laut.de-Kritik
Moreno schreit, wispert, jault – und das ist gut so.
Review von Emil Dröll

Deftones haben in den letzten Jahren einen enormen Hype erfahren. Dank TikTok und Co. sind sie mittlerweile auch bei der jüngeren Generation angekommen – was die Fanbase förmlich explodieren lässt. Dabei trifft man auf alle möglichen Kombis: Slipknot-Fans, Taylor Swift-Fans. An sich ist das natürlich erstmal positiv – bis man versucht, Tickets für die Europatour zu ergattern.

Diejenigen, bei denen dank TikTok nicht nur „My Own Summer“ in der Playlist gelandet ist, dürften das letzte Album „Ohms“ noch in guter Erinnerung haben. Jetzt steht „Private Music“ in den Startlöchern, nach der längsten Albumpause der Bandgeschichte.

Vor kurzem habe ich das neue Album noch als „nicht unbedingt evolvierend“ eingeordnet. Mein heutiges Ich, das „Private Music“ inzwischen mehrfach durchgehört hat, würde diese Aussage allerdings gerne entschuldigend revidieren. Deftones liefern hier natürlich nichts völlig Neues – aber dem Album Blaupausencharakter zu unterstellen, greift zu kurz. Und nur weil „Ohms“ ein großartiges Album war, rechtfertigt das nicht, „Private Music“ als dessen Schatten zu sehen.

Meines Erachtens liegt das eigentliche Problem der Deftones darin, dass sie in vielen Augen – und da nehme ich mich nicht aus – immer noch im Nu Metal-Kosmos verortet werden. Dabei haben die aktuellen Deftones herzlich wenig mit Genrekollegen wie Limp Bizkit gemein – und das ist auch völlig in Ordnung. Betrachtet man das Album so objektiv wie irgend möglich, entfaltet es sich mal wieder zu einer eigenen Meisterklasse.

Allen voran steht – natürlich – „My Mind Is A Mountain„. Die Vorabsingle macht keine Abstriche; der Einstieg sitzt wie ein Motor, der gerade warmläuft. Moreno so leidend wie eh und je, die Pausen verleihen die wuchtige Schwere. Ein Song, zu dem man sich schwermütig selbst ins Koma saufen und gleichzeitig im Moshpit die Sau rauslassen will.

Locked Club“ lehnt sich rifftechnisch nah an den Opener-Track an. Insgesamt wirken die ersten beiden Stücke durchdacht, leidenschaftlich und ehrlich – so wie man es von Deftones nach fünf Jahren Albumpause erwartet. „Ecdysis“ ballert mit gut hörbarem Bass durch die Tracklist; die tiefgestimmten Gitarren fehlen natürlich nicht. Das einzige Problem: Irgendwie hat man das Gefühl, es schimmert in jedem Track immer noch ein wenig „My Mind Is A Mountain“ durch. Als hätte man diesen Banger erschaffen und wollte jedem Song ein wenig von dieser Entdeckung einflößen. Funktioniert, aber nicht so gut, dass der Rest an den Opener rankommt.

Infinite Source“ traut sich endlich in neue Fahrwasser: melodischere Gitarre, sehnsüchtigerer Gesang, alles ein wenig hellgrauer statt melancholisch dunkelgrau. „Souvenir“ macht ähnlich transzendental weiter, ohne auf die bedrohlichen Gitarrenriffs zu verzichten. Moreno schreit, wispert, jault – und das ist gut so. Alles kulminiert bei Minute viereinhalb und mündet in Synthesizer-Sounds wie die Ruhe nach dem Deftones-Sturm.

Diese Beinahe-Ruhe geht nahtlos in „CXz“ über, das aber direkt weiterprügelt. Hier traut sich auch Cunningham endlich mehr. „I Think About You All The Time“ klingt schnulzig, ist es auch. Clean-Gitarre, Moreno ist traurig, also sind wir es auch. Langsamer, ruhiger Song, den man beim ersten Hören gerne unterschätzt, der später aber wahre Größe beweist.

Dann die zweite Vorabsingle: „Milk Of The Madonna“ hat nicht den Alleinstellungscharakter wie die erste Single, kommt aber genauso gut durchdacht um die Ecke. „Cut Hands“ macht dann wieder ein bisschen mehr Nu statt Prog, und das fetzt anders. Mein Favorit im Album. Ein Song, der sich kaum merklich abzuheben versucht und dadurch immer noch ins Album passt.

Auch „~Metal Dream“ wirkt ein bisschen frischer, segelt aber langsam zurück auf bekannte Gewässer. Obwohl das Drumspiel nicht besonders heraussticht, ist es doch eines der tragenden Elemente der meisten Songs. Es gibt die Schwere, die Struktur. „Departing The Body“ nimmt sich zum Schluss fast sechs Minuten Zeit. Es baut sich auf durch einzelnes langsames Gitarrenspiel und stapft dann schleppend Richtung Ende.

Insgesamt kein Werk, das Genrewechsel vollzieht – aber das ist auch gut so. Deftones bleiben Deftones und machen das, was sie am besten können: Deftones. Und sie servieren trotzdem Neues dabei.