Die Berliner Mohrenstraße kann am Sonnabend doch in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) am Freitag im Eilverfahren entschieden. Damit war die Beschwerde des Bezirks Mitte gegen eine Entscheidung der Vorinstanz erfolgreich – nur wenige Stunden vor einem geplanten Festakt zur Umbenennung.
Symbolpolitik im besten Sinne Die M-Straße in Berlin wird umbenannt – und das ist auch gut so
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am Donnerstagabend überraschend dem Eilantrag eines Anwohners stattgegeben, der die Umbenennung praktisch in letzter Minute verhindern wollte (VG 1 L 682/25). Der jahrelange Streit um die Umbenennung entwickelte sich erneut zum juristischen Tauziehen.
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Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) wollte diese Entscheidung jedoch nicht hinnehmen, ihre Behörde legte Beschwerde dagegen ein. Mit Erfolg: Bei der Abwägung der Interessen sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass ein Erfolg der Klagen der Anwohner nach dem gegenwärtigen Stand in hohem Maße unwahrscheinlich sei, hieß es am Abend vom OVG.
Es sei nicht ersichtlich, dass sich in den Klageverfahren an der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Straßenumbenennung etwas ändern werde – zumal die gerichtliche Überprüfung einer Straßenumbenennung nach dem Berliner Landesrecht stark eingeschränkt sei, hieß es vom OVG. Die Entscheidung kann nicht mehr angefochten werden.
Damit kann an diesem Samstag der offizielle Festakt zur neuen Namensgebung der Straße in der Berliner Mitte wie geplant erfolgen. Sie trägt fortan den Namen Anton-Wilhelm-Amo-Straße.
Hilton-Hotel: „Starkes Signal für Vielfalt und Weltoffenheit
Die Umbenennung ist aus Sicht der Grünen ein Ergebnis „beharrlicher demokratischer Arbeit“. „Für viele Schwarze Menschen war dieser Straßenname eine tägliche Erinnerung an Ausgrenzung – jetzt setzen wir ein klares Signal für Respekt und Vielfalt“, erklärte Tuba Bozkurt, Sprecherin für Antidiskriminierungspolitik der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Der Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Tahir Della, zeigte sich erleichtert, dass die Umbenennung wie geplant erfolgen kann. Schwarze Menschen hätten immer deutlich gemacht, dass dieser Begriff bei ihnen rassistisch ankomme.
Würden solche Begriffe im öffentlichen Raum beibehalten, werde eine rassistische Perspektive reproduziert, sagte Della dem RBB-Inforadio. „Das heißt, wir brauchen tatsächlich eine Umkehr, einen Perspektivwechsel, der auch deutlich macht oder ermöglicht, dass wir uns auch wirklich mal diesen Perspektiven nähern, die Schwarze Menschen einnehmen.“
Kritik von Geschäftsleuten, es entstünden zum Beispiel Kosten wegen der Umbenennung, entgegnete Della: Die müssten in Kauf genommen werden, um einen antirassistischen öffentlichen Raum zu kreieren. Betroffen von der Umbenennung ist unter anderem das Hotel „Hilton“. Von dort hieß es: „Die Anpassung der Adresse in allen Bereichen nehmen wir im gesamten Team mit Freude vor.“ Die Umbenennung sei ein „starkes Signal für Vielfalt und Weltoffenheit“.
Streit um M-Straße dauert seit Jahren
Der seit Jahren andauernde Streit um die Umbenennung ist mit der Eilentscheidung des OVG allerdings nicht beendet. Noch immer sind Verfahren gegen die behördliche Anordnung offen. Allerdings hatte schon das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss deutlich gemacht, dass die Anwohnerklagen gegen die Umbenennung wenig Erfolg haben dürften.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hatten als Reaktion auf die aktuelle juristische Entwicklung die für Sonnabend vorgesehene Namensänderung des U-Bahnhofs zunächst gestoppt, wie eine Sprecherin mitteilte. Erste Straßenschilder mit Amos Namen hängen bereits. Am Freitag brachten Handwerker weitere an. Am Samstag – dem Internationalen Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und seine Abschaffung – sollen sie symbolisch enthüllt und die Straße damit offiziell umbenannt werden.
Am 4. Mai 2021 hatte das Bezirksamt Berlin-Mitte eine Allgemeinverfügung zur Umbenennung der Straße veröffentlicht, wogegen mehrere Klagen erhoben wurden. Ein Anwohner, dessen Klage bis kürzlich ruhend gestellt wurde, hat nach Bekanntwerden der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung einen Eilantrag gegen die Umbenennung gestellt. Dem Antrag hatte das Verwaltungsgericht zunächst stattgegeben, was das Oberverwaltungsgericht nun wieder kassierte.
Zudem gibt es weitere Klagen von Anwohnern. Sie argumentieren, die Namensgebung für die Mohrenstraße vor 300 Jahren sei nicht rassistisch, sondern wertschätzend gemeint. Viele historische Straßennamen hätten mehrere Seiten, aber sie seien Teil der Geschichte der Stadt und man müsse sie erklären.
Der Bezirk Mitte und mehrere Initiativen wollen die Mohrenstraße umbenennen, weil der Begriff „Mohr“ als rassistisch gilt. Der ausgewählte neue Name lautet Anton-Wilhelm-Amo-Straße, nach einem afrikanischstämmigen Gelehrten im 18. Jahrhundert.
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Der Bezirk Mitte und der Verein „Decolonize Berlin“ hatten noch vor der Entscheidung des OVG mitgeteilt, an der Eröffnung festhalten zu wollen. Das Fest zur geplanten Enthüllung des Schildes ist für Sonnabend um 14 Uhr geplant. Mehrere Reden zum Thema Antikolonialismus seien bereits angekündigt worden, heißt es von den Veranstaltern auf Tagesspiegel-Nachfrage. (mit dpa)