Der Virologe Christian Drosten kritisiert im Untersuchungsausschuss die Idee, nur Altenheimbewohner zu schützen, als unethisch und unverantwortlich. Zweifel am Impfstoff weist er zurück.

Dresden. Der Virologe Christian Drosten hat die sogenannte Durchseuchungsstrategie als „absolut indiskutabel“ kritisiert. Der Vorschlag, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nur Altenheimbewohner zu schützen und auf allgemeine Kontaktreduzierungen zu verzichten, sei unverantwortlich und unethisch, sagte Drosten am Donnerstag als Sachverständiger im Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags. Große Teile der Bevölkerung, darunter Patienten in häuslicher Pflege und Millionen allein lebender Senioren, hätten bei einem „frei laufenden Virus“ nicht versorgt werden können.

Zweifel an der positiven Wirkung des Impfens wies Drosten strikt zurück. Aus wissenschaftlicher Sicht sei diese Debatte obsolet. Die Zahl der Infektionen und Todesfälle sei vor allem in der Phase der gefährlicheren Virusvarianten zurückgegangen. In der Zeit der Omikron-Variante hätten schwerere Krankheitsverläufe abgemildert werden können. Er sehe einen direkten Zusammenhang zwischen der niedrigen Impfquote in Sachsen und der hohen Auslastung der Intensivbetten in den Krankenhäusern im Freistaat.

Meinung und Wahrheit

Drosten räumte auf Nachfrage ein, dass eine Stellungnahme der Leopoldina für die Einführung einer Impfpflicht für Ärzte und Pflegepersonal, an der er mitgewirkt habe, sich im Nachhinein als nicht richtig erwiesen habe. Die beteiligten Wissenschaftler hätten damals nicht vorhersehen können, dass die Omikron-Variante die Sterberate abschwäche und die Lage nicht mehr so kritisch sei, gab der Virologe der Berliner Charité zu. Man sei der Meinung gewesen, die Impfung von medizinischem Personal verlangen zu können, um Patienten zu schützen. Viele Pflegerinnen und Pfleger hätten diese Beweggründe nicht verstanden. Die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaft, sei damals wegen der Empfehlung öffentlich stark unter Beschuss geraten, wie Drosten sagte.