„LAUTER HEULEN! TRAURIG!“
Demokrat Newsom trollt Trump pausenlos – und erfolgreich
Von Roland Peters, New York
23.08.2025, 18:04 Uhr
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Wer bietet US-Präsident Trump die Stirn? Derzeit ist es vor allem der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom. Der Demokrat trollt Trump und die Republikaner mit Memes und Sprüchen. Newsoms Follower-Zahlen gehen durch die Decke. Und er mischt sich bereits in die kommenden Kongresswahlen ein.
Donald Trump hat in den vergangenen Monaten das Weiße Haus immer mehr umdekoriert. Inzwischen glänzt es golden, wo die Kameras auch hin schwenken, wie in der Kopie eines barocken Hofsitzes. Der US-Präsident hat die Macht an sich gerissen wie nie zuvor, seine Regierungsmitglieder stehen wie alle anderen in seinem Schatten. Die Republikaner im Kongress halten still, wenn der Staatschef es will. Aber was machen eigentlich die Demokraten? Schließlich möchten deren Wähler laut Umfragen, dass sie sich gegen die übergriffige Politik des Weißen Hauses wehren.
Doch ihre Vertreter erstarrten nach Trumps Amtsantritt wie vor der Schlange. Nur die progressive Opposition um Senator Bernie Sanders und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez machten vorübergehend medialen Wirbel und brachten die Menschen auf die Straße. Ausfüllen kann das Führungsvakuum in der Partei bislang niemand. Einer legt es darauf an: Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. Er bekämpft den Präsidenten online seit einigen Wochen mit dessen eigenen Waffen: Das Konto seines Pressebüros trollt Trump mit dessen typischen Social-Media-Duktus, abfälligen Spitznamen, Klammerbemerkungen, in Großbuchstaben. Pausenlos.
Newsom macht sich mit den überzogenen Nachrichten und KI-Bildern über Trump, Vizepräsident JD Vance und republikanische Mediengesichter lustig, über die „Make America Great Again“-Basis alias MAGA, deren Art und Weise der Kommunikation und Angriffe, das permanente Geprahle. „Newsom führt einen Meme-Krieg“, meldete der pro-republikanische Fernsehsender Fox News. Auf einem Bild etwa ist der Gouverneur zu sehen, dem die bekannten Trump-Anhänger – Musiker Kid Rock, der verstorbene Wrestler Hulk Hogan und der Moderator Tucker Carlson – die Hände auflegen.
„Verpiss Dich“
Als Trumps Wohn- und Stadtentwicklungsminister Scott Turner etwa stolz twittert, die Seite seines Ressorts sei nun nur noch in Englisch verfügbar (statt zusätzlich auch Spanisch, Französisch, Deutsch und Italienisch), antwortet Newsom auf Spanisch: „Vete a la chingada“ – verpiss Dich. Ein Trump-Bild mit blauer „Gavin 2028“ ist ebenfalls zu finden. An anderer Stelle spottet und prahlt Newsom in Großbuchstaben: „FOX UND MAGA LEIDEN UNTER DEM NEWSOM-STÖRUNGSSYNDROM!!! SIE SOLLTEN LAUTER HEULEN! TRAURIG!!!“ – in Anlehnung an die Behauptung von Trumps Anhängern, seine Gegner übertrieben mit ihrer panischen Ablehnung des Präsidenten. Das sind nur wenige Beispiele in einem permanenten Strom an Memes und flapsigem, bissigem oder beleidigendem Hin und Her, den eine Handvoll Mitarbeiter für den Gouverneur generiert.
Ist das jetzt generell der neue Politikstil in den USA, der die Menschen dort anspricht oder gar motiviert? Dazu gibt es keine Antworten, da es keine entsprechenden Umfragen gibt. Doch was die Reichweite angeht, zeigen die Zahlen deutlich: Die Taktik wirkt. Newsoms X-Konto hat seit Mitte Juni 450 Prozent an Followern hinzugewonnen, auch auf Tiktok und Instagram geht die Anzahl durch die Decke. Bei Google suchten 13-mal so viele Menschen nach dem Namen des Gouverneurs wie Anfang Juni, Tendenz steigend. Wer US-Präsident werden will, muss bekannt sein. Wer bekannt sein will, braucht Aufmerksamkeit.
