, zu welchen Schritten der Magistrat verpflichtet ist, wenn er von einer Hausbesetzung Kenntnis bekommt, und welche Fristen es dafür gibt. Pürsün fragt auch, welche Konsequenzen es hätte, „wenn der Magistrat entgegen geltender Rechtslage untätig bleibt oder eigenmächtig die Besetzung duldet oder gar legalisiert“.