Das Bezirksamt Mitte will die Umbenennung der Mohrenstraße an diesem Sonnabend feierlich vollziehen, trotz eines gegenläufigen Eilantrags des Berliner Verwaltungsgerichts. Der von einer Bürgerinitiative am Mittwochabend eingereichte Eilantrag gegen die Umbenennung hatte Erfolg, deshalb galt eine Absage der Feier als wahrscheinlich.
Die Umbenennung könne wie geplant vollzogen werden, teilte das Bezirksamt am Freitag mit. Man halte den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. August 2025 (Az. VG 1 L 682/25) für rechtsfehlerhaft. Gegen ihn legte der Bezirk am Freitag Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG BB) ein. „Die durch den gestrigen Beschluss wiederhergestellte aufschiebende Wirkung der Eilanträge tritt damit nicht ein“, betont der Bezirk in einer Pressemitteilung am Nachmittag.
Ob die Feier tatsächlich stattfinden kann, hängt nun am Oberverwaltungsgericht. Eine Entscheidung in dieser Sache noch im Laufe des Freitags gilt laut Pressestelle als wahrscheinlich. Der Bezirk sieht sich grundsätzlich im Recht, da das OVG am 8. Juli dieses Jahres entschieden hatte, dass die Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße rechtmäßig ist. „Es wäre widersprüchlich, wenn das OVG BB in den noch anhängigen Parallelverfahren von seiner eigenen rechtskräftigen Entscheidung abweichen würde“, betont der Bezirk.
Die ersten Straßenschilder mit dem neuen Namen für die bisherige Mohrenstraße in Berlin-Mitte waren bereits montiert, als die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eintraf. Das Verwaltungsgericht folgte mit seiner Entscheidung dem Eilantrag der Bürgerinitiative „Pro Mohrenstraße“ in wesentlichen Punkten.
Am 4. Mai 2021 hatte das Bezirksamt Berlin-Mitte eine Allgemeinverfügung zur Umbenennung der Straße veröffentlicht, wogegen mehrere Klagen erhoben wurden. Ein Anwohner, dessen Klage bis kürzlich ruhend gestellt wurde, hat nach Bekanntwerden der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung einen Eilantrag gegen die Umbenennung gestellt.
Bezirke-Newsletter: Mitte
Mehr Neuigkeiten zum Bezirk gibt es in unserem Newsletter — jede Woche per E-Mail.
Dem Antrag wurde stattgegeben. Der Grund: Es fehle an einem besonderen öffentlichen Interesse für die sofortige Vollziehung, heißt es im Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts. Auch wenn die Rechtmäßigkeit der Umbenennung bereits feststehe, sei die Dringlichkeit in diesem Fall nicht ausreichend begründet worden.
Wann können Klagen ruhend gestellt werden?
Klagen können nur dann ruhend gestellt werden, wenn alle Verfahrensbeteiligten sich einverstanden erklären. Ruhend gestellte Klagen haben eine aufschiebende Wirkung. Die sofortige Vollziehung, die der Bezirk am 18. Juli angeordnet hatte, hätte den ruhenden Klagen aber ihre aufschiebende Wirkung genommen, erklärte ein Pressesprecher des Verwaltungsgerichts telefonisch: „Um die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, haben die Kläger diese Woche die Eilanträge eingereicht.“
Mit Erfolg, wie gestern entschieden wurde: Die aufschiebende Wirkung wurde wieder aktiviert, bis final über die Klagen entschieden wird. Wann das der Fall sein wird, ist noch unklar. Wegen einer ausgedünnten Personalsituation in der Kammer dürfte das wohl nicht in den nächsten Wochen passieren.
Daran, dass die Umbenennung kommt, dürfte diese Entscheidung aber nichts ändern, denn das Verwaltungsgericht hat nur darüber entschieden, ob die Dringlichkeit vorlag, die für eine sofortige Vollziehung Voraussetzung gewesen wäre. Die Rechtmäßigkeit der Umbenennung an sich sei gerichtlich geklärt, so das Gericht.
Internationaler Feiertag soll besonderes Interesse begründen
Der Bezirk Mitte wollte die Mohrenstraße am Sonnabend umbenennen, weil der Begriff „Mohr“ als rassistisch gilt. Der ausgewählte neue Name lautet Anton-Wilhelm-Amo-Straße, nach einem afrikanischstämmigen Gelehrten im 18. Jahrhundert. Eine entsprechende Allgemeinverfügung wurde bereits am 4. Mai 2021 im Amtsblatt bekannt gemacht.
Kultursenator Joe Chialo im Gespräch „Deutschland muss seine koloniale Vergangenheit aufarbeiten“
Am 20. August 2025 habe das Bezirksamt seine Begründung dahingehend ergänzt, so ist in dem Beschluss zu lesen, „dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Umbenennung der Mohrenstraße bestehe, weil der 23. August der Internationale Tag der Erinnerung an den Sklavenhandel und seine Abschaffung sei und der Monat August in Zentral- und Westafrika als Unabhängigkeitsmonat gefeiert werde“.
Doch das reicht dem Verwaltungsgericht nicht aus. Es gebe auch weitere Feiertage, die diesbezüglich infrage kämen, zum Beispiel den 2. Dezember, den Internationalen Tag der Vereinten Nationen für die Abschaffung der Sklaverei. Sowie den 25. März, an dem der Internationale Tag der Vereinten Nationen zum Gedenken an die Opfer der Sklaverei und des transatlantischen Sklavenhandels begangen wird. Außerdem begründeten „auch die vielfältigen Vorbereitungen für die geplante Umbenennung keine besondere Dringlichkeit, da das Bezirksamt sie sehenden Auges selbst veranlasst habe“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.
Gegen die Entscheidung des Bezirks gab es mehrere Klagen. Das Oberverwaltungsgericht gab dem Bezirk Anfang Juli schließlich in einem Musterklageverfahren in letzter Instanz recht. Daraufhin wurden die sechs noch offenen Verfahren ruhend gestellt. Die Initiative fordert, die Umbenennung der Straße so lange aufzuschieben, bis Rechtssicherheit hergestellt sei.
Weitere Meldungen aus Berlin: Ärger in schwarz-roter Koalition Bonde macht Verkehrslobbyisten zum Berliner Umweltstaatssekretär „Uns hat das tief erschüttert“ KitKatClub bestätigt Vergewaltigung bei sexpositiver Party Behörde erkennt Versammlungsstatus ab Palästina-Camp am Kanzleramt in Berlin aufgelöst
Auch zwei weitere Verfahren wurden in dieser Woche per Eilantrag reaktiviert. Über diese Eilanträge wird im Laufe des Freitags entschieden, sie dürften aber keine größeren Auswirkungen haben, da die Umbenennung nun bis zur Entscheidung des Gerichts über den eingereichten Antrag oder in einem eventuellen Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ausgesetzt ist.
Straßenfest soll trotzdem stattfinden
Der Verein „Decolonize Berlin“ möchte dennoch an seinem Straßenfest zur Umbenennung festhalten. Das Fest war für Sonnabend um 14 Uhr zur geplanten Enthüllung des Schildes geplant. Mehrere Reden zum Thema Antikolonialismus seien bereits angekündigt worden, heißt es von den Veranstaltern auf Tagesspiegel-Nachfrage. Auch hätte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) ihre Zusage bis zum frühen Freitagvormittag noch nicht widerrufen. Dennoch sei man über die Entscheidung verärgert, weil die Kläger nur den Prozess verzögern und nicht mehr gegen die Umbenennung selbst klagen könnten. Gerade deshalb sei deren Motivation nicht ersichtlich, heißt es aus dem Verein.