Eintracht Frankfurt hat sich für die Europameisterschaften qualifiziert. Klingt komisch, ist aber wahr. Der Verein nimmt vom 1. September an den Challengers EMEA teil, bei denen die europaweit besten Teams im bei Jugendlichen beliebten Spiel „Valorant“ gegeneinander antreten.

Max Brömel leitet bei der Eintracht die E-Sports-Abteilung, die der Verein vor sechs Jahren aus der Taufe gehoben hat. Außer bei Valorant, einem taktischen Ego-Shooter-Spiel, ist die Eintracht noch in zwei weiteren Titeln aktiv. Natürlich bei EA Sports FC, das aus den FIFA-Spielen hervorgegangen ist, die nach der Kündigung des Lizenzvertrages zwischen EA und FIFA eingestellt worden waren. Außerdem stellt der Verein ein Team für das Spiel League of Legends, das bei Millennials beliebt ist (sie gelten in der Branche schon als „Ältere“).

Das Gaming sei „ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“, sagt Brömel am Hessenstand auf der Spielemesse Gamescom, einerseits wegen der Preisgelder auf Meisterschaften, andererseits auch wegen des Geldes von Sponsoren. Die Sparte eröffne dem Sportverein Zugang zu neuen Zielgruppen aus den Generationen Z und Alpha, die wegen des E-Sports, vor allem des Spiels Valorant, Fans der Eintracht würden. Sie verfolgten etwa die Streams auf dem Portal twitch und kämen dadurch mit der Marke in Kontakt. „Das sind Leute, die wir über den klassischen Sport nicht erreichen können“, sagt Brömel.

Nachwuchsentwickler fühlen sich übersehen

Mittlerweile hat der Verein sogar eine eigene Nachwuchs-Akademie für Gamer aufgebaut. „Bisher haben sich da schon mehr als 3000 Spieler beworben. Wir wählen jedes Jahr zwei bis drei Talente aus, die wir besonders fördern und vielleicht in den Profikader hochziehen.“ Im Deutsche Bank Park stünden für das Gaming rund 300 Quadratmeter Fläche zur Verfügung.

Die Eintracht beschäftigt in ihrer E-Sport-Abteilung 21 Menschen, davon 14 Spieler und zwei Trainer je Spiel. Hinzu kommen laut Brömel Freiberufler, die als Analysten auch dazu beitragen sollen, das Niveau des Spiels langfristig zu erhöhen.

Wirtschaftlich wird die Gamesbranche besonders bei den Online-Gaming-Services immer wichtiger. Dazu zählen einerseits Cloud-Gaming-Dienste wie NVIDIA GeForce Now, PlayStation Now oder Xbox Clowd Gaming, aber auch Plattformen zum Kaufen und Spielen wie Steam. Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist der Umsatz mit Spielen, Games-Hardware und Online-Gaming-Services um vier Prozent auf 4,6 Milliarden Euro gewachsen, wie der Verband der deutschen Games-Branche meldete.

Gleichwohl fühlen sich die Spielemacher, gerade die Nachwuchsentwickler, nicht angemessen gesehen. Unter dem Namen „Raw Talent“ präsentieren studentische Spieleentwickler von elf Hochschulen aus Deutschland und Österreich auf der Gamescom im Herzen der Indie Area 50 Indie-Spiele, die von 150 Studierenden entwickelt worden sind. Zwölf dieser Spiele und damit die meisten kommen von Studierenden der Hochschule Darmstadt.

Am Stand von Aesir Interactive: Staatssekretär Christoph Degen testet ein Spiel.Am Stand von Aesir Interactive: Staatssekretär Christoph Degen testet ein Spiel.Stefan Nieland

Die Games-Professorin Greta Hoffmann von der TH Köln, die den Stand vorstellt, sieht weiterhin Nachholbedarf beim politischen und gesellschaftlichen Ansehen der Branche. „Spielen haftet nach wie vor das Image der Unseriosität an. Dabei können sie einen Mehrwert für die Gesellschaft und auch in andere wissenschaftliche Disziplinen liefern“, sagt sie.

