Ein Stummfilmkonzert, aber ein sehr spezielles: Der Film läuft, das Orchester begleitet, doch Bilder und Klänge passen nicht ganz zusammen. Immer wieder ist die Szene schon zu Ende, während der Mann mit dem Taktstock noch eine ganze Reihe dazugehöriger Noten zu dirigieren hat. Aber er ist zugleich der Komponist, dazu noch ein berühmter, lässt daher kurzerhand den Film stoppen.
Insgesamt 20 Mal griff Richard Strauss in dieser Weise bei der Uraufführung des von Robert Wiene („Das Cabinet des Dr. Caligari“) gedrehten Films „Der Rosenkavalier“ ein – der Kritiker des „Film-Kuriers“ hatte am 10. Januar 1926 in der Dresdner Semperoper mitgezählt. Ein aus filmischer Sicht fragwürdiger und trotzdem bejubelter Versuch, eine Oper zum Stummfilm umzumodeln.
Selbst fliegen mussten Emil Jannings und Lya de Putti in „Varieté“ nicht, das erledigten echte Akrobaten. Aber schon die Kletterei die Strickleiter hoch in dern Sternenhimmel des Wintergartens war dem Schauspieler nicht geheuer.
© Filmmuseum Berlin – Stiftung Deutsche Kinemathek
Bei den am Mittwoch zum 15. Mal startenden, von Bertelsmann und der Ufa veranstalteten Ufa-Filmnächten würde das Publikum dergleichen kaum mehr goutieren, es ist aber nicht zu befürchten. Nicht am ersten Abend bei Ewald André Duponts „Varieté“ von 1925 mit einem selbst gar nicht schwindelfreien Emil Jannings, der einen ehemaligen Hochseilartisten gibt; und nicht beim 1929 gedrehten Schlussfilm „Der Sträfling aus Stambul“ von Gustav Ucicky, mit Heinrich George in seiner letzten Stummfilmrolle: Für beide Filme wurde eigens neu komponiert, da dürfte nichts schiefgehen.
Seit Joe Mays „Asphalt“ spielte Betty Amann häufig die Femme fatale. In „Der Sträfling aus Stambul“ allerdings wird sie zur ehrbaren Verkäuferin, deren Eheglück, mit Heinrich George als ihrem Mann, nicht von Dauer ist..
© Deutsche Kinemathek
Aber auch beim „Rosenkavalier“ am zweiten Abend mit der Musik von Richard Strauss werden die Bilder den Melodien nicht wieder davonlaufen, wie Burkhard Götze, Leiter und Dirigent des den Film begleitenden Metropolis Orchesters Berlin, versichert. Strauss sei eben „kein erfahrener Filmdirigent“ gewesen, als er, wohl mit Unterstützung seines Kollegen Otto Singer, für den Film eine Orchesterfassung der Oper erstellte, auch neue Stücke schrieb, Militärmärsche und eine Tanzsuite aus Klavierstücken des Barockkomponisten François Couperin.
Ohne die Musik ist der Film nicht denkbar.
Burkhard Götze, Dirigent
Aber es blieb ein opulentes Werk, schon vom Opernensemble kaum zu stemmen und erst recht nicht von den Hausorchestern der Kinos, in denen der Film laufen sollte. Aber dort funktionierte es dann sogar besser, das Mammutwerk war auf ein spielbares Format gebracht worden. Von wem genau sei nicht mehr festzustellen, erzählt Götze, der sich mit seinem Metropolis Orchester ebenfalls auf diese, vom britischen Dirigenten Thomas Kemp bearbeitete Version stützt.
Robert Wienes “Der Rosenkavalier“ begeisterte sein Publikum auch durch die üppige Ausstattung.
© DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt am Main/Bildarchiv
Dennoch hat er erheblichen Respekt vor dem Werk und der eigenen Aufgabe, sieht es für sich als bisher „größte Herausforderung“, mit „immens viel Musik, die untergebracht werden muss“, was die Synchronisierung mit den Bildern schwierig mache. Doch gerade die Musik, die traumhaft schön sei, aber an die Grenzen des Spielbaren gehe, sei hier essentiell: „Ohne sie ist der Film nicht denkbar“.
In den letzten 15 Minuten schiebt sie sich notgedrungen sogar in den Vordergrund. „Der Rosenkavalier“ ist nicht komplett überliefert, wurde vom Filmarchiv Austria durch Standfotos und Zwischentitel so gut es ging rekonstruiert.
Drei Nächte, drei Filme
Ufa-Filmnächte, 27.-29. August, jeweils 21 Uhr, Museumsinsel
- Mittwoch: „Varieté“ (1925) von Ewald André Dupont, digital restaurierte Fassung der F.W. Murnau-Stiftung (2014), mit den UFA-Syncopators: Küspert & Kollegen nach einer Komposition von Werner Küspert und Richard Siedhoff
- Donnerstag: „Der Rosenkavalier“ (1925) von Robert Wiene, digital restaurierte und teilrekonstruierte Fassung vom Filmarchiv Austria (2006), Musik der Oper von Richard Strauss, bearbeitet von Thomas Kemp, aufgeführt vom Metropolis Orchester Berlin unter Leitung von Burkhard Götze (Aufführung unterstützt von der Europäischen FilmPhilharmonie)
- Freitag: „Der Sträfling aus Stambul“ (1929) von Gustav Ucicky, digital restaurierte Fassung der F.W. Murnau-Stiftung (2025), gefördert von Bertelsmann, mit einer Neukomposition von und mit dem Multiinstrumentalisten PC Nackt.
Infos und Tickets unter ufa-filmnaechte.de („Varieté“ ist ausverkauft, evtl. Resttickets an der Abendkasse)
Das Problem der Synchronisation muss schon bei der Kinouraufführung in Berlin gelöst worden sein, der Strauss als Ehrengast beiwohnte. Das war am 16. Januar 1926 im Capitol am Zoo, dort, wo sich heute das Bikini-Haus befindet. Der erfahrene Filmkomponist Willy Schmidt-Gentner hatte die Partitur neu arrangiert, dirigierte an diesem Abend auch, was Strauss mit unbewegter Miene verfolgte, so der Bericht der „LichtBildBühne“.
Danach, bei aufbrausendem Beifall, habe der Komponist auf den Regisseur gezeigt, wohl anerkennend, wem die Ovationen diesmal vor allem galten. Und das zu Recht, wie der von Wienes „Prachtleistung“ ebenfalls begeisterte Kritiker rühmte, die „nicht nur als ,Illustration’ zu Strausscher Musik, also als unselbständiges Anhängsel, zu bestehen braucht, sondern die ihren Erfolg auch als Film allein überall einheimsen dürfte.“