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Erkrankte Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger sollen schneller in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Ein Experte sieht dies kritisch und warnt vor den Folgen.
Berlin – Die Neugestaltung der Grundsicherung, derzeit noch als Bürgergeld bekannt, steht vor einer möglichen Verschärfung. Pläne von SPD und Union deuten darauf hin, dass selbst chronisch Kranke durch verstärkte Gesundheitsförderung und Reha-Maßnahmen zügig wieder arbeitsfähig gemacht werden sollen. Dies geschieht offenbar unabhängig von der tatsächlichen Lebenssituation der Betroffenen.
Jobcenter haben auch die Aufgabe, Bürgergeldempfänger wieder auf den Arbeitsmarkt zu bringen. (Archivbild) © Montage: Kay Nietfeld/Jens Kalaene/dpa
Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt von gegen-hartz.de äußert sich besorgt: „Diese Maßnahmen könnten vor allem das Ziel haben, den Weg in eine möglichst rasche Arbeitsaufnahme zu ebnen – selbst dann, wenn eine vollständige Genesung noch nicht in Sicht ist.“ Der Plan der Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Reha-Angebote auszubauen und die Gesundheitsförderung zu intensivieren, klingt zunächst positiv. Viele Betroffene wünschen sich tatsächlich eine professionelle Unterstützung der Jobcenter, um ihre Gesundheit wiederherzustellen oder zumindest zu stabilisieren.
Bürgergeldempfangende unter Druck wegen Sparmaßnahmen der Regierung
Anhalt warnt jedoch davor, chronisch Kranke mit ein paar gezielten Eingriffen rehabilitieren zu wollen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zudem stehe der Genesungsprozess dann unter politischem und ökonomischem Druck. Er kritisiert, dass das System an einem Punkt angekommen zu sein scheint, an dem es nicht mehr um das Wohl der oder des Einzelnen, sondern vorrangig um statistische Effekte und Kosteneinsparungen geht.
Ursprünglich galt im Bürgergeld-Konzept die Devise, dass eine fundierte Qualifizierung der Schlüssel zum Erfolg auf dem Arbeitsmarkt sei. Die Ampelparteien hatten zu Beginn ihrer Regierungszeit große Hoffnungen in Weiterbildungsinitiativen gesetzt. Anhalt glaubt, in den vergangenen Monaten wurde jedoch deutlich, dass viele dieser Maßnahmen nicht die gewünschten Effekte erzielten. Nicht selten blieben Betroffene in Kursen, die für ihre berufliche Zukunft wenig Mehrwert brachten. Experten meldeten gerade weitere bedenkliche Zahlen zum Bürgergeld.
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Das Jobcenter gibt auf seiner Webseite umfassend Einblick in Reha-Maßnahmen für Bürgergeldempfänger und was nach aktuellen Regierungsplänen für kranke Empfängerinnen und Empfänger vorgesehen ist. Als erwerbsfähig gilt demnach, wer trotz einer Erkrankung oder Behinderung unter üblichen Bedingungen mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann. Ähnliches gilt für Betroffene, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht länger als sechs Monate krankgeschrieben sind.
Für Schwerbehinderte gibt es einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt, um nicht jahrelang im Bürgergeld-System verharren zu müssen. Über das Programm „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ gemäß § 16i SGB II können Unternehmen einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 100 Prozent erhalten. Auch Coaching und Weiterbildung werden für einen konkreten Zeitraum staatlich finanziert. Eine neue Studie zeigt, wie unterschiedlich die Differenz zwischen Arbeit und Bürgergeldeinkommen innerhalb Deutschlands ist. (diase)