Was ist meine Identität? Zwölf junge Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte haben mit Fotos eine Antwort darauf gefunden. Was ein Basketballkorb, ein Teppich und beklebte Frühstückseier damit zu tun haben, zeigt eine Ausstellung in Frankfurt.
Ein junger Mann läuft in der Abendsonne auf einen Basketballkorb zu, springt ab und – für einen kurzen Moment – fliegt er in der Luft. Für Som Nath Katyal bedeutet das Freiheit, eingefangen in einem Foto.
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03:37 Min.|21.08.25|Antonia Troschke
Bild © Aleksandra Mishchanka|
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„Das war ein neues Gefühl, das ich in Deutschland hatte: Dass ich frei bin, dass ich schwebe und machen kann, was ich will.“ Genau das wollte er mit seinem Bild ausdrücken. Sein Foto ist Teil der Ausstellung „Identitäten. Vielfalt und Veränderung“ im Kabinett der Kunststiftung DZ Bank.
Som Nath Katyal stammt aus Afghanistan. Als Teil einer Minderheit wurden er und seine Familie von den Taliban verfolgt. Um dem Terror zu entkommen, flohen sie gemeinsam nach Deutschland – auf der Suche nach Sicherheit und einer neuen Zukunft. Damals war Som Nath Katyal noch ein Kind, nun ist er 21 Jahre alt und hat gerade sein Abitur in Hofheim bestanden. Drei Jahre lang wurde er von der Peter Fuld Stiftung in Frankfurt unterstützt und gefördert.
So sieht für Som Nath Katyal Freiheit aus. In Afghanistan wurde er von den Taliban verfolgt.
Bild © Som Nath Katyal
Förderung für junge Talente
Seit über 55 Jahren hilft die Peter Fuld Stiftung jungen Menschen mit schwierigen Startbedingungen. Im Mai 1969 schreibt der Namensgeber Peter Fuld, dass der Stiftungszweck begabte Jugendliche fördern soll, die „unter ihrer Herkunft zu leiden haben“.
Viele Stipendiatinnen und Stipendiaten verfügen über wenig Geld oder stammen aus Ländern wie dem Iran, Jemen oder Afghanistan. Peter Fuld selbst musste als Sohn eines jüdischen Kaufmanns 1939 nach Toronto fliehen.
Pilotprojekt zwischen Stiftung und Bank
Neben der finanziellen Unterstützung, die sich nach den Lebenshaltungskosten der Stipendiatinnen und Stipendiaten richtet, bietet die Stiftung im Rahmen ihres Bildungsprogramms regelmäßig Workshops an, wie zum Thema KI, Karrierebildung oder erstmals auch im Bereich Kunst. So entstand ein Pilotprojekt: eine Kooperation zwischen der Peter Fuld Stiftung und Kunststiftung DZ Bank.
„Vielfalt ist immer ein Gewinn“
Die Ausstellung „Identitäten. Vielfalt und Veränderung“ zeigt eine Installation und zwölf Fotos. Die Geschichten, die die zwölf Stipendiaten in diesen Bildern erzählen, seien wirklich einmalig. „Diese Menschen brauchen nur eine Unterstützung und die machen die tollsten Sachen“, sagt Maria Jahn, Referentin der Peter Fuld Stiftung.
Oft werde nur über diese Menschen geredet und meist negativ, aber „wir wollten durch dieses Projekt zeigen, auch bildlich, wer diese Menschen sind, die hierher kommen und zeigen, dass Vielfalt immer ein Gewinn und nie eine Gefahr ist.“
Egal wie: Hauptsache Fotografie
Präsentiert werden die Fotos im Kabinett der Kunststiftung DZ Bank. Die Sammlung der Bank hat den Schwerpunkt Fotografie. Das war im Workshop auch das vorgegebene Medium für die Stipendiatinnen und Stipendiaten – egal ob digital oder analog, mit dem Handy oder der Profikamera aufgenommen.
Für die meisten war das eine neue Erfahrung, wie Abdullah Al-Gumaei erzählt. „Also klar, man macht ein paar Fotos mit dem Handy, aber auf einer professionellen Ebene hatte ich es bis jetzt noch nicht.“
Tuch und Teppich aus dem Jemen als Requisiten
Auf seinem Foto liegt Abdullah Al-Gumaei auf einem Teppich im grünen Gras in Gießen, wo er Umwelt und Globaler Wandel studiert. Unter ihm ist ein bunter Teppich ausgebreitet, um seinen Kopf ein Tuch gebunden. Den Teppich hat er aus seiner Heimat, dem Jemen, mitgebracht, das Tuch ist ein traditioneller jemenitischer Schal. Es sind Erinnerungsstücke seiner Kultur.
Das Selbstporträt von Abdullah Al-Gumaei ist Teil der Ausstellung „Identitäten. Vielfalt und Veränderung“
Bild © Abdullah Al-Gumaei
Sprachen, Religion, Herkunft – alles gehört zur Identität
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten waren bei ihren Fotos frei in der Motivgestaltung. Nur das Oberthema war vorgegeben: Identität. Für Fiyori Haptegargish eine spannende Aufgabe. „Ich dachte lange Zeit, Identität bestehe nur aus einem einzigen Element: der Herkunft“, sagt die gebürtige Eritreerin. Aber das sei zu kurz gegriffen.
Ihre Herkunft, Eritrea, ihre christliche Religion und die vier Sprachen, die sie spricht, Arabisch, ihre Muttersprache Tigrinya, Englisch und Deutsch, machten sie aus. Die Mischung aus verschiedenen Einflüssen sei ihre Antwort auf die Frage nach Identität.
Der Tisch ist gedeckt, aber die Familie kommt nicht. Ein Gefühl der Einsamkeit für Aleksandra Mishchanka.
Bild © Aleksandra Mishchanka
Manchmal sitzt man alleine am Tisch
Für Aleksandra Mishchanka aus Belarus hingegen ist die Frage nach Identität nach eigener Auskunft mit Schmerz verbunden, mit Abschied, Verlust und der Unmöglichkeit, zurückzukehren. Das Eintauchen in eine neue Kultur bedeute auch, von vorne anzufangen. Aleksandra Mishchanka studiert an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach. Ihre Arbeit ist die einzige Installation der Ausstellung.
Auf einem Tisch ist eine weiße Tischdecke ausgebreitet. Darauf stehen in Eierbechern mehrere gekochte Frühstückseier, die mit Passfotos beklebt sind. „Die Eier auf einen Tisch zu stellen ist ein Versuch, das Bild einer versammelten Familie zu erschaffen, als säßen wir wieder alle gemeinsam an einem Tisch“, so die Künstlerin. In Wahrheit sitze sie aber an diesem Tisch allein. Und das ist eben auch, was ein neues Leben mit sich bringen kann, neben all der Chancen, Hilfe und Möglichkeiten: Einsamkeit.
Weitere Informationen Ausstellung
Ausstellung „Identitäten. Vielfalt und Veränderung“
bis 27. September 2025
Kabinett der Kunststiftung DZ Bank
Platz der Republik, Frankfurt
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