Tschüss und gute Reise heißt es derzeit im Berliner Zoo. Denn das beliebte Zwergflusspferd Toni verlässt die Hauptstadt und zieht ins elsässische Mulhouse nach Frankreich. Der kleine Internetstar hat im vergangenen Jahr tausende Menschen verzaubert – nicht nur online.

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Zum Abschied hat sich der Zoo etwas Besonderes für die letzte Woche überlegt: Bei einer täglichen „Toni-Time“ können Besucher:innen das Zwergflusspferdmädchen beobachten, wie sie mit einem Wasserstrahl geduscht wird und dabei ein paar Erdnüsse zu futtern bekommt. Die mag sie wohl besonders gerne.

Der Tagesspiegel hat Toni bereits am Dienstag einen Abschiedsbesuch abgestattet. „Schon schade, dass sie nun umzieht“, sagt eine Frau und macht ein Foto von der kleinen Toni in der Innenanlage der Hippo Bay. „Me and Toni“, spricht eine andere aufgeregt in ihre Handykamera, als sie ein TikTok-Video von sich und dem Zwergflusspferd macht.

Zahlreiche Besucher:innen drängen sich an die Scheibe im „Hippo Bay“, um Toni beim Duschen zuzuschauen.

© Franziska Apfel

„Wir hätten nicht gedacht, dass nochmal so viele vorbeikommen“, sagt Kurator Florian Sicks und beobachtet die Besucher:innen, die sich ganz nah an die Scheibe drängen, um noch einen Blick auf Toni zu erhaschen und ein letztes Foto zu machen.

Sicks betreut unter anderem die Zwergflusspferde. Dass Toni den Zoo nun verlässt, sei völlig normal und auch genau richtig. „Sie ist jetzt über ein Jahr alt und damit eigentlich in dem Alter, wo die Mutter sich erneut fortpflanzt und ein neues Jungtier bekommt“, erklärt er. Das sei der Moment, an dem die Jungtiere ihre Mutter verlassen und allein losziehen. „Zwergflusspferde sind Einzelgänger und wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten das natürliche Verhalten nachzuempfinden.“

Zur Person

© privat

Florian Sicks studierte Biologie und arbeitet seit 2023 im Berliner Zoo. Zuvor war er 12 Jahre im Berliner Tierpark tätig. Der Biologe ist Kurator für Säugetiere und kümmert sich unter anderem um die Zwergflusspferde und die Pandas. Promoviert hat Sicks zu Giraffen.

Zwergflusspferde gelten als stark gefährdet. Ihre natürlichen Lebensräume in den Regen- und Sumpfwäldern der Elfenbeinküste, Guinea, Liberia und Sierra Leone werden durch Abholzung und landwirtschaftlicher Nutzung immer kleiner. Zudem werden die Tiere illegal gejagt. Eine Auswilderung sei derzeit nicht möglich und stehe völlig außer Frage, sagt Sicks.

Somit geht es für Toni nach Frankreich in ein nigelnagelneues Gehege. Dort soll sie mit einem männlichen Zwergflusspferd zusammen untergebracht werden und wird – so der Plan – selbst eine Familie gründen, sagt Sicks. Bis das so weit ist, wird es noch eine Weile dauern, denn Zwergflusspferde sind erst mit drei bis fünf Jahren geschlechtsreif.

Noch bis Sonntag ist Toni in ihrem Berliner Gehege zu sehen.

© Franziska Apfel

Der Umzug findet im Rahmen des sogenannten Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) statt. Das koordiniert die Verteilung und Zucht der Tiere in Europa, um eine genetische Vielfalt sicherzustellen und Inzucht zu verhindern. „Welches Tier dann wohin zieht, hängt von der Genetik und vom Bedarf ab“, sagt Sicks. „In Tonis Fall ist es jetzt so, dass durch das neue Gehege auch ein neues Pärchen zusammengestellt wird.“

Das Europäischen Erhaltungszuchtprogramm

Das Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) koordiniert die Zucht von Tieren innerhalb der Zoos in Europa. Der Fokus liegt dabei auf dem Erhalt der genetischen Vielfalt und der Vermeidung von Inzucht.

Ursprünglich war das Ziel des Projektes, Tierarten auch ohne den Erwerb von Wildfängen genetisch divers zu halten. Doch seit den 1990er Jahren hat sich der Schwerpunkt zur Erhaltung vom Aussterben bedrohter Arten verschoben.

Das EEP ist eines der Hauptprogramme der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA). Dem tiergärtnerischen Verband gehören etwa 400 Zoos und Aquarien aus Europa und dem westlichen Asien an. Zoos, die Teil des Verbunds sind, können mithilfe des EEP Tiere erhalten und tauschen.

Damit die Reise ohne Probleme funktioniert, wird das Zwergflussmädchen bereits seit Wochen an eine Transportbox gewöhnt. „Toni wiegt jetzt etwa 100 Kilogramm, das muss die Box natürlich aushalten“, sagt Sicks. „Pappe geht da nicht.“ Die Box sei so gestaltet, dass Toni problemlos stehen und liegen, essen und trinken kann. Für das leibliche Wohl ist also gesorgt.

