Angeblich hat er sich mit Händen und Füßen gewehrt. „Ich wollte es nicht machen“, behauptet er. Doch seine Mitarbeiter hätten ihn bedrängt: „Sir, Sie bekommen viel höhere Einschaltquoten!“ Seine Stabschefin flehte: „Bitte!“ Am Ende hat sich der 79-Jährige dann breitschlagen lassen: „Okay, ich mach’s!“

So jedenfalls schildert Donald Trump den Ablauf. Also wählt der Präsident der USA in diesem Jahr nicht nur erstmals die Preisträger der Kennedy Center Honors aus. Der einstige Reality-TV-Star wird auch die Verleihung der traditionsreichen Kultur-Auszeichnung im Rahmen einer Galaveranstaltung, die einst von dem Komponisten Leonard Bernstein und dem legendären Nachrichten-Anchorman Walter Cronkite geleitet wurde, persönlich moderieren.

Trumps Regierung hat die Smithsonian Institution aufgefordert, der Regierung Konzeptentwürfe, Ausstellungspläne sowie Kataloge und Programme aller laufenden Schauen vorzulegen, um diese auf unliebsame Darstellungen der US-Geschichte zu überprüfen. Foto: AFP

Die Verwandlung des 50 Jahre alten Top-Events der Washingtoner Gesellschaft in eine Trump-Show ist Teil eines besonderen Kulturkampfes, den das „Wall Street Journal“ in Anlehnung an den englischen Staatsstreich-Begriff einen „Coup de théâtre“ nannte: Mit rücksichtsloser Härte hat Trump das Kennedy-Center, die einst angesehenste Kulturinstitution der amerikanischen Hauptstadt, ihrer Unabhängigkeit beraubt und quasi zu seinem Privat-Theater gemacht. Dass republikanische Abgeordnete inzwischen die Umbenennung in „Trump Center“ fordern, klingt nur folgerichtig.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Das gewaltige Kulturzentrum am Potomac-Fluss mit einem Theater, einer Opernhalle und einem Konzertsaal steht wie die renommierten Smithsonian Museen entlang der National Mall im Zentrum einer Säuberungswelle, die alles, was nicht in das rechte Weltbild des Präsidenten passt, beseitigen soll. Trump hat die Demokraten aus dem Verwaltungsrat des Kulturzentrums geworfen und sämtliche Drag-Shows und Veranstaltungen mit LGBTIQ-Bezug vom Programm gestrichen.

Als Aufseher der Institution setzte er Richard Grenell ein, der in seiner Zeit als Botschafter in Deutschland eher durch markige Ansagen als durch künstlerischen Feinsinn auffiel. Der engagierte „christliche“ Künstler organisierte eine Vorführung des Jesus-Films „The King of the Kings“ mit kostenlosem Popcorn.

Nun stand kürzlich Trump im Foyer des Kennedy-Centers, wo Besucher neuerdings von vier Porträtfotos des Präsidenten und des Vizepräsidenten samt Ehefrauen begrüßt werden, und lobte vor laufenden Kameras sich selbst. Im Gazastreifen tobt ein gnadenloser Krieg, der schicksalhafte Ukraine-Gipfel mit Kreml-Herrscher Wladimir Putin in Alaska war gerade erst zu Ende gegangen. Doch der amerikanische Präsident nahm sich geschlagene zweieinhalb Stunden Zeit, um das Gebäude zu inspizieren, das er umbauen – und möglicherweise um eine Marina mit Bootsanlege-Stegen für betuchte Besucher – erweitern will.

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„In den wenigen Monaten, seit ich Vorsitzender des Verwaltungsrats des Kennedy Center geworden bin, haben wir den kompletten Niedergang dieser geschätzten Institution aufgehalten“, behauptete er. Tatsächlich boykottieren inzwischen viele liberale Bürger den marmornen Trump-Tempel.

In seiner ersten Amtszeit war Trump den jährlichen Kennedy Center Honors noch ferngeblieben. Nun brüstet er sich, die Auswahl der Preisträger persönlich vorgenommen zu haben. Mehrere Vorschläge habe er aussortiert: „Sie waren zu woke“.

Möchtegern-Autokrat lässt sich feiern

In den vergangenen Jahren waren die Folk-Legende Joan Baez, der Schauspieler George Clooney und die Opernsängerin Renee Fleming ausgezeichnet worden. Die diesjährigen Preisträger – der Sänger Michael Crawford, der in den 1980er- und 1990er-Jahren die Titelrolle des Musicals „Phantom der Oper“ gesungen hatte, die Rockband Kiss, die 2014 ihr Abschiedskonzert gab, die 81-jährige Ex-Disco-Queen Gloria Gaynor und der „Rocky“-Actiondarsteller Sylvester Stallone – spiegeln den simplen Retro-Geschmack des Allein-Jurors. Einen Vertreter der klassischen Musik sucht man vergeblich.

Vielleicht werde ich im nächsten Jahr Donald Trump auszeichnen.

Donald Trump

US-Präsident

Zu „woke“ sind Trump derweil auch viele Ausstellungen in den weltberühmten Smithsonian-Museen. Schon im März hatte der Präsident in einem Dekret zur „Wiederherstellung der Wahrheit und Reinheit der amerikanischen Geschichte“ die Entfernung aller „spaltenden oder parteiischen Narrative“ verlangt, die Diskriminierungen aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung thematisieren.

Kurz darauf feuerte der Präsident die langjährige Leiterin der National Portrait Gallery, Kim Sajet, und trieb den schwarzen Leiter des African American Museum, Kevin Young, zum Rücktritt. Das National History Museum entfernte vorsichtshalber eine Schautafel, die die Amtsenthebungsverfahren gegen Trump thematisierte.

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Während sich der Möchtegernautokrat im Kennedy-Center feiern ließ, kündigte seine Regierung offiziell die Überprüfung aller Smithsonian-Museen auf unliebsame Darstellungen an. Konzepte und Kataloge für geplante Ausstellungen müssen nun dem Weißen Haus vorab vorgelegt werden.

Unabhängige Beobachter warnen vor einer kulturellen Gleichschaltung. Vor diesem Hintergrund klingt Trumps Ausblick auf die Kennedy Center Awards 2026 gar nicht lustig: „Vielleicht werde ich im nächsten Jahr Donald Trump auszeichnen.“