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Im Zuge der Verhandlungen um Sicherheitsgarantien spielt der EU-Beitritt der Ukraine eine wichtige Rolle. Die Entsendung deutscher Einsatztruppen zur Friedenssicherung bleibt umstritten.
Nach dem Alaska-Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin steigen die Hoffnungen auf einen Friedensgipfel. Kremlchef Wladimir Putin hat nach Angaben des weißen Hauses einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zugestimmt. Ob es tatsächlich dazu kommen wird ist allerdings noch unklar. Die Stimmung im Land sei verhalten, sagt der Vorsitzendes des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag Thomas Röwekamp (CDU), der gerade von einer dreitägigen Reise nach Kiew kommt. Niemand rechne dort damit, dass es zu einem Friedensvertrag kommt. „Alle glauben, dass Putin nur auf Zeit spielt, um Trumps Sanktionen zu umgehen und militärische Fortschritte zu machen“, sagt der Verteidigungsexperte der Union. Putin hatte die Angriffe auf die Ukraine seit dem Alaska-Treffen mit Trump erhöht.
Sollte es doch dazu kommen ist die Frage, wie der Frieden in der Ukraine gesichert werden kann. In der Debatte um Sicherheitsgarantien gewinnt auch ein EU-Beitritt der Ukraine an Bedeutung. Putin hatte einen Nato-Beitritt der Ukraine als Bedingung für Friedensverhandlungen ausgeschlossen. Die Ukraine brauche aber „zu Artikel 5-ähnliche Sicherheitsgarantien“, hatte Selenskyj in Brüssel gesagt.
EU-Beitritt der Ukraine wichtiges Argument für innenpolitische Rechtfertigung von Gebietsabtretungen
Für Selenskyj wäre auch ein EU-Beitritt eine solche Sicherheitsgarantie. Nun hat US-Präsident Donald Trump den ungarischen Staatschef Viktor Orbán aufgefordert, sein Veto aufzugeben. „Die Zeit ist reif für einen zügigen EU-Beitritt der Ukraine“, sagt auch Röwekamp. „Für die Ukrainer ist das eine wichtige Voraussetzung für die Stimmung im eigenen Land um ein mögliches Einfrieren der Frontlinie und damit ein Verzicht auf Hoheitsgebiet überhaupt rechtfertigen zu können.“ Das bestätigt auch der Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, András Rácz. „Das wichtigste Ziel ukrainischer Außenpolitik ist neben dem Gewinnen des Krieges die EU-Integration. Das konstante Veto der Ungarn blamiert die Regierung auch innenpolitisch“, sagt Rácz.
Ein EU-Beitritt der Ukraine würde die militärische Unterstützung der EU-Staaten nach sich ziehen. Denn auch im EU-Vertrag ist eine Beistandsklausel ähnlich dem Art. 5 im Nato-Vertrag enthalten (Art. 42 VII EUV). Bislang einmalig berief sich Frankreichs Präsident Macron darauf nach den Terroranschlägen in Paris 2015.
Sicherheitsexperte: „Es gibt keine Überholspur für einen EU-Beitritt der Ukraine“
Dennoch wäre ein EU-Beitritt der Ukraine nicht über Nacht abgeschlossen. „Es gibt keine Überholspur für einen EU-Beitritt der Ukraine“, sagt Rácz. Die Kommission hat grundsätzlich grünes Licht gegeben, dass sie Beitrittsgespräche führen will, der Europäische Rat muss aber noch offiziell zustimmen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass auch der Beitrittsprozess von Staaten, die deutlich kleiner sind als die Ukraine mehr als zehn Jahre gedauert hat“, betont er. Auch die EU selbst sei nicht zu einer sofortigen Aufnahme der Ukraine bereit. „Das würde ihr ganzes Beitragssystem durcheinanderbringen, weil alles Geld in die Ukraine fließen müsste.“
Sicherheitsexperte: „Nur eine Stärkung des ukrainischen Militärs kann Russland abwehren“
In der Debatte um mögliche Sicherheitsgarantien gibt es aus Augen des Sicherheitsexperten Rácz fünf Szenarien, wie die Ukraine sich gegen künftige russische Angriffe schützen könnte. „Erstens, ein Nato-Beitritt der Ukraine. Dafür fehlt der Konsens in der Nato. Zweitens eine Ausstattung der Ukraine mit Nuklearwaffen – dafür fehlt der politische Wille auch im Westen. Drittens, ein bilaterales Abkommen mit einer Verteidigungsgarantie, wie die USA es mit Japan hat – das wird nicht passieren.“
Es blieben so nur zwei Wege übrig, westliche Truppen in der Ukraine zu stationieren oder das ukrainische Militär selbst zu ertüchtigen. „Angesichts der Größe des Landes und des Konflikts mit Russland würde eine effektive Abschreckung ein Kontingent von 200 000 bis 250 000 Soldaten erfordern. So viel Kapazitäten haben alle europäischen Länder zusammengenommen nicht. Es bleibt daher nur der fünfte Weg, die ukrainische Armee selbst mit konventionellen Waffen zu stärken. Das ist das einzig realistische Szenario“, betont Rácz.
Union zu Ukraine: schließt deutsche Bodentruppen nicht aus
Währenddessen entbrennt in Deutschland bereits die Diskussion um die mögliche Entsendung von Bodentruppen. Der Unions-Verteidigungsexperte Röwekamp hatte deutsche Truppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen, ähnlich hatte sich die Junge Union geäußert. Diese Aussage relativierte der Unionspolitiker auf Nachfrage von Ippen.Media. „Wir schließen nichts aus. Wir können nicht sagen, dass es keine deutschen Truppen auf ukrainischem Boden geben wird. Es ist aber noch zu früh, davon zu reden, denn erst mal muss es einen Friedensschluss geben. Aktuell wissen wir noch gar nicht, ob es überhaupt zu einem Treffen Putin-Selenskyj kommt“, betonte Röwekamp und erteilte Überlegungen eine Absage, schon jetzt Aussagen über die Größenordnung der Beihilfe einzelner Staaten zu treffen.
„Es ist der große Wunsch der Ukrainer auch nach einem möglichen Schweigen der Waffen, die eigene Ertüchtigung sicherzustellen, also das eigene Militär zu stärken, im Training und der Luftverteidigung. Hier geht es erst einmal darum zu identifizieren, welche militärischen Fähigkeiten für eine Sicherheitsgarantie benötigt werden und erst im nächsten Schritt geht es darum, wer kann sie leisten“, so Röwekamp weiter.
Europäische Kampftruppen in der Ukraine hält der Sicherheitsexperte Rácz für unwahrscheinlich. „Es kann Bodentruppen geben. Aber keine Kampftruppen. Das Kämpfen müssen die Ukrainer übernehmen“, sagt der Russland-Experte der Denkfabrik für Außenpolitik.