Berlin. Hin und Her: Das Verwaltungsgericht stoppte erst die Umbenennung. Nun wurde im Eilverfahren entschieden: Die Anton-Wilhelm-Amo-Straße kommt.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat im Eilverfahren entschieden, dass die Mohrenstraße jetzt doch umbenannt werden darf, wie ein Sprecher mitteilte. Der Bezirk Mitte hatte Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin eingelegt. Die für Samstag, 23. August 2025, geplante Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße kann also durchgeführt werden. Am Freitag hatte das Verwaltungsgericht Berlin zwischenzeitlich die Verfügung des Bezirksamtes Mitte außer Kraft gesetzt. Damit hatte ein Eilantrag der Bürgerinitiative gegen die Umbenennung Erfolg. Dagegen wiederum wehrte sich der Bezirk – mit Erfolg.
Auf die Beschwerde des Bezirksamts hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidungen geändert und die Eilanträge von Bürgerinitiativen abgelehnt. In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es, dass nach gegenwärtigem Stand ein Erfolg der Klagen der Antragsteller in hohem Maße unwahrscheinlich sei. „Es sei nicht ersichtlich, dass das Vorbringen in den Klageverfahren an der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Straßenumbenennung etwas ändern werde, zumal die gerichtliche Überprüfung einer Straßenumbenennung nach dem Berliner Landesrecht stark eingeschränkt, nämlich auf eine Willkürkontrolle begrenzt sei“, heißt es in der Mitteilung. Die Beschlüsse des OVG sind unanfechtbar.
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Am Freitag hatte das Verwaltungsgericht argumentiert, dass die durch das Bezirksamt Mitte verfügte und im Amtsblatt von Berlin am 18. Juli 2025 veröffentlichte Anordnung zur Umbenennung zwar formell rechtmäßig sei, allerdings keine Dringlichkeit bestehe, diese sofort und ohne Berücksichtigung offener Klagen zu vollziehen. Das Aussetzungsinteresse überwiege das Vollziehungsinteresse, argumentierten die Richter.
Bürgerinitiative sieht keine Dringlichkeit für eine Umbenennung
Das Bezirksamt hatte seine Begründung zur sofortigen Umbenennung am 20. August dahingehend ergänzt, dass „ein besonderes öffentliches Interesse an der Umbenennung der Mohrenstraße“ bestehe, weil „der 23. August der Internationale Tag der Erinnerung an den Sklavenhandel und seine Abschaffung sei und der Monat August in Zentral- und Westafrika als Unabhängigkeitsmonat gefeiert“ werde. Dies begründet nach Auffassung des Gerichts eine besondere Dringlichkeit jedoch nicht. Es verweist auf eine Reihe von Gedenktagen, die als Anlass ebenso geeignet seien, so etwa der 2. Dezember (Internationaler Tag der Vereinten Nationen für die Abschaffung der Sklaverei) oder der 25. März (Internationaler Tag der Vereinten Nationen zum Gedenken an die Opfer der Sklaverei und des transatlantischen Sklavenhandels).
Die Initiative „Pro Mohrenstraße“ hatte argumentiert, es gebe keine außergewöhnliche Dringlichkeit, die eine sofortige Vollziehung rechtfertige. Notstand oder Gefahr im Verzug, die einzigen Gründe, die ein solches Vorgehen rechtfertigen würden, lägen nicht vor.
Bezirk wehrte sich gegen Beschluss – und will trotzdem umbenennen
Das Bezirksamt hat sich somit erfolgreich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts gewehrt, indem es am Freitag Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt hatte. Man halte den Beschluss für „rechtsfehlerhaft“, so das Bezirksamt in einer Mitteilung. Und argumentiert, dass die aufschiebende Wirkung, die durch den Beschluss wiederhergestellt worden sei, damit nicht eintrete. Deshalb könne man die Umbenennung wie geplant vornehmen. Das Oberverwaltungsgericht habe in der Hauptsache bereits rechtskräftig am 8. Juli entschieden, dass die Umbenennung rechtmäßig sei. Insofern greife man auch nicht in die Rechte der Kläger ein.
„Es wird morgen (Samstag) die Umbenennung geben, da bin ich mir ganz ganz sicher“, sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) in der RBB-Abendschau. „Unsere Beschwerde ging dahin, dass wir das Urteil des Verwaltungsgerichts für fehlerhaft halten“, betonte Remlinger. „Dadurch, dass wir Beschwerde eingelegt haben, ist es nicht rechtskräftig, dadurch ist die aufschiebende Wirkung nicht da und wir können umbenennen.“
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Aktivisten wollen Umbenennung der Straße dennoch feiern
Der Verein Decolonize Berlin hatte am Freitag angekündigt, an den Feierlichkeiten zur Umbenennung festzuhalten: „Wir werden feiern und den Beschluss des Verwaltungsgerichtes lautstark kommentieren“, sagte Tahir Della vom Vorstand des Vereins dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Verein hatte zuvor schon die Umbenennung als „historischen Schritt gegen Rassismus und koloniale Kontinuitäten im öffentlichen Raum“ bezeichnet.
„Juristische Entscheidungen, die die Umbenennung verzögern, ändern nichts an dem Erfolg: Berlin bekommt eine Anton-Wilhelm-Amo-Straße“, betonte der Verein. Ob – wie ursprünglich geplant – Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) ein Grußwort halten wird, ist derzeit ungewiss. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes über den einstweiligen Rechtsschutz der einzelnen Klage des Anwohners kann
Auch der U-Bahnhof Mohrenstraße soll umbenannt werden.
© AFP | John Macdougall
Anwohner klagten gegen Umbenennung – mehrere Verfahren ruhen
Die Mohrenstraße soll nach Anton Wilhelm Amo benannt werden, dem ersten bekannten schwarzen Philosophen in Deutschland, der im 18. Jahrhundert in Halle, Wittenberg und Jena lehrte. Parallel dazu plant auch die BVG, den gleichnamigen U-Bahnhof umzubenennen. Für Anwohner und Gewerbetreibende beginnt nach der Umbenennung eine wichtige Phase. Denn sie müssen sich im Bürgeramt ummelden sowie Ausweisdokumente mit der neuen Adresse versehen lassen. Am Freitag wurde in der U2 anstelle der Mohrenstraße bereits die Anton-Wilhelm-Amo-Straße angesagt. Auf dem Bildschirm in der Bahn erschien gar keine Anzeige.
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Insbesondere afrodeutsche und afrodiasporische Verbände und Organisationen hatten zum Teil über Jahrzehnte über den rassistisch empfundenen Namen geklagt und eine Änderung angestrebt. Doch erst im August 2020 entschied sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte von Berlin, den Namen zu ändern.
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Der Umbennungsbeschluss der BVV war im Mai 2021 im Amtsblatt veröffentlicht worden. Dagegen klagten dann mehrere Anwohner. Das Verwaltungsgericht wies im Juli 2023 eine dieser Klagen ab. Die übrigen Klagen wurden damals mit Einverständnis der Beteiligten „ruhend gestellt“, also nicht weiter verhandelt. Das erstinstanzliche Urteil wurde dann im Juli dieses Jahres bestätigt, nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Zulassung der Berufung abgelehnt hatte. Daraufhin hatte das Bezirksamt Mitte die Umbenennung der Straße für den 23. August angekündigt.
jst, tok, alu/epd