Berlin. Es gibt Niederlagen, die sind einfach nur ärgerlich – und es gibt Niederlagen wie diese. Der VfB Stuttgart startete an der Alten Försterei mit drei Stürmern, viel Spielfreude und jeder Menge guter Vorsätze in die neue Bundesliga-Saison. Am Ende aber standen die Schwaben bedröppelt da: mit schönen Ansätzen, mit dicken Chancen – und vor allem mit leeren Händen. Der 1. FC Union Berlin brauchte am Samstag (23.08.) beim 2:1 (2:0) zwei Schüsse aufs Tor für zwei Treffer, Stuttgart 21 Versuche für einen Anschluss. Es war ein Liga-Auftakt, der aus schwäbischer Sicht vor allem eines war: maximal nervig.
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So ist das Spiel des VfB Stuttgart bei Union Berlin gelaufen
Es war ein Nachmittag, der so vielversprechend begann und so ernüchternd endete. Sebastian Hoeneß hatte seine Mannschaft offensiv eingestellt, Ermedin Demirović überraschend in die Startelf beordert, dazu Deniz Undav und Nick Woltemade – drei Stürmer, die zum ersten Mal gemeinsam begannen. Im Tor kehrte Alexander Nübel nach überstandenen Ellbogenproblemen zurück, erstmals im Kader: Neuzugang Tiago Tomás. Alles deutete darauf hin, dass der VfB den Auftritt in Köpenick nicht klein, sondern groß anlegen wollte.
Und dann? Erst einmal Konfetti. Die Union-Fans hatten eine gewaltige Choreografie gezündet, Ordner und Laubbläser befreiten minutenlang den Strafraum. Die Bundesliga-Saison begann mit einem Papierschnipsel-Gewitter – und danach mit einem Stuttgarter Sturmlauf. Der VfB dominierte von Beginn an, das Offensivtrio bewegte sich flexibel, feste Positionen: Fehlanzeige. Nach zwölf Minuten köpfte Jeff Chabot fast das 1:0, nach butterweicher Mittelstädt-Flanke. Die Schwaben kombinierten, liefen gegenläufig, flankten aus dem Halbraum – nur das Tor fehlte.
Die Partie des 1. FC Union Berlin gegen den VfB musste kurz nach dem Anpfiff unterbrochen werden. Eine Choreographie der Union-Fans endete mit einem großen Konfettiregen. © Oliver Behrendt
Das erzielten dann die Berliner. In der 18. Minute nahm Ilyas Ansah Maß, 20 Meter, rechts oben in den Knick. Ein Tor, das die Liga-Statistiker mit vier Prozent Wahrscheinlichkeit vermerkten. Für Ansah war es der erste Schuss, die vierte Ballaktion in der Bundesliga. Für Stuttgart war es der erste Nackenschlag.
Die Stuttgarter Mannschaft blieb spielbestimmend, aber ineffizient. Vagnoman drosch aus Nahdistanz drüber, Leweling verzog, Karazor vergab freistehend gegen Union-Keeper Rönnow, der sich zum Berliner Fels im Torhütermeer aufschwang. Und dann, in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, passierte das, was passieren musste: Mittelstädt verlor den Ball, Union schaltete um, Ilic flankte, Ansah vollstreckte. Zwei Schüsse aufs Tor, zwei Treffer – Union kalt wie eine Hundeschnauze. Stuttgart dagegen: maximal schlampig im Umgang mit besten Chancen.
Keine Zeit zum Grübeln: Schon am Dienstag ist der VfB wieder gefordert
Die zweite Halbzeit begann mit neuer VfB-Hoffnung. Undav köpfte an die Latte, Mittelstädt prüfte Rönnow aus der Distanz, Karazor setzte einen Kopfball knapp vorbei. Der VfB hielt das Tempo hoch, 21 Abschlüsse insgesamt, sechs aufs Tor. Doch je länger das Spiel dauerte, desto mehr verrann die Zeit, desto hilfloser wirkten die Schwaben. Union verteidigte tief, konterte clever, nahm mit Fouls und Wechseln das Tempo heraus – die alte Försterei im Verwaltungsmodus.
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Immerhin: kurz vor Schluss durfte der VfB noch einmal jubeln. Neuzugang Tiago Tomás, zuvor eingewechselt, verkürzte in der 86. Minute auf 1:2. Mehr aber war nicht drin. Auch weil der vermeintliche Ausgleichstreffer von Nick Woltemade in der sechsten Minute der Nachspielzeit aufgrund einer Abseitsstellung zu Recht zurückgenommen wurde. So blieb ein Nachmittag, der für Stuttgart vor allem eines war: maximal nervig. Viel Aufwand, wenig Ertrag. Und die Erinnerung daran, dass in der Bundesliga nicht immer der Schönere gewinnt, sondern oft der Effizientere. Für den VfB bleibt kaum Zeit, nachzudenken. Schon am Dienstagabend (26.08.) wartet in Braunschweig die erste Pokalrunde. Titelverteidiger hin oder her: eine ähnlich fahrlässige Chancenverwertung darf sich die Mannschaft dort nicht leisten. Andernfalls findet die Mission Titelverteidigung ein frühes Ende.
1. FC Union Berlin – VfB Stuttgart 2:1 (2:0)
1. FC Union Berlin: Rönnow – Doekhi, Querfeld, Rothe – Trimmel (84. Juranovic), Khedira, Skov (67. Köhn) – Schäfer, Haberer (67. Kral) – Ilic, Ansah (75. Burke)
VfB Stuttgart: A. Nübel – Vagnoman (71. Führich), Jaquez, Chabot (82. Hendriks), Mittelstädt – Karazor (82. Jovanovic), Stiller – Undav, Leweling – Woltemade, Demirovic (65. Tiago Tomás)
Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen im Allgäu)
Zuschauer: 22.012 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Ansah (18.), 2:0 Ansah (45.+4), 2:1 Tiago Tomás (86.)
Gelbe Karten: Trimmel (1), Haberer (1), Khedira (1), Ilic (1) / Undav (1), Demirovic (1), Vagnoman (1), Leweling (1)