Ansonsten sei der Umzug eher unspektakulär. „Durch das Training kennt Toni die Art Box und schläft teilweise sogar darin. Es ist jetzt wie ihr zweites zu Hause“, sagt Sicks und lacht. „Am Umzugstag wird dann einfach die Klappe zugemacht und dann wird Toni nach Mulhouse gefahren“.

Bei den sommerlichen Temperaturen gönnt sich das Hippo eine Badepause.

© Franziska Apfel

Bezahlen muss der Zoo für den Transport übrigens nichts. „Die Kosten trägt der Empfänger“, sagt Sicks. Für Toni erhält der Zoo kein Geld. „Die Tiere werden in Europa zwar getauscht, es wird aber niemals Geld dafür bezahlt“. Das sei für die Zucht und die Standards der Zoos ganz zentral, auch um keine Konkurrenz unter den Zoos zu schaffen. Außerdem gehe es um den Arterhalt und nicht um das Geschäft.

Ein bisschen Wehmut schwingt aber doch mit. „Toni ist bei den Pflegern sehr beliebt“, sagt Sicks. „Besonders macht sie vor allem, dass sie eine vor ganz, ganz wenigen Zwillingsgeburten war.“ Das sei bei Zwergflusspferden sehr selten und mache sie damit „schon ein bisschen einzigartig“. Von den etwa 1600 Geburten, die das EEP erfasst hat, habe es bisher nur 16 Geburten dieser Art gegeben. Tonis Zwilling ist jedoch kurz nach der Geburt verstorben.

Mit über einem Jahr wird es Zeit, dass Toni umzieht.

© Franziska Apfel

Als Zwilling war Toni um einiges kleiner und leichter als ein durchschnittliches Zwergflusspferdbaby. Statt der üblichen etwa fünf Kilogramm habe sie nur dreieinhalb auf die Waage gebracht. „Das ist natürlich schon mal ein schwerer Start ins Leben“, sagt Sicks. „Und dann hat sich ja auch noch ihre Mutter leicht auf sie draufgesetzt und ihr den Beckenkamm gebrochen.“

Toni, das Zwergflusspferd

Am 3. Juni 2024 ist Toni als eines von zwei Zwergflusspferden auf die Welt gekommen. Gerade einmal 3,5 Kilogramm wog sie damals. Der zweite Zwilling ist kurz nach Geburt verstorben.

Das über ein Jahr alte Flusspferd ernährt sich ausschließlich von fester Nahrung, Muttermilch steht nicht mehr auf dem Speiseplan. Ihr absoluter Lieblingssnack sind nach wie vor Erdnüsse, die gebe es aber nur zu besonderen Anlässen.

Ganz klein und niedlich: Toni mit gerade einmal sechs Wochen neben ihrer Mutter Debbi.

© REUTERS/NADJA WOHLLEBEN

Nach wie vor ist Toni ein großer Liebling der Zoobesucher – das verdankt sie auch ihrem Ruhm auf Social Media. Das Zwergflusspferd ging mit Plansch- und Badevideos viral, millionenfach schauten sich Menschen das Jungtier an.

Bei der Namenssuche gingen insgesamt rund 20.000 Vorschläge aus aller Welt ein. Der Name Toni ist an den Fußball-Nationalspieler Antonio Rüdiger angelehnt, der die Ehrenpatenschaft für das Mini-Hippo übernahm.

Doch zu sehen, wie das kleine Hippo immer größer wurde, kräftig zunahm und das Becken gut heilte, sei sehr schön gewesen, sagt Sicks. „Am Anfang zittert man dann doch immer ein bisschen, ob alles gut geht.“ Ein Erfolg, besonders für die Pflegerinnen und Pfleger, sagt er. Auch die spätere Patenschaft mit dem Fußballspieler Antonio Rüdiger sei ein Highlight für den Zoo gewesen.

Dass Toni dann quasi eine Markenbotschafterin für ihre Art und den Tierschutz wurde, habe dann aber doch überrascht. Auf Social Media ging das Zwergflusspferd viral, verzauberte mit ihrem niedlichen Gesicht Millionen Menschen weltweit. „Das ist ja eigentlich das, was wir uns für jedes Tier erhoffen“, sagt Sicks. „Ich glaube, Toni hat für ein neues Bewusstsein für Zwergflusspferde gesorgt und ihnen eine ganz neue Aufmerksamkeit verschafft“.

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Ob sich diese Aufmerksamkeit auch mit dem Umzug nach Frankreich hält, wird sich zeigen. Der Zoo freue sich jedenfalls für das kleine Nilpferd. „Es ist schön, dass wir ein bisschen zum Erhalt der Tiere beitragen können und Menschen mehr über Artenschutz erfahren – und dazu hat auch Toni einen wichtigen Beitrag geleistet“, sagt Sicks.

Nun heißt es Lebewohl sagen. Diesen Sonntag ist das kleine Hippo-Mädchen ein letztes Mal für die Besucher:innen im Berliner Zoo zu sehen. Und dann heißt es: Au revoir, Toni! Schön war‘s.