AUDIO: Russische Community zum Krieg in der Ukraine (3 Min)
Stand: 22.08.2025 06:15 Uhr
Nur wenige Menschen aus der russischen Community in Norddeutschland äußern sich offen zu den Gesprächen von US-Präsident Trump mit Russlands Präsident Putin und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Doch manchem geben die Bemühungen um ein Ende des Krieges neue Hoffnung.
Die Sonne brennt an diesem Spätsommer-Nachmittag über der kleinen Einkaufspassage im Hamburger Süden. Auf der anderen Straßenseite beginnt der Stadtteil Allermöhe, in dem viele Russen, Ukrainer und russische Spätaussiedler leben. Die meisten Geschäfte hier haben sich auf sie eingestellt, verkaufen russische Lebensmittel oder Reisen nach Osteuropa.
Seit in der Ukraine vor dreieinhalb Jahren der russische Angriffskrieg begann, hat sich das Leben in der Gegend verändert, erzählt eine Anwohnerin, die selbst keine Verbindungen nach Russland oder in die Ukraine hat. „Ich höre viel Hass zwischen den russischen und ukrainischen Leuten. Ich habe Nachbarn, die aus Russland kommen, und Nachbarn, die aus der Ukraine kommen. Jetzt ist alles durcheinander – einfach Hass“, sagt die junge Frau.
Wenige Russen wollen offen sprechen
Nun ist etwas Bewegung in die Versuche gekommen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. US-Präsident Donald Trump traf sich am Freitag der vergangenen Woche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dann am darauffolgenden Montag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie weiteren europäischen Regierungschefs, unter ihnen Bundeskanzler Friedrich Merz. Weitere Treffen, möglicherweise auch zwischen Putin und Selenskyj, sollen in den nächsten Wochen folgen.
In dieser Einkaufspassage in Hamburg-Bergedorf kaufen viele Osteuropäer ein.
Doch wer wissen will, wie die Russen und russischstämmigen Menschen im Hamburger Süden auf die Gespräche blicken, trifft vor allem auf freundliche Ablehnung. Politik und der Krieg in der Ukraine scheinen hier keine Themen zu sein, über die man offen mit Journalisten redet. „Über Politik spreche ich überhaupt nicht“, sagt eine Frau. Ein Mann, der nach eigener Aussage aus Kasachstan nach Deutschland gekommen ist, sagt: „Das ist Theater für mich, die machen sowieso, was die vor zehn, zwanzig Jahren geplant haben.“
Ende des Krieges – aber wann?
Schließlich ist doch noch eine Frau zu einem kurzen Gespräch bereit. Irina kommt gerade mit ihrem vollgeladenen Einkaufswagen aus einem Supermarkt für osteuropäische Produkte. Sie sei in Russland geboren, lebe aber schon seit 30 Jahren in Deutschland, erzählt sie. Sie findet es gut, dass Trump und Putin nun miteinander reden: „Es freut mich riesig, dass die Gespräche stattfinden und es wird hoffentlich bald zum Frieden kommen“, sagt sie, bevor sie weitergeht.
Kurz darauf hält auch eine andere Frau an. Wie sie die Bemühungen um ein Ende des Krieges beobachte? „Wir hoffen, dass alles besser wird“, antwortet sie. „Aber wann?“
Video:
Ukraine-Krieg: Verhaltene Hoffnung nach Washington-Treffen (2 Min)
„Krieg schadet uns allen“
Anruf bei Lilli Bischoff. Sie ist Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in Niedersachsen. Nach Deutschland kam sie 1988. Dass viele Russen und Deutsche mit russischen Wurzeln in der Öffentlichkeit schweigsam sind, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht, ist für sie nicht überraschend.
„Viele Menschen trauen sich nicht, etwas zu sagen, weil sie in Russland schlechte Erfahrungen gemacht oder gelernt haben, dass das gefährlich sein kann“. Besonders die ältere Generation traue in diesen Zeiten nicht jedem. Bischoff selbst traut sich, zu reden. „Ich möchte, dass der Krieg sofort aufhört“, sagt sie. Und weiter: „Wir haben die Geschichte nicht vergessen. Krieg schadet uns allen.“
Kann der US-Präsident den Krieg beenden?
Lilli Bischoff glaubt, dass US-Präsident Trump den Krieg beenden könne.
Ihre Hoffnung liegt dabei auch auf US-Präsident Trump. „Er denkt nicht wie die anderen Politiker, sondern wie ein Geschäftsmann“, sagt die 76-Jährige. Sie begrüße die Gespräche mit Putin und sei zuversichtlich, dass es Trump gelingen könne, den Krieg in der Ukraine zu beenden: „Ich denke, der schafft das.“ Deutschland solle sich aus dem Konflikt heraushalten, findet Bischoff. „Man muss überlegen, mit wem man sich einlässt. Putin lässt sich nichts gefallen.“
Exil-Journalistin: Gespräche mit Putin „inakzeptabel“
Völlig anders sieht das Zalina Marshenkulova. Allein, dass Trump mit Putin spreche, sei „total unangemessen und inakzeptabel“, sagt die russische Journalistin, die kurz nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine aus ihrem Heimatland floh und inzwischen mit ihrer Familie in Hamburg lebt. „Putin ist ein Kriegsverbrecher. Er sollte verhaftet werden. Ich verstehe nicht, über was man mit ihm reden sollte. Verbrecher tun nicht, was wir wollen und Verbrecher sollten niemals an Verhandlungen beteiligt sein.“
Dass Trump Putin nach Alaska eingeladen hat, habe sie „schockiert“, sagt Marshenkulova. Das Gespräch zwischen den beiden über ein Ende des Krieges, ohne dass der ukrainische Präsident Selenskyj mit am Tisch saß, sei „lächerlich und inakzeptabel“ gewesen. Die einzige Sprache, die Putin verstehen würde, seien „Sanktionen, Sanktionen, Sanktionen“.
„Wir Russen sind gute Menschen“
Nicht alle Russen vertreten Putins Positionen, sagt Zalina Marshenkulova.
Sie sei sehr dankbar, dass Deutschland ihr Asyl gewährt habe, sagt Marshenkulova, der nach eigener Aussage in Russland bis zu acht Jahre Gefängnis drohen, weil sie sich auf ihrem Blog gegen den Krieg in der Ukraine positioniert habe. Und doch habe sie Angst, dass ihr humanitäres Visum nicht verlängert werden könnte oder dass es andere Oppositionelle aus Russland künftig schwerer haben könnten, eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu bekommen.
Nicht alle Russen seien wie Putin oder würden seine Positionen vertreten, sagt Marshenkulova. „Wir sind im Grunde gute Menschen. Ich möchte, dass die Europäer das wissen. Putin ist nicht unser Führer. Er ist ein Verbrecher, der die Macht mit Gewalt an sich gerissen hat.“ Nur Selenskyj könne entscheiden, zu welchen Konditionen die Ukraine bereit ist, den Krieg zu beenden. „Ich will, dass die Welt anfängt, Kriegsverbrecher auch Kriegsverbrecher zu nennen“, sagt die Journalistin. „Und ich will, dass dieser Krieg aufhört und dass alle Kriegsverbrecher dafür bestraft werden.“
Die ukrainische Community im Norden will Frieden – aber nicht um jeden Preis. Russland dürfe für seinen Angriffskrieg nicht belohnt werden.
Der Sicherheitsexperte meint, für Russland sei es vorteilhaft, die schleppenden Gespräche fortzuführen und gleichzeitig weiter Krieg zu führen in der Ukraine.
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