Noch weist nichts darauf hin, dass das Ladenlokal an der Lahnstraße im Frankfurter Stadtteil Gallus wohl bald schon geräumt werden wird. Von außen macht das Gebäude noch immer den Eindruck, als formiere sich dort der Widerstand gegen die städtische Liegenschaftspolitik, verbunden mit einer Kritik an Israel und der Solidarität mit Palästina.

Doch spätestens seit Donnerstagabend ist den Besetzern bekannt, dass ihr Rechtsbruch in Kürze ein Ende finden wird. Dem Vernehmen nach hat Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) die Besetzer aufgesucht und ihnen mitgeteilt, dass sie das Gebäude bis Montag verlassen müssen. Sollten sie das nicht tun, werde die Stadt einen Räumungstitel erwirken.

Am Donnerstag hat Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) gemeinsam mit Weber mitgeteilt, dass die Stadt ihre bisherige Haltung zu Hausbesetzungen ändern werde – eine Tolerierung solcher Aktionen werde es künftig nicht mehr geben. Weber hatte zunächst entschieden, die Besetzung an der Lahnstraße zu dulden und den Besetzern sogar einen Nutzungsvertrag anzubieten. Nun machte Josef deutlich, er und die Dezernentin seien an einer Neuausrichtung der städtischen Liegenschaftspolitik interessiert.

„Immobilien schnellstens wieder nutzbar machen“

Man sei sich nun darin einig, das derzeit besetzte Ladenlokal an der Lahnstraße „zeitnah einer Nutzung für den Stadtteil, zum Beispiel für ein Quartiersmanagement, zur Verfügung zu stellen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Angesichts dieser Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik sei nicht mit weiteren Besetzungen zu rechnen. Sollte es dennoch dazu kommen, werde man umgehend räumen. Ein Vorgehen, das bei künftigen Fällen dieser Art Standard werde.

Die Neuregelung sieht darüber hinaus vor, dass leer stehende Liegenschaften der Stadt Frankfurt künftig nicht mehr von Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) verwaltet werden, sondern von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG. In Abstimmung mit Weber habe Josef Gespräche mit dem Geschäftsführer der ABG Holding, Frank Junker, geführt. Demnach sollen städtische Immobilien, die schon länger leer stehen, zügig von der ABG überprüft und, wenn nötig, saniert werden. Das gelte für Gewerbe- ebenso wie für Wohnimmobilien. Mittel für die Sanierung habe sie für den städtischen Haushalt 2026 angemeldet, so Weber.

Ziel sei es, „diese Immobilien schnellstens wieder nutzbar zu machen und den bestehenden Leerstand zu beenden“. Die Stadt arbeite nun „mit Nachdruck daran, den Leerstand zu beseitigen“. Gerade wegen des Mangels an bezahlbaren Wohnungen teile er „den Ärger vieler Menschen über diesen Missstand, der sich über viele Jahre entwickelt hat“, sagte der Oberbürgermeister.

Zustimmung zu diesem Vorgehen si­gnalisierten am Freitag die oppositionelle CDU und die vor wenigen Wochen aus der Koalition ausgeschiedene FDP. Weber sei bisher offenbar nicht willens gewesen, bei der rechtswidrigen Besetzung städtischen Eigentums konsequent zu handeln, sagte der sicherheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Martin-Benedikt Schäfer. Nach Einschätzung von FDP-Fraktionschef Yanki Pürsün wirkt „der über Wochen aufgebaute politische Druck“. Keine offizielle Reaktion kam von den verbliebenen Koalitionsfraktionen Grüne, SPD und Volt.

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Die Besetzung an der Lahnstraße sowie der Umgang damit hatten für große Empörung gesorgt. Unter den Besetzern befinden sich den Erkenntnissen zufolge linksextreme Gruppierungen sowie Pro-Palästina-Demonstranten. Schon im Herbst 2023 waren die Räume einer ehemaligen Gaststätte in einem städtischen Gebäude an der Jordanstraße im Stadtteil Bockenheim besetzt worden, ebenfalls von einer linksgerichteten Gruppierung. In beiden Fällen stellte Weber den Besetzern Nutzungsverträge in Aussicht. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Die Gebäude hatte die Stadt vor mehreren Jahren über Vorkaufsrechte erworben, um Luxussanierungen zu verhindern.

Die Übertragung der leer stehenden Wohnungen an die ABG Holding ist schon lange im Gespräch. Schon seit Jahren wird darüber diskutiert, den gesamten, rund 1000 Einheiten umfassenden Wohnungsbestand der Stadt der Wohnungsbaugesellschaft zu übertragen. Bisher ist es allerdings nicht zu einer Lösung gekommen. ABG-Geschäftsführer Frank Junker verwies in der Vergangenheit darauf, dass aus den Mieteinnahmen die Kosten für die anstehenden Sanierungen nicht zu erwirtschaften seien. Allenfalls als Dienstleister für die Stadt könne die ABG tätig werden. Die anfallenden Kosten müssten erstattet werden.

Im Fall der insgesamt neun Immobilien in sogenannten Milieuschutzgebieten, die die Stadt über Vorkaufsrechte erworben hat, käme eine Übertragung an die ABG ohnehin nicht infrage. Denn sie müssen wieder dem privaten Markt zur Verfügung gestellt werden – so sieht es eine Vorschrift des Baugesetzbuches vor. Die städtische ABG erfüllt die Bedingungen nicht.

Die Reprivatisierung der zum Teil stark sanierungsbedürftigen Häuser sollte bisher über die Vergabe von Erbbaurechten erfolgen. Nach langer Vorbereitung unter Beteiligung mehrerer städtischer Ämter wurde als Pilotprojekt die Ausschreibung eines Wohn- und Geschäftshauses an der Wittelsbacherallee im Ostend auf den Weg gebracht.

Damit beauftragt wurde die Entwicklungsgesellschaft KEG, an der die Stadt 50 Prozent der Anteile hält. Erst nach Abschluss des Pilotprojekts sollten die übrigen acht Immobilien ausgeschrieben werden. Erst kürzlich teilte das Baudezernat mit, dass die beiden besetzten Gebäude nicht vor Ende 2027 an der Reihe seien. Durch den jetzt verkündeten Strategiewechsel werden sie möglicherweise schon früher wieder nutzbar.