Leipzig. Es ist fast ein absurdes Zusammenspiel. Die letzten Strahlen der Abendsonne dringen durch die hohen Fenster der Open-Air-Bühne am Panometer am Samstag. Die Lichtpartikel streuen sich und schimmern golden, als sie auf den aufsteigenden Nebel treffen. Auf der Bühne darunter stehen „die Verlierer“ auf – sie spielen melodischen Punk, ja. Mit einer Prise Neue Neue Deutsche Welle. Aber trotzdem noch Punk. Der Bass scheppert so laut, dass die Luft vibriert. „Dieser Hass, der uns umstellt – ihr macht uns krank!“, singt Hauptsänger Hannes Berwing mit einer Stimme wie nach fünf Kippen auf Lunge.

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Mit Wut und Leidenschaft spielt die fünfköpfige Band. Sie stellen sich nicht namentlich vor, sie halten keine Reden vor jedem Song, sie verabschieden sich nicht ausführlich. Das wäre nicht punk genug. Stattdessen liefern Hannes Berwing, Jonas Patrone, Oska Wald, Lorenz O’Tool (alle Gitarre, Bass und Gesang) sowie Jiles (Schlagzeug) knappe 1,5 Stunden pure Energie und katapultieren ihr Publikum in Ekstase. Aufgewärmt waren die rund 500 Besucherinnen und Besucher schon von den ähnlich harten Klängen der Vorband „Sexverbot“.

Diese Themen ziehen in Leipzig genau wie in Berlin

In ihren Songs prangern sie Gentrifizierung an. Ein Thema, das in Leipzig genauso Gemüter erhitzt wie in der Bandheimatstadt Berlin. „Vertreibt die Menschen, die hier wohnen, und verkauft ihre Kultur“, heißt es in „Fickt diese Stadt“ vom zweiten Album der Gruppe. Ebenso widmen sie ihre Lieder der Kapitalismuskritik oder einem verschwommenen Ohnmachtsgefühl im Drogenrausch. Sparsam eingesetzter Screaming-Gesang macht die Musik kantiger, und der Schlagzeuger glänzt mit wilder Präzision. Der Sound ist hart und melodisch zugleich.

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Das funktioniert so gut, weil die Setlist Abwechslung bietet. Während der knapp zwei Minuten Power-Systemkritik bei „Allesfresser“ springen und prellen die Körper in der Menge gegeneinander. Ist es Nebel, der über ihnen aufsteigt, oder dampft die Crowd vor Schweiß? So oder so — als danach das lange Intro-Riff der Herzschmerz-Hymne„Stacheldraht“ beginnt, zieht ein kollektives Aufatmen durch das Publikum.

Die Wiederholungen in Melodie und Text vermitteln gekonnt die monotone Verzweiflung davon, wie Menschen auseinander driften. „Warum ist es, dass man sich irgendwann dann nicht mehr versteht?“. Die Verlierer können von null auf hundert und zurück. An mancher Stelle ist der Sprung von Melancholie zu Wut aber groß, und dürfte abgefedert werden.

Ein kleiner Ruckler im Ablauf passt ins Bild

Das Publikum ist jung, genauso wie die Band, die sich während der Pandemie aus zwei bestehenden Gruppen formte. Trotzdem haben die Fünf eine Menge Erfahrung. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn die Bandmitglieder sich beim Singen abwechseln, oder ihre Instrumente je nach Lied miteinander tauschen. Eine Crew aus Alleskönnern. Der einzige ohne Instrument (nur am Gesang) ist Hannes Berwing. Die Pause, während seine Kollegen am Mikrofon stehen, nutzt er, um sich auf der Bühne eine Zigarette zu drehen. Beneidenswert lässig.

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Nur einmal ruckelt der Ablauf: „Ich hab schlechte Nachrichten. Mein Kabel ist kaputt“, sagt Jonas Patrone. „Hat einer von euch ein Klinkenkabel dabei?“ Das Problem löst sich schnell, und verleiht dem Auftritt einen passend-punkigen Anstrich von „do it yourself“. Stimmig dazu: Schwarzes Duct Tape an einer Gitarre und die schräge Aufschrift des Bandnamens am Schlagzeug.

Die letzten Sommerkonzerte am Panometer

Bald zeigen sich die ersten Sterne am Nachthimmel über der Open-Air-Arena. Gut sichtbar, durch das offene Dach aus geometrisch angeordneten Metallstreben. Hohe Säulen stützen das Bauwerk, und werden rot angestrahlt. Die Panometer-Bühne hat ein besonderes Flair, womöglich eine der stimmungsvollsten Konzert-Locations in Leipzig. Es ist die letzte Saison, in der das Werk 2 und das UT Connewitz hier Konzerte veranstalten können.

Weitere Konzert-Termine auf der Sommerbühne am Panometer

Am 25. August spielt das Londoner Singer-Songwriter-Duo Ider. Am 27. August die Leipziger Pop-Band Kapa Tult gemeinsam mit Gwen Dolyn, Sängerin der Chemnitzer Band Tränen. Einen Tag später tritt der Indie-Pop-Musiker PeterLicht auf. Dann spielen am 29. August die Düsseldorfer Düsterboys ihre Indie-Folk-Mischung. Die Rap-Crew $ono$ Cliq steht am 30. August auf der Bühne. Das letzte Konzert spielt am 31. August die Neue-Deutsche-Welle-Gruppe Mamoré aus Jena.

Info: Alle Konzerte auf der Sommerbühne am Panometer beginnen jeweils 19.30 Uhr. Karten gibt es auf www.werk-2.de

LVZ