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Die hohen US-Zölle treffen die Schweiz besonders hart. Das hat auch Folgen für die Beziehung zur EU. Das Land nähert sich zunehmend Brüssel an.
Die Schweizer entdecken ihre Zuneigung zur lange verpönten Europäischen Union: Seit diesem August häufen sich die Stimmen einflussreicher Eidgenossinnen und Eidgenossen, die offen die Verlässlichkeit der EU preisen und eine noch engere wirtschaftliche und politische Kooperation mit dem Block befürworten. Die Hinwendung in Richtung Brüssel geht auf das Konto des US-Präsidenten Donald Trump.
Große Freude beim Treffen der damaligen Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. © Alessandro della Valle/afpTrumps Mega-Zölle auf Schweizer Importe
Seine Regierung kündigte ausgerechnet am Schweizer Nationalfeiertag, dem 1. August, die Mega-Zölle auf Schweizer Importe an, die viele Unternehmen ins Mark treffen. Trump brummt ihnen mit 39 Prozent weltweit die fünfthöchsten Einfuhrzölle auf –nur Brasilien, Syrien, Laos und Myanmar werden noch schlimmer abgestraft. Angesichts des US-Hammers wirbt nun selbst die traditionell EU-skeptische Neue Zürcher Zeitung für eine enge Zusammenarbeit mit Brüssel: „Wer das nicht wenigstens in Betracht zieht, hat aus dem Debakel mit Trump nichts gelernt.“
Die pro-europäischen Kräfte im Nicht-EU-Mitgliedsland Schweiz fühlen sich nach dem Trump-Entscheid bestätigt. Die Sozialdemokraten (SP) bekräftigen ihre Parole, nach einem Zusammengehen mit Europa: Samuel Bendahan, Co-Präsident der SP-Bundeshausfraktion, sagt: „In einer Welt, in der die mächtigsten Akteure unberechenbar handeln, ist der Schulterschluss mit verlässlichen Partnern entscheidend.“
Von der Leyen spricht vom „Tag der großen Freude“
Wie nahe wird sich die Schweiz tatsächlich an die EU anlehnen? Letztlich werden das die Stimmbürger:innen entscheiden. Konkret geht es um die neuen Verträge, die die Regierung mit der EU 2024 ausgehandelt hatte. Damals, zum Abschluss, reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eigens nach Bern und rief einen „Tag der großen Freude“ aus. Die Partner vereinbarten die Auffrischung bereits bestehender wirtschaftlicher und rechtlicher Abkommen sowie neue Regeln etwa für Lebensmittelsicherheit, Strommärkte und Gesundheit. Zwar dürfte das Schweizer Volk über die Vereinbarungen erst in einigen Jahren abstimmen. Doch wirbt die Regierung schon jetzt für das langfristig angelegte Vertragswerk. Außenminister Ignazio Cassis verspricht noch mehr Wohlstand und betont: „Wir gehören zu Europa.“
Die Gespräche zwischen Bern und Brüssel, so versichern die ungleichen Partner, seien auf Augenhöhe gelaufen. Es sei ein Geben und Nehmen gewesen. Ganz im Gegensatz dazu führte Trump die Schweizer regelrecht vor. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin versuchten zunächst flehentlich, die USA von hohen Zöllen für die Schweizer Wirtschaft abzuhalten. Nach einem Telefongespräch zu Beginn der Zoll-Krise glaubte Keller-Sutter, die Finanzministerin, einen „Zugang“ zu Trump gefunden zu haben. „Er war sehr respektvoll“, berichtete sie. Trump habe davon gesprochen, es sei ihm eine „Ehre“, mit der Bundespräsidentin zu sprechen.
Gespräch mit Trump endet im Debakel
Doch ein weiteres Telefongespräch zwischen Keller-Sutter und Trump endete im Debakel. Trump höhnte später über die „Premierministerin“, gemeint war die Bundespräsidentin: „Die Frau war nett, aber sie wollte nicht zuhören.“ Und: „Ich kannte sie nicht.“ Kurz darauf ließ Trump den Zollhammer fallen. Seit dem 7. August belegt Washington rund 60 Prozent aller Schweizer Exporte in die USA mit Zusatzzöllen von 39 Prozent. Die Ausfuhren über den Atlantik sind nun „stark belastet“, klagte der Wirtschaftsverband Economiesuisse: „Rund 100 000 Beschäftigte sind direkt betroffen, vor allem in der Uhren-, Maschinen- und Nahrungsmittelindustrie.“
Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, hingegen sieht von jeglichen Gegenmaßnahmen ab. Vielmehr kündigte das siebenköpfige Kollegium am Tag des Inkrafttretens der Zölle an, „die Gespräche mit den USA fortzusetzen“. Auf Anfrage über mögliche Ergebnisse der Kontakte mit Washington, ließ der Bundesrat wissen, dass die Konsultationen andauern. Der Politikwissenschaftler Michael Hermann zieht aus dem Powerplay der Trump-Administration gegen die Schweiz folgenden Schluss: „Trump zeigt, wie robust und ausgeglichen unsere Beziehung zur EU ist“, betont Hermann. „Wer nach diesem Zollentscheid das neue EU-Abkommen als Kolonialvertrag bezeichnet, hat jegliche Verhältnismäßigkeit verloren.“
Damit zielt der Experte auf die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei ab. Seit Jahrzehnten beschimpfen SVP-Übervater Christoph Blocher und seine Gefolgsleute die EU als bürokratisches Monster und warnen vor der „Unterwerfung der Schweiz“. Politikwissenschaftler Hermann sieht keine Hoffnung, dass die Volkspartei ihre kompromisslose Ablehnung der EU ändert: „Die SVP kann nicht mehr umdenken. Gegen die EU zu sein, sitzt zu tief in ihrer DNA.“