Es ist eine gepflegte grüne Wiese mit einigen jungen Bäumen. Davor stehen drei Parkbänke. Tag für Tag kommen im sogenannten Spreebogen in der Mitte von Berlin tausende Menschen vorbei. Es sind Touristen aus aller Welt, Mitarbeiter des nahe gelegenen Bundeskanzleramts oder des Bundestags auf dem kurzen Weg vom oder zum Berliner Hauptbahnhof.

Links im Bild sieht man die Gebäude des Reichstages. Rechts im Bild erkennt man hinter einigen Bäumen das Bundeskanzleramt. Im Zentrum des Bildes sieht man drei Parkbänke vor einer grünen Freifläche. Auf dieser Freifläche soll das künftige Mahnmal im Spreebogen stehen. Am Ende der Wiese findet sich die Schweizer Botschaft.Hinter den Parkbänken soll das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus entstehenBild: Christoph Strack/DW

Die freie Fläche soll eines der zentralen Mahnmale der Bundesrepublik erhalten. Bereits seit Herbst 2024 ist sie als Standort für das „Denkmal zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland“ vorgesehen. Es soll an die zahlreichen Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland erinnern.

Bis 1989 teilte eine Grenze Deutschland zwischen West und Ost, zwischen demokratischen Regierungen im Westen und kommunistischen Regierungen im Osten. In Ostdeutschland wurde aus der seit dem Kriegsende 1945 bestehenden Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die am 7. Oktober 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik (DDR).

Deren diktatorisches System verfolgte immer wieder Andersdenkende und unterdrückte Reise- und Meinungsfreiheit bis zum Zusammenbruch im Herbst 1989 und der deutschen Vereinigung im folgenden Jahr. Mehr als 600 Menschen verloren während der DDR-Jahre ihr Leben bei dem Versuch, über die innerdeutsche Grenze oder über die Berliner Mauer in den Westen zu fliehen. 

Im Hintergrund erkennt man moderne Gebäude des Bundestages an der sommerlichen Spree. Im Vordergrund erkennt man direkt an der Spree sieben weiße Kreuze mit Porträts und schwarzer Schrift. Sie nennen die Namen und Lebensdaten von sieben Todesopfern der Mauer, die in der Spree beim Fluchtversuch ertranken oder erschossen wurdenGedenkkreuze an der Spree für Todesopfer der Berliner Mauer Bild: HGVorndran/Zoonar/picture alliance

An all das soll künftig erinnert werden. Nun kommt Bewegung in das Vorhaben. Im September berät das Parlament den Bundeshaushalt 2026, im November beschließt es ihn. Der Etat des Kulturstaatsministers soll die Errichtung des Mahnmals finanziell absichern. Dann kann der Wettbewerb zur Gestaltung starten.

Opferverbände: Mahnmal längst überfällig

„Es ist längst überfällig, das Mahnmal zu errichten“, sagt Dieter Dombrowski der DW. Der heute 74-jährige gebürtige Ost-Berliner ist der Vorsitzende der „Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft“. In der DDR wurde er 1974 vom Bezirksgericht Schwerin wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts“ und „staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Davon verbüßte er 20 Monate, später konnte er nach Westdeutschland ausreisen. Dombrowski wurde 1994 rehabilitiert.

Er berichtet von seiner Herkunft aus einer katholisch geprägten Familie. Die Mutter habe ihre Kinder bewusst vor kommunistischen Einflüssen schützen wollen, „die in der DDR ja allgegenwärtig waren, im Kindergarten, in der Schule, im Beruf, überall“, sagt er. Dombrowski wuchs mit sieben Geschwistern auf. Sechs der acht seien irgendwann inhaftiert gewesen. Sechs von rund 350.000 Menschen, die im SED-Staat DDR wegen ihrer Distanz zum System im Gefängnis landeten.

Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Im Hintergrund sieht man hinter hohen Metallzäunen einen Teil des Gebäudekomplexes, der heute ein Erinnerungsort ist. Im Bild Dieter Dombrowski, Vorsitzender der Union der Opferverbände, Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und Helge Heidemeyer, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen17. Juni 2025: Gedenkfeier vor der Gedenkstätte Hohenschönhausen am Jahrestag des Volksaufstands in der DDR 1953 – Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (Mitte), links von ihm Dieter DombrowskiBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Das Mahnmal, sagt der 74-Jährige, könne auch an jene Häftlinge erinnern, die schon verstorben sind. „Viele Menschen haben den Fall der Mauer 1989 nicht mehr erlebt, sie haben ihn aber sehnlich herbeigesehnt.“ Für die Überlebenden sei es eine psychologische Stütze und zeige, dass sie nicht allein gewesen seien.

