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Die Menge der Arbeitslosen in Russland erreicht ein historisches Tief – dennoch beordern immer mehr Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer in eine „Auszeit.“

Moskau – Russlands Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief. Wegen Kriegsdienst, Abwanderung und fehlender Arbeitsmigranten fehlen dem Kreml Fachkräfte. Die sinkende Arbeitslosenzahl geht aber nicht mit einem Boom einher, sondern stellt das Land vor wirtschaftliche Herausforderungen. Gleichzeitig stellt eine „versteckte Arbeitslosigkeit“ ein Problem für die Bevölkerung dar. Nun steht der russische Präsident Wladimir Putin unter Druck.

Wirtschaft in Russland: Herausforderungen trotz niedriger Arbeitslosenquote

In Russland bleibt die Arbeitslosigkeit auf einem historischen Tief. Zwar nahm die Zahl der registrierten Arbeitslosen laut Kreml zu: von 274.000 im Januar auf 300.000 im August – trotzdem bleibt die offizielle Arbeitslosenquote mit 2,2 Prozent niedrig. Was nach Vollbeschäftigung klingt, erweist sich in Wahrheit als gravierendes Problem. Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow sprach von einer „anomal entwickelten“ Situation, berichtete der MDR. Die meisten Unternehmen klagen laut dem Moskauer Institut für Unternehmensentwicklung über Personalmangel.

Ursachen sind geburtenschwache Jahrgänge, Auswanderung und der Ukraine-Krieg. Hunderttausende Männer wurden mobilisiert oder schlossen Söldnerverträge, deren hohe Vergütung die Zivilwirtschaft verdrängt. Seit der Mobilmachung 2022 verließen laut Forbes bis zu eine Million Menschen das Land, Schätzungen des Demografen Alexej Rakscha gehen von 700.000 aus. Gleichzeitig kommen nach verschärften Gesetzen weniger Migranten aus Zentralasien.

Die Folge: steigende Löhne, sinkende Gewinne und ein Wegfall ziviler Branchen, während der militärisch-industrielle Komplex laut Industrieminister Denis Manturow mit Lohnsteigerungen von bis zu 60 Prozent Arbeitskräfte bindet. Niedrige Arbeitslosigkeit wird so zur Schwachstelle der russischen Wirtschaft. Dazu kommen EU-Sanktionen, die einen wirtschaftlichen Kollaps Russlands bedingen könnten.

Wladimir Putin Der russische Präsident Wladimir Putin steht wegen „versteckter Arbeitslosigkeit“ unter Druck. © picture alliance/dpa/POOL | Vyacheslav Prokofyev„Versteckte Arbeitslosigkeit“: Arbeitgeber schicken ihre Arbeitnehmer in eine „Auszeit“

Gleichzeitig wächst in Russland die Zahl der Beschäftigten, die offiziell weiter Lohn beziehen, aber nicht arbeiten – eine Form der „versteckten Arbeitslosigkeit.“ Putin räumte den Trend nun ein und forderte Gegenmaßnahmen.

„Die versteckte Arbeitslosigkeit wächst, was bedeutet, dass einige Arbeiter in der sogenannten Stillstandszeit sind, Teilzeit arbeiten oder von Entlassungen bedroht sind,“ sagte Putin bei einem Treffen zu wirtschaftlichen Fragen, berichtete Business Insider. Dabei handelt es sich um eine Periode, in denen Beschäftigte zwar weiter Gehalt erhalten, aber wegen Produktionsrückgängen oder ähnlicher Gründe nicht arbeiten.

Demnach stieg die Zahl der Betroffenen von 98.000 Anfang 2025 auf 153.000 Ende Juni und erreichte am 8. August bereits 199.000 – doppelt so viele wie zu Jahresbeginn. Putin warnte, die Regierung müsse auf diese „laufenden Trends“ reagieren, um eine „übermäßige Abkühlung der Wirtschaft“ zu verhindern.

„Ungünstigen Strukturwandel“: Weniger Investitionen im privaten Wirtschaftssektor

Mehrere russische Industriebetriebe reagieren auf schwache Nachfrage mit Arbeitszeitverkürzungen: Avtovaz erwägt wegen einbrechender Verkaufszahlen eine Vier-Tage-Woche, auch andere Firmen im Transport- und Industriesektor kürzen bereits. Behörden in der Region Swerdlowsk sprechen von Personalabbau und Teilzeitregelungen. Zugleich warnt ein regierungsnaher Think Tank vor einem „ungünstigen Strukturwandel“: Investitionen ziehen sich aus dem privaten Unternehmen zurück und fließen in staatlich geförderte Industrien – mit Wachstum dort, aber zunehmenden Problemen in der Privatwirtschaft. (hk)