Die haben die Demokraten bitter nötig. Unter registrierten Wählern verlieren sie seit fünf Jahren landesweit Boden auf die Republikaner. Ihre Beliebtheit war im Juli bei einer Umfrage des „Wall Street Journal“ auf dem niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten: 63 Prozent der Wähler hatten eine negative Meinung von der Partei, nur 33 Prozent eine positive. Währenddessen stellt Trump das Land gefühlt auf den Kopf. Bei einer Umfrage zur Präsidentschaftspräferenz von SoCal Strategies – sehr früh und mit einigermaßen wackliger Datenbasis von lediglich 700 Befragten – liegt Newsom mit dem Vizepräsidenten JD Vance, derzeit der wahrscheinlichste Kandidat der Republikaner 2028, gleichauf: 39 zu 37 Prozent. Unentschlossen äußerten sich 23 Prozent.
„Wir müssen uns verändern“
„Ich habe mich verändert“, sagte Newsom in einem Interview zu seiner neuen Kommunikationsstrategie: „Die Lage hat sich verändert, wir Demokraten müssen uns verändern.“ Eine kritische Frage wischte er beiseite: „Wenn Sie Probleme mit dem haben, was ich veröffentliche, sollten Sie sich verdammt noch mal Gedanken darüber machen, was er als Präsident veröffentlicht.“ Die Frage sei eher, „wie wir es zulassen konnten, dass seine Tweets und Truth Social-Beiträge im Laufe der letzten Jahre normalisiert wurden“.
Der Gouverneur macht auch Politik, die Washington beeinflussen wird. In der wochenlangen Auseinandersetzung um den vorgezogenen Neuzuschnitt von Wahlkreisen im Bundesstaat Texas hat der kalifornische Gouverneur die Führungsrolle gegen die Republikaner übernommen.
Die Konservativen winkten in dieser Woche neue Zuschnitte der Wahlkreise in Texas durch. Mit dem sogenannten Gerrymandering werden sie aller Voraussicht nach bei den Kongresswahlen 2026 fünf Sitze mehr im Repräsentantenhaus gewinnen. Üblicherweise werden die Linien alle zehn Jahre auf Basis neuer Zahlen des Zensus gezeichnet. Die Republikaner haben den Prozess vorgezogen, was es wahrscheinlicher macht, dass sie ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen können. Die Kongresskammer wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt, und die Partei des Präsidenten verliert so gut wie immer Sitze.
Newsom spricht Mitte August über sein „Gesetz zur Bekämpfung von Wahlmanipulationen“.
(Foto: dpa)
Newsom stieß am Donnerstag seinerseits einen Neuzuschnitt in Kalifornien an, um potenziell fünf zusätzliche Sitze für die Demokraten zu erreichen, die Ungleichgewicht also wieder auszugleichen. „Er weiß, er wird verlieren. Deshalb fragt er seine Schoßhunde im Land, Kongresssitze für ihn zu finden“, stichelte er bei X gegen Trump. In Kalifornien wird der neue Zuschnitt zur Volksabstimmung gestellt. Die Vorgehensweise des Gouverneurs nannte Ex-Präsident Barack Obama „verantwortungsvoll“, da Texas „parteiischen Anweisungen aus dem Weißen Haus“ folge, um ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus „trotz ihrer unpopulären Maßnahmen“ zu halten. Umfrage stützen diese Aussage – die Mehrheit der US-Amerikaner spricht sich gegen die vom Kongress umgesetzten Projekte Trumps aus.
Mehrheit möchte Trump aufhalten
Trump spürt nicht nur Unmut über seine Politik, sondern hat auch die Wünsche der Demokraten verändert, wie ihre Politiker damit umgehen sollten. Bei Trumps ersten Amtsantritt 2017 sagten noch 23 Prozent der Demokraten in einer Umfrage von CNN, sie wollten, dass ihre Politiker die Republikaner stoppen; 74 Prozent wünschten sich eine Zusammenarbeit mit der anderen Partei. Inzwischen möchten nur noch 42 Prozent mit den Konservativen kooperieren, 57 Prozent den politischen Rivalen schlicht aufhalten.
Newsom würde derzeit – wenig überraschend als Gouverneur des Bundesstaates – in Kalifornien die Vorwahl der Demokraten für die Präsidentschaftskandidatur 2028 gewinnen. In Texas liegt er fast gleichauf mit Pete Buttigieg vor Kamala Harris. Auf einem zweiten Platz hinter ihr liegt er auch landesweit, hat sich seit April um vier Plätze nach vorn geschoben. Bislang hat niemand öffentlich erklärt, in drei Jahren antreten zu wollen. Zunächst stehen die Kongresswahlen an. Dann endet auch Newsoms zweite und letzte Amtszeit als Gouverneur im bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA. Er hätte dann Zeit, sich auf einen anderen Job vorzubereiten.