Im Grundsatz wurde die Errichtung des Mahnmals 2019 vom Bundestag beschlossen und später vom Parlament bekräftigt. Aber erst mit der finanziellen Absicherung kann es umgesetzt werden.

Opfer sollen spüren, dass ihr Leid nicht vergessen ist

„Wir sind wohl die letzten im ehemaligen Ostblock, die ein nationales Mahnmal dazu errichten werden. Das spricht schon für sich“, sagt Dombrowski. Er betont, die Erinnerung an die Opfer in der „zweiten deutschen Diktatur“, der DDR-Jahre bis 1989, solle die „besondere Bedeutung“ nicht schmälern, die die erste deutsche Diktatur habe, die Zeit des Nationalsozialismus. „Aber Kommunismus bedeutet immer Diktatur“, meint er.

Bisher erinnern in Deutschland mehr als 900 Gedenkzeichen, -stätten und Museen an die Diktatur in der Sowjetisch-Besetzten Zone (SBZ) und der DDR. Vielfach sind es lokale oder regionale Initiativen, einige haben überregionale Bedeutung – wie die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen oder die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus, die beide an Stasi-Gefängnisse erinnern.

Eine Frau mit Brille, Anna Kaminsky, steht vor dem Schriftzug neben einer Deutschlandflagge mit Kreis in der Mitte, dem Symbol der Bundesstiftung Aufarbeitung, deren Direktorin sie istAnna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung Bild: Bundesstiftung Aufarbeitung

Zuständig für den künftigen zentralen Gedenkort ist die Bundesstiftung Aufarbeitung. Deren Direktorin Anna Kaminsky hofft, dass mit der Etatklärung das Projekt rasch konkreter wird und das Mahnmal „so schnell wie möglich“ Wirklichkeit wird. Es gehe darum, „dass so viele Opfer und Betroffene gerade der frühen Jahre“ das vollendete Mahnmal noch sehen. Damit könnten sie spüren, dass an ihr Leid dauerhaft erinnert werde, sagt die Historikerin der DW.

Unterschiede zwischen Diktatur und Demokratie zeigen

Kaminsky sieht in dem zentralen Mahnmal „ein Stück Diktaturgedächtnis“. Sie verweist auf den Volksaufstand in der DDR vom Juni 1953 und den Bau der Berliner Mauer im August 1961, den Eisernen Vorhang zwischen Ost und West in Europa. Die konkrete Erinnerung sei heute „dringend notwendig, um die Unterschiede zwischen Diktatur und Demokratie kenntlich zu machen“.

Noch steht die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2026 aus. Bereits geklärt wurde die Grundstücksfrage. Derzeit arbeiten die Bundesstiftung Aufarbeitung, der Stab des Kulturstaatsministers und das Bundesamt für Bauwesen an der Ausschreibung für den Wettbewerb zur Gestaltung des künftigen Mahnmals. Er soll nach der Bewilligung der Mittel ohne Verzögerungen beginnen. Sollte der Wettbewerb noch im Jahr 2026 entschieden werden, könnte der Bau 2027 beginnen. 38 Jahre nach dem Fall der Mauer.

Dieter Dombrowski (74) ist Vorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG). Das Foto zeigt ihn bei einer Ansprache vor einer Wandtafel des Verbandes.Dieter Dombrowski, Vorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG)Bild: UOKG

Dombrowski sagt, es gehe den Opferverbänden nicht um einen Gedenkort, an dem einmal im Jahr ein Staatsakt stattfinde oder gelegentlich Kränze niedergelegt würden. Er wünsche sich ein „interaktives Mahnmal“, das die Bundesstiftung Aufarbeitung auch im Internet anlegen könne – ein dreidimensionaler Gedenkort, der mit QR-Codes vielfältige weitere Aspekte biete.

So könne der Ort zum Lernort werden für Schulklassen, Jugendgruppen oder Bildungseinrichtungen, sagt Dombrowski. „Dann wäre es eben nicht nur ein Mahnmal, sondern ein Beitrag zur breiten staatsbürgerlichen Bildung.“