Wie das aussehen kann, lässt sich am Spiel ESA Shield erkennen, das vom Games Lab der Hochschule Darmstadt entwickelt worden ist. Stephan Jacob ist dort Professor für Game Design und Entwicklung und außerdem 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Spielewissenschaft. ESA-Shield sei ein „Earth-Defense-Simulator“, bei dem sich die Spieler um die planetare Sicherheit kümmerten. Sie wehrten Asteroiden ab, bauten Teleskope und Satelliten, beobachteten Sonnenwinde. „Im Grunde genau das, was die ESA macht.“ Erkenntnisse aus dem Spiel könnten dann gegebenenfalls Einfluss auf die tatsächliche Forschung haben.

Doch nicht nur hier liefert die Gamesbranche nach Ansicht der hessischen Vertreter auf der Messe einen Mehrwert. Sie biete auch eine nicht zu vernachlässigende Zahl an Arbeitsplätzen. Nintendo beispielsweise, einer der größten Spiele- und Konsolenentwickler der Welt, hat seine Europazentrale in Frankfurt. Rund 1000 Mitarbeiter seien dort beschäftigt, berichtet Clemens Mayer-Wegelin. Leitender Jurist für Nintendo Europa, am Stand des Unternehmens. Dort präsentiert unter anderem der ehemalige Fußballprofi Christoph Kramer die neue Konsole Switch 2.

KI-Artikelchat nutzen

Mit der kostenlosen Registrierung nutzen Sie Vorteile wie den Merkzettel.
Dies ist
kein Abo und kein Zugang zu FAZ+
Artikeln.

Sie haben Zugriff mit Ihrem Digital-Abo.

Vielen Dank für Ihre Registrierung




„Wir brauchen verlässliche Förderung“, sagt Mayer-Wegelin. Die Spieleentwicklung dauere oft mehrere Jahre, da reiche eine reine Projektförderung nicht aus. „Wir brauchen eine steuerliche Förderung. Die Projektförderung auf Länderebene ist dann ergänzend hilfreich für die Anschubfinanzierung bei neuen Produkten.“

Das bestätigt auch Claudia Stricker vom Verband Game Hessen, gerade mit Blick auf kleine Spieleentwickler. „Damit Hessen im nationalen Vergleich mitspielen kann, benötigt die Branche ein jährliches Budget von drei Millionen Euro“, sagt sie. Zudem müsse es in Hessen eine eigenständige Förderinstitution geben, die „alles managt“: die Förderung, die Messen, die Veranstaltungen für das Netzwerk. „Bisher machen wir das als Verband ehrenamtlich zusammen mit der Hilfe der Kommunen“, sagt sie.

Es gebe zwar auch Fördermittel in Hessen, die seien aber nicht so hoch wie in anderen Ländern, und man müsse sich darum bewerben. So fördert das Land durch die Wibank etwa Serious Games, also grob gesagt Spiele, die Wissen vermitteln, mit bis zu 60 Prozent der förderfähigen Ausgaben. Das muss aber beantragt werden. „Wir sind dadurch oft Bittsteller. In anderen Bundesländern heißt es: ‚Guckt mal, was wir euch bieten können.’ In Hessen muss man kämpfen.“

Die Hessen Agentur im Wirtschaftsministerium, die als Schnittstelle der Branche zur Politik fungiert und genau das leisten könnte, müsse mit mehr Personal und Geld ausgestattet werden. Der durch sie maßgeblich gestemmte gemeinsame Stand auf der Gamescom sei gut, um Hessen sichtbarer zu machen.

Dabei müsse sich der Standort nicht verstecken, sagt Stricker. Mit Nintendo, aber auch crytek, Deck13, Keen oder auch weltenbauer und Claymore seien namhafte Unternehmen der Branche im Rhein-Main-Gebiet angesiedelt. Das müsse nun auch politisch abgebildet werden. Ein Anfang seien die vom Land geförderten Games Hubs in Darmstadt und Frankfurt. „Wir haben damit Orte für Gründer geschaffen, an denen sie sich ausprobieren können.“ Was fehle, sei ein Angebot für die nachhaltige Finanzierung. Stricker gibt sich kämpferisch: „Daran arbeiten wir noch.“