Der Bundesrechnungshof meldet Zweifel an, ob das von der schwarz-roten Koalition angeschobene Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität wirklich dazu führt, dass die Infrastruktur in Deutschland besser wird. Der Gesetzentwurf zu dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen – der politische Fachausdruck für einen Schuldentopf – lasse einen „erheblichen Interpretationsspielraum hinsichtlich der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel zu“, heißt es in einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestags, den das Portal „Politico“ öffentlich gemacht hat. Die Rechnungsprüfer raten den Parlamentariern, sie sollten den „Regelungsauftrag aus dem Grundgesetz mit mehr Leben füllen“.
Die Bereitstellung der 500 Milliarden Euro „kann kein Selbstzweck sein“, heißt es mahnend. Konkret fordert der Rechnungshof, dass der Investitionsbegriff klarer definiert wird. Personalausgaben gehörten nicht dazu. Außerdem sei bislang nicht sichergestellt, dass nur zusätzliche Investitionen mit Schulden finanziert werden. Mitnahmeeffekte, indem längst geplante Vorhaben aus dem Sondervermögen finanziert werden, müssten vermieden werden. Der Bundesrechnungshof mahnt außerdem ein Monitoring der Ausgaben an, mit dem die Einhaltung der Ziele nachgehalten wird. Zudem sollte die Ausgabenplanung so gesteuert werden, dass die gebaute Infrastruktur nach dem Auslaufen des Sondervermögens aus den Kernhaushalten von Bund und Ländern finanziert werden könne.
Bundestag berät über Sondervermögen
Der Bericht fügt sich in eine Reihe weiterer Schriftsätze ein, mit denen sich der Rechnungshof kritisch mit der Ausgabenpolitik der schwarz-roten Koalition auseinandersetzt. Auch zur desolaten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich das Gremium gerade geäußert. Union und SPD hatten mithilfe der Grünen unmittelbar nach der Bundestagswahl eine Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz beschlossen. Sie vereinbarten zum einen, dass alle Verteidigungsausgaben, die ein Prozent der Wirtschaftsleistung überschreiten, mit Schulden finanziert werden können.
Zudem verabredeten sie, 500 Milliarden Euro Schulden zur Modernisierung der Infrastruktur und zum Erreichen des Klimaziels aufzunehmen. Die Laufzeit des Sondervermögens beträgt zwölf Jahre. 100 der 500 Milliarden Euro fließen den Ländern zu, 100 Milliarden Euro werden in den Klima- und Transformationsfonds transferiert. Als zusätzlich sollen Investitionen gelten, die zehn Prozent der Ausgaben im Bundeshaushalt überschreiten. Das Kabinett hat den Gesetzentwurf Ende Juni beschlossen. Jetzt berät der Bundestag darüber.
Sondertopf könnte für bereits einkalkulierte Projekte herhalten
Dadurch, dass das Sondervermögen rückwirkend ab dem ersten Januar 2025 gelten soll, hat der Bundesrechnungshof Sorge, dass auch bereits vereinbarte und von Bund und Ländern mit Haushaltsmitteln unterlegte Projekte jetzt über Schulden finanziert werden – und die frei gewordenen Mittel dann für „konsumptive Zwecke“ – etwa Sozialleistungen – ausgegeben werden. Um eine Fokussierung auf relevante Investitionsvorhaben zu erreichen, empfiehlt der Rechnungshof, dass nur solche im Wert von mindestens 50.000 Euro gefördert werden sollten. Zudem rät das Kontrollgremium, den Anstieg der Baupreise im Blick zu behalten. Die Befürchtung, dass Bauunternehmen angesichts der Schuldenoffensive erst mal kräftig ihre Preise erhöhen, haben auch Ökonomen schon geäußert.
Nicht nur der Rechnungshof sieht das von den Koalitionsspitzen im März ausgehandelte Schuldenpaket kritisch. Auch in Teilen der Unionsfraktion gibt es Skepsis hinsichtlich der geplanten Ausgestaltung. In seinem Umfeld gebe es Kommunen, die drei defizitäre Freibäder betrieben, berichtete Anfang Juli der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg im Bundestag. Angesichts der Infrastrukturmilliarden „im Schaufenster“ überlegten diese Kommunen jetzt, statt der geplanten Schließungen doch alle Bäder weiterzubetreiben. „Dann haben wir auf lange Sicht wieder drei defizitäre Freibäder“, bemängelte Middelberg.