Die VdK-Präsidentin kritisiert den Vorstoß von Marcel Fratzscher, ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentner einzuführen. Vielmehr müsse es mehr Anerkennung für deren Leistungen geben. Der Ökonom hat zuvor auf eine gerechtere Verteilung der Lasten gepocht.
Sozial- und Seniorenverbände haben die mögliche Einführung eines sozialen Pflichtjahres für Rentner kritisiert. „Wir sollten zur Abwechslung mal anerkennen, was ältere Menschen in diesem Land leisten, anstatt ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie faul sind und der Gesellschaft auf der Tasche liegen“, sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Laut Bentele pflegen viele Rentner Familienangehörige oder kümmern sich um Enkel, damit Eltern arbeiten können. Andere engagierten sich in Vereinen und Initiativen und handelten so im Sinne einer solidarischen Gesellschaft. „Da braucht es kein verordnetes soziales Pflichtjahr“, so Bentele.
Als dümmlich bezeichnete Joachim Lautensack vom baden-württembergischen Seniorenverband Öffentlicher Dienst die Forderungen. In Baden-Württemberg würden bereits weit mehr als ein Drittel der Senioren ehrenamtlich tätig sein, in der Altersgruppe zwischen 65 und 74 laut Deutschem Freiwilligensurvey 2019 sogar fast jeder Zweite (43,9 Prozent). „Hinzu kommen sicherlich noch sehr viele ebenfalls unverzichtbare Unterstützungsleistungen im familiären Bereich, die statistisch kaum zu erfassen sind“, sagte Lautensack.
Ältere müssten sich gesellschaftlich „stärker einbringen“, fordert Fratzscher
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hatte zuvor eine gerechtere Lastenverteilung in der Gesellschaft zwischen Jung und Alt gefordert. „Wir sollten ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner einführen“, hatte Fratzscher im Gespräch mit dem „Spiegel“ gesagt.
Die ältere Generation müsse sich gesellschaftlich „stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung“. Die Bundeswehr würde dann von den technischen Fähigkeiten vieler Rentner profitieren. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden“, so Fratzscher.
Ihn störe an den aktuellen Diskussionen über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für junge Erwachsene, „dass wir die Lösung unserer Probleme häufig schematisch den Jungen aufbürden“. Die jungen Generationen seien aber bereits stark durch steigende Sozialabgaben und die Folgen des Klimawandels belastet. „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, so Fratzscher. Nötig sei die Verhandlung eines „neuen Generationenvertrags“ für Deutschland.
Fratzscher ist seit 2013 Präsident des DIW. Am 29. August erscheint sein Buch „Nach uns die Zukunft – Ein neuer Generationenvertrag für Freiheit, Sicherheit und Chancen“.
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