In Deutschland gibt es erhebliche Unterschiede bei der Verfügbarkeit von Rechtsanwälten – je nachdem, wo man lebt. Eine aktuelle Analyse der Lernplattform Jurafuchs hat die Anwaltsdichte in den 200 größten deutschen Städten unter die Lupe genommen und dabei interessante Erkenntnisse gewonnen.
Mit 17,71 Anwälten pro 1.000 Einwohner ist Frankfurt am Main unangefochten die deutsche Juristenhochburg. Dies überrascht kaum, gilt die Mainmetropole doch als Zentrum der deutschen Finanzwelt mit zahlreichen Hauptsitzen großer Kanzleien. Auf den weiteren Plätzen folgen Düsseldorf (14,59 Anwälte pro 1.000 Einwohner), München (11,67) und Bad Homburg vor der Höhe (10,69).
Stuttgarter Nähe zu Tübingen
Auch Stuttgart zählt zu den Städten mit einer bemerkenswert hohen Anwaltsdichte, obwohl hier – im Gegensatz zu vielen anderen Juristenhochburgen – keine Möglichkeit besteht, Rechtswissenschaften zu studieren. Doch macht sich hier wohl die Nähe zu Tübingen bemerkbar, wobei Jurafuchs für die Universitätsstadt keine eigenen Daten ermittelt hat.
In den 20 deutschen Städten mit der höchsten Anwaltsdichte gibt es laut Jurafuchs nur in Bad Homburg v.d. Höhe, Stuttgart, Koblenz und Wiesbaden keine rechtswissenschaftliche Fakultät vor Ort.
Anwaltsdichte in Deutschland (Auswahl)
- Frankfurt am Main: 17,71 Anwälte pro 1.000 Einwohner
- Düsseldorf: 14,59 Anwälte pro 1.000 Einwohner
- München: 11,67 Anwälte pro 1.000 Einwohner
- Bad Homburg vor der Höhe: 10,69 Anwälte pro 1.000 Einwohner
- Köln: 8,22 Anwälte pro 1.000 Einwohner
- Bonn: 8,16 Anwälte pro 1.000 Einwohner
- Stuttgart: 7,89 Anwälte pro 1.000 Einwohner
Stadt-Land-Gefälle bei Anwälten
Die Analyse zeigt ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: Während in Großstädten und Ballungsräumen eine Vielzahl von Rechtsexperten zur Verfügung steht, müssen Menschen in kleineren Städten oft lange nach juristischem Beistand suchen.
In Salzgitter etwa, dem Schlusslicht der Untersuchung, kommen gerade einmal 0,75 Anwälte auf 1.000 Einwohner. Auch in Wilhelmshaven (0,86) sowie in den nordrhein-westfälischen Städten Ahlen (0,87), Stolberg (0,88) und Gladbeck (0,89) ist die Anwaltsdichte sehr gering.
Viele Bau- und Scheidungsanwälte in Stuttgart – aber kaum Pflichtverteidiger
Man merkt, dass in der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg fleißig geschafft und gebaut wird, aber auch Scheidungen scheinen nicht so selten zu sein: Die häufigsten Fachgebiete sind in Stuttgart laut Jurafuchs das Arbeitsrecht (315 Anwälte), das Bau- und Architektenrecht (123 Anwälte) sowie das Familienrecht (106 Anwälte).
So eine hohe Quote an promovierten Anwälten wie in Stuttgart mit 22,5 Prozent gibt es bundesweit übrigens nur noch in Düsseldorf (22,6 Prozent). 1090 Juristen mit Doktortitel sind hier bei der Anwaltskammer zugelassen. Stuttgart wird indes mit einer relativ niedrigen Quote an Pflichtverteidigern erwähnt: Nur etwa 1,9 Prozent der hiesigen Anwälte stellen sich als Pflichtverteidiger zur Verfügung – bundesweit der zweitniedrigste Wert.
Sindelfingen führt bei Frauenquote in der Anwaltschaft
Neben der regionalen Verteilung hat Jurafuchs auch die Geschlechterverteilung unter Anwälten untersucht. Das Ergebnis: Über 60 Prozent aller Anwälte in Deutschland sind männlich. Nur in wenigen Städten nähert sich die Verteilung einem ausgeglichenen Verhältnis an. Die höchste Frauenquote weist Sindelfingen mit 48 Prozent auf, gefolgt von Meerbusch (42,7 Prozent) und Darmstadt (42,4 Prozent).
In Städten wie Greifswald (21 Prozent), Bad Kreuznach (21,3 Prozent) und Wolfenbüttel (22,6 Prozent) sind Anwältinnen besonders selten vertreten. Im bundesweiten Durchschnitt liegt die Frauenquote bei 38,7 Prozent.
Am Landgericht Stuttgart wirken viele Fachanwälte aus allen Bereichen. Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich So heißt der typische deutsche Anwalt
Die Auswertung von Jurafuchs gibt auch Aufschluss darüber, wie der „typische“ deutsche Anwalt heißt: Männliche Vornamen dominieren das Ranking der häufigsten Namen. Michael führt mit 4.464 Nennungen, gefolgt von Christian (4.192), Thomas (3.943), Stefan/Stephan (3.525) und Andreas (3.125). Der erste weibliche Name, Maria, erscheint erst auf Rang 14 mit 1.926 Nennungen.
Auch was akademische Titel betrifft, liefert die Analyse Einblicke: Von den über 188.300 Anwälten in Deutschland tragen 29.790 einen Doktortitel (15,8 Prozent), während 1.082 (0,6 Prozent) sogar einen Professorentitel führen.
Mehr Digitalisierung für Anwälte?
Dr. Carl-Wendelin Neubert, Gründer von Jurafuchs, sieht in den Ergebnissen ein „demografisches und strukturelles Ungleichgewicht in der deutschen Anwaltschaft“. Besonders im ländlichen Raum mache sich der demografische Wandel bemerkbar: „Die Bevölkerung altert und damit auch die ohnehin wenigen Juristinnen und Juristen, die nach und nach in Rente gehen.“
Als Lösungsansatz schlägt er unter anderem eine Digitalisierung des Jurastudiums und der anschließenden Ausbildung vor, sowie eine flächendeckende digitale Rechtsberatung, die standortunabhängig funktioniert. Zudem betont er die Notwendigkeit, den Berufsstand vielfältiger zu gestalten: „Chancen- und Lerngerechtigkeit während des akademischen Berufsweges machen sich langfristig bezahlt.“