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Der Nasa-Satellit „Orbiting Carbon Observatory-2“ (OCO) zieht seit 2014 seine Bahnen um die Erde. © Nasa/dpa
Die Trump-USA wollen zwei der wichtigsten Klimasatelliten abschalten. US-Forschergruppen versuchen, Wissen vor der Löschung retten.
Es ist eine bisher wenig beachtete, aber folgenreiche Entscheidung: Die US-Regierung unter Donald Trump will zwei der weltweit wichtigsten Satelliten zur Beobachtung der Erderwärmung abschalten. Die Missionen OCO-2 und OCO-3, die seit Jahren die Zunahme des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre vermessen, sollen nach den Plänen des Weißen Hauses beendet werden. Forschende warnen, es drohe damit ein „Blindflug“ im Kampf gegen die Klimakrise – und versuchen zugleich, gefährdetes Wissen über das Klima zu sichern, bevor es getilgt wird.
Die beiden Satelliten gelten als Kernstück der globalen Klimabeobachtung. OCO-2, gestartet 2014, liefert Daten zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre mit einer Genauigkeit, die kein anderes System erreicht. OCO-3, anno 2019 an der Internationalen Raumstation ISS installiert, ergänzt diese Messungen mit flexiblen Kartierungen, die etwa urbane Ballungsräume, die Vegetation oder Abholzungsgebiete im Detail erfassen.
Gemeinsam bilden sie die Grundlage für das Monitoring von Emissionen, das Verifizieren internationaler Klimazusagen und die Verbesserung von Klimamodellen. Die Betriebskosten der Satelliten sind dabei vergleichsweise gering – rund 15 Millionen Dollar (12,9 Milliarden Euro) pro Jahr.
OCO-Missionen
Die Nasa-Satelliten OCO-2 und OCO-3 gelten als Herzstücke der globalen Kohlendioxid-Beobachtung. OCO-2, gestartet 2014 in eine polare Umlaufbahn, misst die atmosphärische CO₂-Verteilung mit hoher Genauigkeit und liefert Hinweise auf die Photosyntheseaktivität von Pflanzen. OCO-3, seit 2019 an der Internationalen Raumstation ISS installiert, nutzt ein baugleiches Spektrometer, ergänzt um einen beweglichen Spiegel. Damit sind flexible Zielbeobachtungen möglich, etwa das „Snapshot Area Mapping“, das urbane Räume, Industriezentren oder Ökosysteme in hoher räumlicher Auflösung erfasst.
Die Daten beider Missionen sind weltweit frei zugänglich, werden zur Kalibrierung anderer Satelliten genutzt und bilden eine Grundlage für die Überprüfung internationaler Klimazusagen; auch Europas Copernicus-Programm zum Klimawandel greift darauf zu. jw
Doch im US-Haushalt für 2026 sind keine Mittel für die OCOs mehr vorgesehen. Nach Recherchen mehrerer US-Medien wurden Nasa-Mitarbeitende angewiesen, sogenannte Termination Plans zu erarbeiten. Für OCO-2 bedeutet das die Vorbereitung eines kontrollierten Absturzes des Satelliten über dem Pazifik. OCO-3 soll an der ISS schlicht abgeschaltet werden.
„Aus rein wirtschaftlicher Sicht macht es keinen Sinn, Nasa-Missionen zu beenden, die unglaublich wertvolle Daten liefern“, zitiert die Fachplattform „Eos“ David Crisp, einen ehemaligen Projektleiter der Mission. Doch auch in Europa wächst die Sorge: Die OCO-Daten werden seit Jahren für das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus genutzt. Fiele die Quelle weg, würde ein zentrales Element der globalen Klimaberichterstattung wegbrechen.
Schärfere Angriffe auf Klimaforschung
Hinter dem Schritt steht nicht die Notwendigkeit von Einsparungen, sondern offenkundig politische Absicht. Trump hat in seiner zweiten Amtszeit die Angriffe auf die Klimaforschung verschärft. Erst im Juli veröffentlichte das Washingtoner Energieministerium einen Bericht, der den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel infrage stellte.
Parallel dazu versucht die Regierung, das sogenannte Gefährdungfeststellung („endangerment finding“) der US-Umweltbehörde EPA – die juristische Grundlage für die Regulierung von CO2-Emissionen – rückgängig zu machen. Satelliten passen da nicht ins Bild, die jene Daten liefern, die die Notwendigkeit des Klimaschutzes untermauern. Der renommierte US-Klimaforscher Michael Mann sagte: „Das Prinzip scheint zu sein, dass, wenn wir mit Messen des Klimawandels aufhören, dieser dann aus dem amerikanischen Bewusstsein verschwindet.“
Die Folgen eines OCO-Abschaltens wären gravierend. Die Technologie der Satelliten hat das Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs revolutioniert. Erstmals konnte gezeigt werden, dass der Amazonas-Regenwald in der Trockenzeit seine CO2-Aufnahme drastisch reduziert, dass nordische Wälder im Frühjahr explosionsartig CO2 aufnehmen oder dass Agrarflächen in China während der Wachstumsperiode zu gewaltigen CO2-Speichern werden.
