Der Komponist Richard Röbel hat ein Faible für Sprache und besonders für seinen Heimatdialekt. Das war jedoch nicht immer so. Als Jugendlicher sei ihm das Chemnitzer Sächsisch peinlich gewesen. Heute verbinde er mit dieser Art zu sprechen einen Wert: „Der Mundraum ist für mich der Klang einer Stadt.“ Und für das Westerzgebirge sei eine besondere Vokalfärbung prägend.

Der Mundraum ist für mich der Klang einer Stadt.

Richard Röbel, Komponist

Nuar„: Der besondere Klang der Kulturhauptstadt Chemnitz

Für sein Stück „Stadtmund(t)räume“ begann der 1988 noch in Karl-Marx-Stadt geborenen Komponist, seinen Heimatdialekt zu erforschen. So zerlegte er mittels Spektralanalyse die Chemnitzer Entsprechung „nuar“ für „nicht wahr“ in 60 Frequenzbestandteile. Außerdem analysierte er die Klangfarbe von Barbara Ludwigs Stimme, die Röbel als Kind fasziniert habe. Bis 2020 war sie Oberbürgermeisterin und maßgeblich dafür verantwortlich, dass Chemnitz Europäische Kulturhauptstadt 2025 ist.

Es handele sich sozusagen um eine liebevolle Vertiefung in die Klanglichkeit seiner Kindheit, sagt er. Wichtig waren ihm charakteristische Worte aus der Region und die Färbung des „a“ zu „uor“. Im Zentrum stehen außerdem die Töne „c“, „h“ und „e“ – die Anfangsbuchstaben von Chemnitz.

Für mich ein ganz entscheidender Punkt war, einzelne Worte, die charakteristisch sind für die Region und die Färbung des „a“ zu einem „uor“ in den Fokus zu stellen.

Richard Röbel, Komponist

Von Industriegeschichte, römischen Göttern und Eierschneidern

„Stadtmund(t)räume“ – so hat der Komponist Richard Röbel das seiner Heimatstadt gewidmete Stück genannt. Ein „t“ steht dabei zwar in Klammern, aber ebenso assoziativ wie im Traum reihen sich Episoden aus der Geschichte von Chemnitz klanglich aneinander. Der Vulkanausbruch vor 291 Millionen Jahren bildet den Auftakt, verweist damit aber gleichzeitig auf Vulcanus, den Gott des Feuers.

Dieser steht auch als Schutzheiliger für der Metallhandwerker, womit Richard Röbel die Industriegeschichte aufgreift. Entsprechend erklingt auch jede Menge Metall, angefangen bei Eierschneidern, die als surrealistische, erzgebirgische Zither fungieren, über Schreibmaschinen, Glocken aus alten Gasflaschen bis hin zur Orgel mit ihren Pfeifen.

Ensemble erforscht Dialekte und Mundarten in Sachsen

Den Anstoß für das Stück gab Olaf Katzer, künstlerischer Leiter von AuditivVokal, das schon einige Werke von Richard Röbel uraufgeführt hat. Das Dresdner Vokalensemble erforscht musikalisch in einem mehrjährigen Projekt die Dialekte und Mundarten Sachsens.

Es gäbe heutzutage eine Tendenz, alles zu homogenisieren und Sprachen, die mit Heimat verbunden werden, negativ zu betrachten. Dabei trügen Dialekte und Mundarten Schönheit und Individualität in sich. Auch den Sängerinnen und Sängern mache es unglaublich Spaß.

Im letzten Satz seines dreiteiligen Werkes hat Richard Röbel mit Bezügen zum Mystiker Valentin Weigel aus Zschopau noch eine, man möchte sagen, Botschaft an die Chemnitzerinnen und Chemnitzer formuliert. „Erkenne dich selbst“ tönt es da, angelehnt an den Titel von Weigels Hauptwerk. Im Kulturhauptstadtjahr ist das geradezu programmatisch.