Die Zahl der Asylanträge in Großbritannien ist zuletzt stark gestiegen. Tausende Asylsuchende sind mangels Alternativen in Hotels untergebracht. Der Unmut in den Gemeinden wächst.
Etwa 250 Protestierende haben sich am Abend in Cheshunt nördlich von London versammelt, um gegen die Asylpolitik der Regierung zu demonstrieren. Die Demonstrierenden schwenkten die britische und die englische Fahne, auf Bannern war zu lesen: „Schützt unsere Kinder“. Auch Gegendemonstranten versammelten sich.
Diejenigen, die hier auf die Straße gegangen sind, befürchten offenbar, dass weitere Migranten in einem Hotel im Ort untergebracht werden, in dem bereits Asylsuchende wohnen. Denn ein Gericht hatte in dieser Woche angeordnet, dass die Migranten im Nachbarort Epping aus einem Hotel woanders untergebracht werden müssen – möglicherweise also bei ihnen im Ort in Cheshunt, so die Vermutung. Belege dafür gibt es nicht. Auch in anderen Städten gingen Menschen auf die Straße, die Demonstrationen blieben weitgehend friedlich.
Protestwochenende erwartet
Großbritannien erlebt ein weiteres Wochenende mit zahlreichen Demonstrationen gegen die Asylpolitik der Regierung, für die Schließung der Hotels, in denen Migranten untergebracht sind. Viele auf den Straßen fordern Abschiebungen. Vor mindestens 26 Hotels im Vereinigten Königreich sind Proteste geplant.
Zur Verschärfung der Lage hat ein Vorfall in Epping vor einigen Wochen beigetragen, als ein Asylbewerber gegenüber einer Teenagerin sexuell übergriffig geworden sein soll. Die Behörden ermitteln noch.
In Großbritannien sind etwa 32.000 Asylsuchende in rund 200 Hotels untergebracht. Die konservative Regierung, die bis Juli 2024 im Amt war, hatte diese Politik eingeleitet und Verträge mit Hotelbetreibern ausgehandelt, weil andere Einrichtungen teurer waren und Unterbringungsplätze fehlten.
Das „Bell Hotel“ in Epping darf nach einem Gerichtsbeschluss nicht mehr zur Unterbringung von Asylsuchenden genutzt werden.
Abkommen mit Frankreich noch ohne Resultate
Premierminister Keir Starmer hat mit Amtsantritt versprochen, die Zahl der sogenannten illegalen Einwanderung zu reduzieren und vor allem die Überfahrten über den Ärmelkanal nach England zu unterbinden. Doch damit blieb er bislang erfolglos. Er versprach, Schleuserbanden aufzuspüren und hat ein Abkommen mit Frankreich geschlossen.
Die französische Regierung erklärte sich bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, die mit dem Schlauchboot nach England kommen. Im Gegenzug soll Großbritannien wiederum Asylsuchende aus Frankreich aufnehmen. So sollen Geflüchtete abgeschreckt werden, die Überfahrt anzutreten.
Doch bislang wurden eben noch keine Personen nach Frankreich zurückgebracht. Viele Britinnen und Briten haben den Eindruck, die Regierung bleibe in der Asylpolitik erfolglos.
Triumph für Rechtspopulisten
Die politische Lage spitzt sich für Premier Starmer nun zu, vor allem nach dem Gerichtsurteil zum Hotel in Epping bei London. Geklagt hatte die dortige Stadtverwaltung nach teils gewaltsamen Protesten. Viele Menschen vor Ort begrüßten den Schritt. Daraufhin kündigten Gemeinden, in denen die rechtspopulistische Partei Reform UK an der Macht ist, an, auch gegen die Unterkünfte im Ort zu klagen.
Die Parteichefin der Konservativen, Kemi Badenoch, empfahl konservativen Stadträten ebenfalls, rechtlich gegen die Unterbringung von Asylsuchenden in den Hotels vorzugehen. Für die Partei Reform UK ist die Situation ein Triumph. Parteichef Nigel Farage sprach von einer „Krise“ und forderte Massendeportationen.
Die Labour-Regierung wehrt sich nun gegen die Gerichtsentscheidung und will Einspruch einlegen. Ein Staatssekretär aus dem Innenministerium, Dan Jarvis, argumentierte, auch Labour wolle die Hotels schließen. Er warb dafür, dass für einen geregelten Ablauf Zeit nötig sei.
Deutlich wird, dass der Rückstau bei den Asylentscheidungen im Vereinigten Königreich groß ist. Im abgelaufenen Jahr bis Juni 2025 haben 111.000 Menschen Asyl beantragt – ein neuer Höchststand. 91.000 Personen warten auf eine Entscheidung.