Was tun, wenn die Gewalt in deiner Beziehung Alltag ist? Zwei Beraterinnen sagen, wie man den Ausstieg angehen kann.
Horror und Gewalt einer Paarbeziehung haben eine Vorgeschichte, die in keiner Polizeistatistik auftaucht. Aber allein die für das vergangene Jahr aktenkundig gewordene häusliche Gewalt hat in Stuttgart um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Das heißt konkret: 1540 Personen wurden im vergangenen Jahr Opfer. Dreiviertel davon sind Frauen.
Lisa Veit von „Frauen helfen Frauen“ Foto: privat
Wie können sich Frauen aus solchen gewaltvollen und für sie und ihre Kinder gefährlichen Beziehungen lösen? Lisa Veit von der Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen“ und Anna Feistritzer, Mitarbeiterin im Autonomen Frauenhaus Stuttgart, haben täglich mit dieser Frage zu tun.
Wie schnell bekommt man einen Beratungstermin?
Auch hier zeigt sich, wie groß der Bedarf ist. Mit drei Wochen Wartezeit müssen Betroffene in der Regel rechnen, sagt Lisa Veit. Wenn Gefahr in Verzug ist, versuche sie, schnell einen Termin bieten zu können. Auf jeden Fall gebe es mehr Anfragen als „unsere Beratungsressourcen hergeben“. Was alle Ratsuchenden eint, ist der Wunsch nach Veränderung.
Wie nimmt man Kontakt auf?
Das geht telefonisch oder per Mail. Aber, auch das gab es schon, manche Frauen stehen mit gepackten Koffern vor der Tür.
Wie können Frauen ihre Trennung planen?
Die meisten Frauen entscheiden sich, etwas in ihrem Leben zu verändern, wenn sie ein einschneidendes oft gewalttätiges Erlebnis gemacht haben. Lisa Veit klärt dann ab, ob eine Frau wirklich einen Frauenhausplatz sucht oder vorerst nur hören will, was die Alternativen wären im Falle einer Trennung. Bis zum persönlichen Beratungstermin klärt sie am Telefon, wie die Frau sich und ihre Kinder schützen kann. Es gehe darum, den Ratsuchenden in der Frage, ob man sich wirklich trennt, beratend zur Seite zu stehen.
Wie können Frauen sich schützen?
- Pauschale Antworten gibt es nicht. Viele Frauen wissen nicht, dass die Polizei eine Wegweisung machen kann, wenn es zu Drohungen, körperlicher oder anderen Formen der Gewalt gekommen ist.
- Manchmal ist es wichtig, irgendwo in der Wohnung noch ein zweites, geheimes Telefon zu verstecken – um im Gefahrenfall etwa die Polizei benachrichtigen zu können.
- Die Betroffene soll klären, ob es Nachbarn gibt, die man im Vorfeld ins Vertrauen ziehen kann. Diese kann man bitten, aufmerksam zu sein, wenn sie verdächtige Geräusche aus der Wohnung wahrnehmen.
Welche Rolle spielen Kinder bei einer Trennung?
Kinder können Frauen in einer Beziehung halten, weil man ihnen den Vater nicht nehmen möchte. Es gibt aber auch Frauen, die gehen, weil sie merken, wie sehr die Gewalt zwischen den Eltern ihre Kinder belastet.
Was sind Gründe für Frauen, in einer Beziehung auszuharren?
- Es gibt laut Lisa Veit nachvollziehbare Gründe, nicht zu gehen, die Außenstehenden vielleicht nicht sofort einfallen, aber oft entscheidend sind. Fehlender Wohnraum ist für viele Frauen ein massives Hindernis für eine Trennung.
- Manche Frauen sind durch aufenthaltsrechtliche Gründe an einen Partner gebunden.
- Oft sind auch finanzielle Gründe ausschlaggebend.
Entscheiden sich Frauen in ihrer Beziehung zu bleiben, heißt das jedoch nicht, dass die Frauen nicht weiter Beratung erfahren und die Fachfrauen ihnen nicht weiter zur Seite stehen – auch bei der Einschätzung ihres Gefährdungspotenzials.
Wie hilft das Frauenhaus?
Die Anfragen für Frauenhausplätze ist ungebrochen, auch wenn die Anrufe abgenommen haben. Feistritzer führt das auf die Internetseite, auf der bundesweit Frauenhausplätze unter www.frauenhaus-suche.de gelistet sind. „Wenn man sieht, dass es keinen freien Platz gibt, ruft man vielleicht gar nicht mehr an. Was aber geschieht, wenn man bereit ist, ins Frauenhaus zu gehen:
- Im Frauenhaus wird schon am Telefon eine Gefährderanalyse erstellt, um zu klären, ob eine Frau im Frauenhaus überhaupt sicher ist. (Hat der Partner Kontakte in den Stadtteil, in dem das Frauenhaus ist, oder liegt dort gar die gemeinsame Wohnung).
- Um nicht getrackt zu werden, muss eine künftige Bewohnerin ihr GPS ausstelle. Mobiltelefone müssen in spezielle Taschen, in denen sie nicht ortbar sind. Das gilt auch für die Telefone der Kinder.
- Wenn es möglich ist, sollte die Frau wichtige Dokumente (Pass) mitbringen. Manchmal muss sie die unbemerkt schon im Vorfeld an sich nehmen.
- Es folgt dann ein Treffen an einem geheimen Ort, wo die Frauenhausmitarbeiterinnen sie abholen und ins Frauenhaus bringen.
Hilfe für Frauen
Beratungsstelle
Beratung und Information, Frauen helfen Frauen, Römerstraße 30, 70180 Stuttgart, Telefon 0711/6494550, bif@fhf.de
Frauenhaus
Das Autonome Frauenhaus, dessen Adresse geheim ist, ist unter Telefon 0711/ 542021 erreichbar.
Städtisches Frauenhaus
Auch seine Adresse ist geheim. Es ist unter poststelle-frauenhaus@stuttgart.de oder unter 0711/ 4142420 erreichbar.