In Sachsen

Dieses Schwimmbad will die Demokratie retten

Aktualisiert am 24.08.2025 – 07:52 UhrLesedauer: 5 Min.

Andreas Hain, ehrenamtlicher Kassierer im Mewa-Bad in Ostritz: Die Arbeit im "Ort für Alle" erfüllt den Rentner mit Stolz.Vergrößern des Bildes

Andreas Hain, ehrenamtlicher Kassierer im Mewa-Bad in Ostritz: Die Arbeit am „Ort für alle“ erfüllt den Rentner mit Stolz. (Quelle: Tobias Schibilla)

Kann ein Schwimmbad dabei helfen, die Demokratie zu retten? Die Betreiber des Mewa-Bads im sächsischen Ostritz sagen ja – und verhelfen dem Freibad zu neuer Bedeutung.

Andreas Hain sitzt in seinem Kassenhäuschen und verkauft die Eisbecher schneller, als er „Apfelmus-Vanille“ sagen kann. Kein Wunder: An diesem Mittwoch zeigt das Thermometer im sächsischen Ostritz knapp 36 Grad Celsius an, Kinder lechzen nach Abkühlung. „Apfelmus-Vanille“ ist eine der beliebtesten Eissorten, die im Mewa-Freibad verkauft werden. Das Eis wird im Café am Marktplatz der kleinen Stadt an der deutsch-polnischen Grenze hergestellt, eine große Portion in einer Plastikschale kostet faire 2,50 Euro.

Während Andreas Hain Eintrittskarten und Eis verkauft, laufen neben dem Schwimmbecken schon die Vorbereitungen für den nächsten Tag. Dann kommt der MDR-Rundfunkchor nach Ostritz und gibt ein Konzert im Freibad. „Die Mewa“, wie die Ostritzer ihr Freibad liebevoll nennen, ist nicht einfach nur ein Schwimmbad, sondern ein wichtiger Gemeinschaftsort.

Der Name geht zurück auf die „Mechanische Weberei Altstadt GmbH“ (MeWA), die 1908 in Ostritz gegründet wurde. In den späten 1930er-Jahren entstand das Mewa-Bad, das zunächst dem Unternehmen gehörte. Erst später übernahm es die Stadt Ostritz, seit neun Jahren kümmert sich die Initiative Mewa-Bad unter Trägerschaft des Vereinshaus Ostritz e. V. ehrenamtlich um das kleine Freibad an der Neiße.

Neben dem Schwimmbetrieb ist „die Mewa“ auch ein Lernort, Treffpunkt, eine Bühne und ein Gesprächszimmer. „Hier kommen alle zusammen“, sagt Cäcilia Schreiber, Sprecherin des Vereinshaus Ostritz e. V. Das sei wichtig in einem Umfeld, in dem knapp die Hälfte der Bevölkerung die AfD wählt.

Schreiber sagt, die Mewa sei bewusst politisch neutral, aber wertegebunden. So sei eine wichtige Regel im Bad, dass zunächst alle Menschen willkommen sind. „Wir haben hier Werte, und solange die nicht verletzt werden, gehen wir in einen Dialog“, sagt Schreiber. Das funktioniere in der Mewa hervorragend, größere politische Meinungsverschiedenheiten habe es noch nicht gegeben: „Am Biertisch im Freibad lassen sich kritische Themen eben ganz anders besprechen als auf einer dezidiert politischen Veranstaltung“, so die Sprecherin.

Dialog sei in der Region besonders wichtig. Bei der vergangenen Bundestagswahl holte die AfD in Ostritz 41,8 Prozent der Erst- und 41,2 Prozent der Zweitstimmen. Außerdem fand hier mit dem „Schild und Schwert“-Festival eine der größten Veranstaltungen der rechtsextremen Szene in Deutschland statt. Im Wahlkreis Görlitz, dessen Teil Ostritz ist, hat die AfD mit 46,7 Prozent die meisten Zweitstimmen in ganz Deutschland geholt.

Um den gesellschaftlichen Dialog zu stärken, wollte man hier nicht nur einen Schwimmbetrieb, sondern auch Begegnungsformate anbieten. Mehrmals im Monat gibt es zusätzliche Veranstaltungen, etwa die Filmreihe Kino am Beckenrand oder die Lange Nacht der Geschichten. Das Kino verbindet bewusst Unterhaltung mit Bildungsangeboten: Vor den Film „Woodwalkers“ spricht ein Umweltpädagoge, beim Film „Die Küchenbrigade“ berichtet eine Bautzener Initiatorin von ihrer Arbeit mit Geflüchteten.