Ohne die Messungen der Satelliten wäre es viel schwieriger, regionale Emissionsquellen zuverlässig zu erfassen. Weder die Abholzung im Amazonas noch der CO2-Ausstoß von Metropolen wie Los Angeles oder Peking könnten dann so präzise wie bisher überwacht werden, erschwert würden zudem Prognosen von Ernteerträgen. Auch die Fähigkeit, Fortschritte oder Rückschritte bei Klimazusagen einzelner Staaten zu überprüfen, würde erheblich leiden. Gerade für Entwicklungsländer, die auf frei verfügbare Daten angewiesen sind, wäre der Verlust fatal. Sie nutzen die Informationen, um Strategien zur Klimaanpassung zu entwickeln und Klimafinanzierungen zu beantragen.
In den USA gibt es Versuche, die OCO-Satelliten unabhängig weiterzubetreiben. Laut US-Medienberichten bemühen sich Universitäten und private Stiftungen, Mittel bereitzustellen, um zumindest OCO-3 am Leben zu halten. Auch europäische Forschungskonsortien prüfen, ob sie einspringen können. Doch es ist fraglich, ob das klappt. Ohne eine Zugang zur internen Daten-Infrastruktur der Weltraumbehörde Nasa sind die Erfolgsaussichten dafür begrenzt.
Noch wehrt sich die Fachwelt gegen Trumps Tabula Rasa. In den USA formieren sich Forschergruppen, um das Klimawissen gegen politische Eingriffe zu verteidigen. Die nationalen Wissenschaftsakademien (National Academies of Sciences) haben ein Schnellverfahren gestartet, um die Gefahren von Treibhausgasen für Gesundheit und Umwelt noch einmal umfassend zu dokumentieren – rechtzeitig, bevor die Trump-gesteuerte EPA darüber entscheidet.
Klassische Methoden autoritärer Regimes
„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Politikgestaltung auf Bundesebene auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert“, sagte Akademien-Präsidentin Marcia McNutt. Parallel dazu archivieren Initiativen wie das „Public Environmental Data Project“ und die „Cornerstone Sustainability Data Initiative“ massenhaft Regierungsdaten, die in Gefahr sind, gelöscht zu werden. Denn Washington hat bereits einen Großteil der Websites und Datenbanken entfernt oder verändert, darunter die nationalen Klimaberichte (National Climate Assessment), die bisher öffentlich zugänglich waren.
Der Rechtswissenschaftler Peter Shane von der New York University wies laut dem britischen „Guardian“ darauf hin, dass die Sabotage unabhängiger Datenquellen und das Überschwemmen der Öffentlichkeit mit Desinformation klassische Methoden seien, um Kontrolle über den Diskurs zu erlangen. Dass eine Regierung nun ausgerechnet im Land der „Apollo“-Missionen zu dieser Strategie greift, alarmiert die Wissenschaftsgemeinschaft weltweit.
Das Vorgehen Washingtons wirft freilich auch geopolitische Fragen auf. China investiert massiv in eigene Klimasatelliten, etwa die TanSat-Mission zur CO2-Messung. Sollten die USA ihre Pionierrolle aufgeben, könnte Peking in die Lücke stoßen, mit allen Folgen für internationale Machtverhältnisse. Europa wiederum müsste kurzfristig vergleichbare Kapazitäten aufbauen, um erneut nicht abhängig zu werden. Doch solche Missionen kosten Zeit und Geld – Jahre, die die Welt im Kampf gegen die Erderhitzung nicht hat.
Der Streit um OCO-2 und OCO-3 ist ein Symbol für den Umgang einer Regierung mit wissenschaftlichen Fakten, die politisch unbequem sind. Werden die Satelliten zerstört, wäre das ein Rückschlag für die Weltgemeinschaft. Doch die Gegenbewegung zeigt, dass sich die Wissenschaft nicht kampflos verdrängen lässt. Forschende sichern Daten, vernetzen sich, suchen Geldquellen. Noch senden OCO-2 und OCO-3 ihre Daten. Noch ist Zeit, die Abwrackpläne zu stoppen. Doch die Uhr tickt.