Gegrilltes Meerschweinchen, Mongolian Mary mit Schafauge oder Milbenkäse gefällig? Mehr über solche Gerichte ist derzeit in Stuttgart zu erfahren. Im Disgusting Food Museum ist der außergewöhnliche Geschmack erwünscht und Interessierte können an der Tasting-Bar am Ende des Rundgangs einiges davon sogar probieren. Die Idee der Ausstellung stammt ursprünglich aus dem schwedischen Malmö.

Die Schau lädt dazu ein, die eigenen Vorstellungen von Ekel neu zu hinterfragen. Was für den einen köstlich ist, kann für den anderen widerlich sein. „Ekel ist kulturell bedingt. Wir mögen die Lebensmittel, mit denen wir aufgewachsen sind. Ekel ist sehr individuell. Auch die Präsentation spielt eine Rolle“, sagt Museumsdirektor Andreas Ahrens.

Mongolian Mary, Tomatensaft mit eingelegten Schafaugen, wird in der Mongolei gern getrunken. Bild vergrößern

Mongolian Mary, Tomatensaft mit eingelegten Schafaugen, wird in der Mongolei gern getrunken. (Foto: Anja Barte/Disgusting Food Museum)

Während in Peru gegrilltes Meerschweinchen zu den Standardgerichten gehört, sind bei uns im Schwabenland saure Kutteln eine beliebte Spezialität. Beide exotischen Gerichte sehen fertig zubereitet zum Kotzen aus – und so manchem Besucher wird’s beim Betrachten derselben vielleicht sogar übel. Zur Sicherheit gibt es deshalb statt der üblichen Eintrittskarte einen Brechbeutel.

80 Beispiele aus den großen Küchen der Welt

In der Ausstellung sind sämtliche großen Küchen der Welt vertreten. 80 ekelerregende Food-Exponate sind es insgesamt. Sie laden dazu ein, die Verschiedenheit des Geschmacks kennenzulernen. Jede Speise unter der Glasglocke gilt irgendwo als Delikatesse und hat eine historische Bedeutung, wirkt auf viele ungewohnte Gaumen jedoch abstoßend. Da wären etwa die in Kinderurin gekochten Eier aus Asien, der gebratene Bullenpenis oder die knusprigen, prallen Suri-Palm-Maden, die beide in Lateinamerika ein Hit sind. Die Franzosen wiederum wollen nicht auf ihre Gänseleberpastete verzichten, obwohl das Füttern der Tiere eine einzige Quälerei ist, wie im Film gezeigt wird.

Andere Länder, andere Sitten: In der lateinamerikanischen Küche ist der Bullenpenis eine Delikatesse.Bild vergrößern

Andere Länder, andere Sitten: In der lateinamerikanischen Küche ist der Bullenpenis eine Delikatesse. (Foto: Anja Marte/Disgusting Food Museum)

Auch kuriose Snacks sind in der Schau versammelt: In Mexiko liebt man den Ziegenmilchlutscher, in Japan das Wasabi Kit Kat, in Skandinavien die Salzlakritz. Unter den Getränken finden sich etwa Bibergeil, ein Schnaps, der mit dem Aroma aus den Analdrüsen des Bibers verfeinert wird, oder Reiswein, in dem die Leichen von Babymäusen gekocht werden.

Salzlakritz ist in Skandinavien ein begehrter Snack. Der besondere Geschmack entsteht durch Ammoniumchlorid, eine Chemikalie, die sonst zur Reinigung von Metallen und zur Herstellung von Industriedünger verwendet wird. Bild vergrößern

Salzlakritz ist in Skandinavien ein begehrter Snack. Der besondere Geschmack entsteht durch Ammoniumchlorid, eine Chemikalie, die sonst zur Reinigung von Metallen und zur Herstellung von Industriedünger verwendet wird. (Foto: Anja Barte/Disgusting Food Museum)

Und dann wäre da noch die „Kotzfrucht“, die man im „Dschungelcamp“ in Fernsehen schon oft gesehen hat. Nur wenige wissen, dass diese stachelige Frucht Durian heißt und noch weniger Menschen wissen, wie sie schmeckt: nach einer Mischung aus Ananas und Zwiebel. Eine geradezu ekelhafte Kombination, die einem jedoch, nachdem man sich an sie gewöhnt hat, neue Geschmackswelten eröffnet.

Unsere Vorstellung von ekelerregenden Speisen können sich mit der Zeit übrigens auch ändern. Bestes Beispiel ist der Hummer. Vor 200 Jahren galt das Meerestier als ungenießbar, sodass er nur Gefangenen und Sklaven zu essen gegeben wurde. Heute ist Hummer eine kostspielige Delikatesse.

Warum ekeln wir uns?

Grundsätzlich dient der Ekel dazu, sich vor Krankheiten oder gesundheitsschädlichen Lebensmitteln zu schützen. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der Geruch. Deshalb gibt es im Disgusting Food Museum auch immer wieder die Möglichkeit, an einzelnen Speisen zu schnuppern. Das heißt aber noch lange nicht, dass als widerlich empfundene Speisen auch krank machen. Eben, weil hier ebenfalls die kulturell erworbene Empfindung entscheidend ist. So kann die Ausstellung auch Toleranzen schaffen – für andere Geschmäcker und Gewohnheiten.

Abgesehen davon, dass die Schau natürlich Aufmerksamkeit erregen soll, wird auch unsere derzeitige Fleischproduktion kritisch hinterfragt. Für die Rinderzucht werden Regenwälder gefällt, bei der Schweinefleischproduktion ist der übermäßige Einsatz von Antibiotika ein großes Problem. Es müssen also dringend Alternativen her: Wie wäre es mit Insekten? Oder dann doch lieber künstlich hergestelltes Fleisch aus der Petrischale? „Wenn wir uns von den Vorstellungen davon, was eklig ist und was nicht, ändern können, könnte uns das möglicherweise helfen, auf nachhaltigere Proteinquellen umzusteigen“, so lässt sich Kurator Samuel West in einer Mappe zur Ausstellung zitieren.

Das Disgusting Food Museum ist folglich ein Erlebnisraum und ein Lernort zugleich. Deshalb darf man hier nicht nur schauen, sondern auch riechen und am Ende sogar anfassen und probieren. Denn wirkliche Erfahrung ist immer eine sinnliche. Wohl bekomm’s!

Das Disgusting Food Museum befindet sich in der Königstraße 21 in Stuttgart-Mitte. Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 11-20 Uhr, Sa., So., Fei. 10-20 Uhr.