Berliner Wohnungsmarkt
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Suche Drei-Zimmer-Wohnung, biete 1.000 Euro Finderlohn
Sa 23.08.25 | 12:14 Uhr | Von Oliver Noffke
Bild: rbb/Oliver Noffke
Ohne einen Finderlohn auszuloben, begeben sich viele Berliner nicht mehr auf Wohnungssuche. Andere verlangen wie selbstverständlich horrende Gebühren, wenn sie privat Nachmieter vermitteln. Unter Umständen ist das illegal. Von Oliver Noffke
„Wir suchen eine Wohnung hier im Kiez“, steht auf den Zetteln, die an Haltestellen an der Greifswalder Straße hängen. Für eine erfolgreiche Vermittlung werden 1.000 Euro Belohnung versprochen. Aufgegeben haben das Gesuch Anna Schmutte und ihr Partner. Beide wohnen im Winzviertel, dem südlichen Zipfel vom Prenzlauer Berg. Er in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Sie in einer nahegelegenen Einraumwohnung.
„Diese Wohnung ist zwar schön, gut geschnitten und zum Glück auch hell“, sagt Schmutte. „Aber sie ist natürlich zu klein. Wir haben einen sechsjährigen Sohn, der demnächst wirklich ein Kinderzimmer braucht.“ Die Familie will gern im Kiez bleiben. „Ich bin hier stark verwurzelt, wohne seit 15 Jahren im Viertel.“ Familienangehörige leben in der Nachbarschaft, die Eltern haben kurze Wege zur Arbeit, das Kind hat um die Ecke einen Schulplatz bekommen.
„Idealerweise soll die Miete nicht mehr als 1.600 Euro betragen. Aber vielleicht wird es auf 1.800 bis 2.000 Euro hinauslaufen“, sagt sie. „Wir würden mittlerweile auch die Einraumwohnung gegen eine mit zwei Zimmern tauschen und erst einmal weiter in zwei Wohnungen leben.“ Schmutte und ihre Familie hoffen, dass die Aussicht auf eine Belohnung irgendwann den richtigen Tipp bringt. „Beim Makler zahlt man ja auch Provisionen. Aber auch über Makler funktioniert das nicht.“
Die ersten drei Monate mietfrei – in Berlin noch nicht lange her
In Berlin eine Wohnung zu finden, die den eigenen Wünschen möglichst nahe kommt, ist heute so wenig wahrscheinlich wie seit Jahrzehnten nicht. Seit Beginn der Nullerjahre ist der Leerstand an vermietbaren Wohnungen kontinuierlich zurückgegangen. Mittlerweile ist die Auswahl auf ein statistisches Minimum geschrumpft. Das zeigen Zahlen des privaten Forschungsinstituts Empirica, das sich mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen beschäftigt.
Auf Basis einer Stichprobe aus Hunderttausenden Wohnungen im ganzen Bundesgebiet, Daten vom Statistischen Bundesamt und weiteren Informationen ermittelt Empirica seit 2002 einen Index. Dieser zeigt den sogenannten „marktaktiven Leerstand“ an. Damit sind leerstehende Wohnungen in Mehrfamilienhäusern gemeint, die unmittelbar vermietet oder mittelfristig bezogen werden können. Dauerhafter Leerstand oder Wohnungen, die erst aufwändig renoviert werden müssten, sind darin nicht enthalten.
Den höchsten Leerstand gab es demnach 2003 in Berlin. 5,1 Prozent der Wohnungen waren damals unvermietet. Der jüngste Wert, den Empirica rbb|24 bereitgestellt hat, zeigt die Situation im Jahr 2023: Die Leerstandsquote lag bei 0,3 Prozent. Das bedeutet eine deutlich schmalere Auswahl für Suchende, bei oftmals deutlich längerer Anlaufzeit bis zum Erfolg.
Welchen Unterschied diese rund fünf Prozentpunkte machen, verdeutlichen die Mietmarkt-Phänomene der jeweiligen Zeit. Im Sommer 2005 war es in Berlin noch üblich, dass große Wohnungsgesellschaften Mietverträge ausgegeben haben, bei denen für die ersten drei Monate keine Kaltmiete gezahlt werden musste. 20 Jahre später bieten Menschen Tausende Euro Finderlohn, um an eine passende Wohnung zu kommen.
