Wie ein Mantra wiederholen gerade Stadträte der CDU-Fraktion ihre Vorwürfe vom „zähfließenden Verkehr“ in Leipzig, den „willkürlichen“ Geschwindigkeitsbegrenzungen im Stadtgebiet und die Forderung nach mehr Tempo 50 in der Stadt, weil sie glauben, dadurch würde der Verkehr wieder flüssiger. Doch da gehen sie von falschen Vorstellungen aus und ignorieren vor allem ein Thema wie die Verkehrssicherheit. Und damit die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Das Mobilitäts- und Tiefbauamt wird da sehr deutlich.
„Der OBM ergreift alle Maßnahmen, um den reibungslosen und leichtgängigen Verkehr im System der Hauptverkehrsstraßen gemäß STEP Verkehr und öffentlicher Raum durch weitgehende Beibehaltung der Höchstgeschwindigkeit 50 km/h (Verkehrsschild VZ 274-50) zu sichern“, hat die CDU-Fraktion beantragt.
Ein Antrag, mit dem sie – einmal mehr – die Kompetenzen des Stadtrates überschreitet. Denn zur Ausweisung von Richtgeschwindigkeiten in der Stadt ist ganz allein die Straßenverkehrsbehörde zuständig. Die eben auch mehr Aspekte berücksichtigen muss als die „Leichtgängigkeit“ von Verkehr. Und auch wenn die CDU-Fraktion ausgerechnet den ÖPNV anspricht, der durch Tempo 30 ausgebremst würde, spricht der Antrag im Grunde nur für die Leichtgängigkeit des motorisierten Verkehrs.
Er benennt zwar die Verkehrssicherheit an „sensiblen Stellen“. Aber das sind in der Regel genau die Stellen, an denen die Straßenverkehrsbehörde Tempo 30 verhängt hat – vor Schulen, Krankenhäusern, Seniorenheimen.
Allein die Straßenverkehrsbehörde ist zuständig
Aber irgendwie will die CDU-Fraktion unbedingt Straßenverkehrsbehörde spielen. Ob bei den Radwegen auf dem Promenadenring, in der Prager Straße oder eben bei Tempo 50.
Was dann erst einmal die deutliche Aufklärung durch das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) in dessen Stellungnahme zum CDU-Antrag mit sich bringt: „Nach Straßenverkehrsordnung gilt innerhalb geschlossener Ortschaften automatisch eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Dies bedarf entsprechend auch keines kommunalen Beschlusses.
Zulässige Abweichungen nach unten wie nach oben sind ebenfalls durch die StVO normiert und bedürfen verkehrsrechtlicher Anordnungen (VrAO), die durch die Straßenverkehrsbehörde nach Prüfung und Abwägung aller Belange zu erlassen sind und die nicht der Beschlussfassung oder des Beschlussvorbehalts des Stadtrates unterliegen.“
Tatsächlich gab es bei den Temporegelungen eine Zeitenwende, wie das MTA der CDU-Fraktion geduldig erklärt: „Durch die Novellierung der Straßenverkehrsordnung erfolgte zum einen ein Wandel der Entscheidungskriterien. Die Sicherheit geht nun der Flüssigkeit des Verkehrs vor. Zum anderen wäre das Festhalten an der angehobenen Geschwindigkeit in Hinblick auf die gewollte Geschwindigkeitsreduzierung in Städten, der ‚Vision Zero‘ sowie unter den Gesichtspunkten der stetigen Lärm- und Abgasreduzierung sowie des Klimaschutzes nicht mehr verhältnismäßig.“
Auch so kann man das formulieren: Leipzigs CDU-Fraktion steckt mit ihren Verkehrsvorstellungen im vergangenen Jahrhundert fest. Und ignoriert vor allem die Sicherheitsinteressen der schwächeren Verkehrsteilnehmer. „Vision Zero“ heißt eben: eine Stadt, in der es keine Verkehrstoten mehr gibt.
„Tempo 30 macht die Straßen wesentlich sicherer, insbesondere für die besonders gefährdeten Gruppen wie Fußgänger, Radfahrer, Kinder und Senioren. Im Umfeld von Schulen und Kindertagesstätten trägt Tempo 30 maßgeblich zur Unfallprävention bei und erhöht die Sicherheit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer“, erklärt das MTA. „Eine geringere Geschwindigkeit führt zu weniger Lärm und geringeren Emissionen. Das verbessert die Lebensqualität in den Anwohnergebieten erheblich und trägt zum Schutz unserer Umwelt bei.
Eine niedrigere Geschwindigkeit macht den Rad- und Fußverkehr attraktiver und sicherer, was den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel erleichtert und den motorisierten Individualverkehr entlastet.“
Bei Tempo 30 rollt es besser
Und dann erläutert das MTA etwas, was motorisierten Verkehrsteilnehmern irgendwie schwerfällt zu akzeptieren: „Obwohl es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, kann eine angepasste Geschwindigkeit auch den Verkehrsfluss insgesamt verbessern, Staus verringern und den Verkehrsraum effizienter nutzen. Dies bietet auch Vorteile für den ÖPNV.
Durch eine bessere Verkehrsführung können Verzögerungen reduziert werden, was die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bus- und Straßenbahnlinien verbessert. Die Modellierung zeigt, dass durch gezielte Maßnahmen, wie z.B. Anpassungen im Fahrplan oder die Optimierung der Linienführung, eventuelle Verzögerungen ausgeglichen werden können. So bleibt die Attraktivität des ÖPNV erhalten oder kann sogar gesteigert werden.“
Das Bild vom ausgebremsten ÖPNV, das die CDU-Fraktion gemalt hat, ist also auch falsch.
Mutmaßungen über das Zebrastreifenprogramm
Und dann hatte die CDU-Fraktion auch noch behauptet: „Dass das längst angekündigte Zebrastreifenprogramm dem Stadtrat noch immer nicht vorliegt, wird als destruktives Zeichen wahrgenommen. Der Stadtrat erwartet die Vorlage dieses Programms als wichtigen Teil der Mobilitätsstrategie 2030 unverzüglich.“
Eine Behauptung, auf die das MTA ziemlich verärgert reagierte: „Auch das Queren von Hauptverkehrsstraßen ist bei geringerer zugelassener Geschwindigkeit sicherer und dadurch kann dem Ziel der ‚Vision Zero‘ deutlich nähergekommen werden. Darüber hinaus läuft derzeit bereits die Umsetzung des Zebrastreifenprogramms. Die Erstellung des Zebrastreifenprogrammes wurde mit der Fußverkehrsstrategie beschlossen.
Der Darstellung, dass dieses Programm durch die Verwaltung nicht vorgelegt wurde, muss widersprochen werden.
Im Zuge der Fortschreibung des Rahmenplanes zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie 2030 wurde das Zebrastreifenprogramm eingeordnet (Mobi2030_II-10_F_1 – Maßnahmen des Zebrastreifenprogramms). Aus diesem wurden auch bereits einige Querungen umgesetzt wie bspw. in der Möckernschen Straße, der Lilienstraße oder der Windorfer Straße. Derzeit in Bearbeitung sind unter anderem Querungen über die Gypsbergstraße (Mittelinsel an der Einmündung zur Essener Straße) oder an der Querstraße.“
Verständlich, dass das MTA den CDU-Antrag wegen Rechtswidrigkeit ablehnt. Noch steht er für mehrere Ausschüsse auf der Tagesordnung und kann dann auch in der Ratsversammlung landen. Aber wie gesagt: Der Stadtrat würde mit einem Votum für diesen Antrag seine Kompetenzen deutlich überschreiten.