Zwischen WBS und Luxus wird kaum etwas gebaut
Empirica berechnet diese Leerstandsquote für alle Wohnungen – unabhängig von Größe, Lage oder Zuschnitt. Dadurch ist ein übersichtlicher Vergleich mit anderen Bundesländern und Städten möglich. Unter den Ländern ist die Lage demnach nirgends so angespannt wie in Berlin. Verglichen mit anderen Städten liegt Berlin nicht ganz am Ende, aber dicht dran. Die wenigste Auswahl gab es zuletzt in München (Leerstandsquote von 0,1 Prozent) gefolgt von Frankfurt am Main und Münster (jeweils 0,2 Prozent). Ganz anders die Lage in Frankfurt an der Oder: 8,4 Prozent bedeuteten den zweithöchsten Leerstand im bundesweiten Städtevergleich.
Sebastian Bartels, Berliner Mieterverein
Was diese Leerstandsquote aller Wohnungen nicht zeigen kann, ist, dass einige Wohnungstypen unter Umständen deutlich seltener verfügbar sind als andere. Bezahlbare Wohnungen mit mehr als zwei Zimmern in beliebter Lage etwa existieren quasi nicht auf dem freien Markt in Berlin. „Eine große Wohnung zu finden mit drei, vier oder fünf Zimmern, ist sehr schwierig geworden“, sagt Sebastian Bartels, Geschäftsführer vom Berliner Mieterverein. „In der Nachkriegszeit wurden solche Wohnungen kaum gebaut. Heute ist dieser Markt extrem umkämpft.“
Anna Schmutte, die eine Drei-Zimmer-Wohnung im Winzviertel sucht, erlebt, wie ihre Familie bei den meisten Angeboten ohnehin direkt durchs Raster fällt. „Wir können nicht auf einen Wohnberechtigungsschein hoffen, dafür verdienen wir zu viel. Eine Luxuswohnung können wir uns aber nicht leisten.“ Das Segment zwischen Sozialwohnung und hochwertiger Ausstattung spricht zwar die meisten Menschen in Berlin an, gebaut wird davon jedoch seit Jahren am wenigsten.
Finderlohn ist nicht gleich Vermittlungsgebühr
Dass sie einen Tipp erhalte, ohne dass jemand direkt eine Vermittlungsgebühr anspricht, sei selten, sagt Schmutte. Manche Hilfsangebote seien allerdings schamlos gewesen. „Es gab einen Fall, bei dem jemand 5.000 Euro Vermittlungsgebühr wollte, um uns seinem Vermieter vorzuschlagen. Das war zu viel, da bin ich abgesprungen.“
Solch eine hohe Vermittlungsgebühr einzufordern ist unter Umständen illegal, sagt Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein. „Aktuell erleben wir, dass sich viele Menschen an der Wohnungsnot bereichern wollen. Aber so eine Provision in der Art einer Maklercourtage ist nicht ohne Weiteres einfach erlaubt.“
Laut dem Wohnungsvermittlungsgesetz müssen Absprachen über eine Vermittlungsgebühr schriftlich festgehalten werden. Daran müssen sich auch private Broker halten. Der Betrag darf die Höhe von zwei Monatsmieten nicht übersteigen. Außerdem heißt es in dem Gesetz: „Vorschüsse dürfen nicht gefordert, vereinbart oder angenommen werden.“ Für eine geförderte Wohnung darf grundsätzlich keine Vermittlungsgebühr eingefordert werden [gesetze-im-internet.de]. Bartels rät, ohne Quittung keine Zahlung zu leisten. „Wenn solche Gebühren gegen das Gesetz verstoßen, könnten auch Rückerstattungen eingefordert werden“, so Bartels.
Anna Schmutte und ihre Familie haben ihr Suchfeld bereits vergrößert. Für die richtige Wohnung würden sie ihren Heimatkiez auch schweren Herzens verlassen. „Natürlich wächst die Wahrscheinlichkeit etwas zu finden, wenn wir den Radius vergrößern. Aber bisher hatten wir damit auch kein Glück“, sagt sie. „Eine Drei-Zimmer-Wohnung ist eben das Schwierigste. Das suchen alle.“
Beitrag von Oliver Noffke