Die israelische Armee hat laut einem Bericht vor erheblichen Schwierigkeiten bei der geplanten Offensive auf Gaza-Stadt gewarnt. Das Militär habe die israelische Regierung darüber informiert, dass die Zerstörung der Stadt – sowohl ober- als auch unterirdisch – mehr als ein Jahr dauern könnte, berichtet die israelische Zeitung Ha’aretz. Verteidigungsminister Israel Katz hatte zuvor mitgeteilt, Gaza-Stadt könne das Schicksal von Rafah und Beit Hanun teilen, falls die Hamas Israels Bedingungen für ein Kriegsende nicht akzeptiere.
Israel hatte den Plan zur Einnahme von Gaza-Stadt im Juli beschlossen. Es wird jedoch erwartet, dass es noch einige Wochen dauert, bis die Bodenoffensive beginnt, was den Vermittlern Ägypten und Katar Raum für weitere Verhandlungen über eine Waffenruhe lässt. Die Hamas hatte bereits am 18. August 2025 einem Vermittlungsvorschlag Ägyptens und Katars für eine 60-tägige Feuerpause zugestimmt. Israel lehnte den Vorschlag ab, kündigte aber an, weiter verhandeln zu wollen.
Laut Ha’aretz fürchtet die Armeeführung eine Verschärfung der ohnehin angespannten Lage unter den Reservisten. Bereits jetzt sei die Einsatzbereitschaft gering, viele meldeten sich nicht mehr zum Dienst. Armeechef Eyal Zamir habe gegenüber Regierungsmitgliedern betont, eine Großoffensive werde erst beginnen, wenn „humanitäre Zonen“ für die rund 1,2 Millionen Bewohner eingerichtet seien. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dringe hingegen auf eine schnellere Umsetzung.
Zerstörung von Rafah
Die Städte Rafah im Süden und Beit Hanun im Norden Gazas wurden praktisch vollständig von der israelischen Armee zerstört, ein Großteil der Bevölkerung vertrieben. In Rafah lebten vor der Übernahme der israelischen Armee 1,4 Millionen Menschen, die meisten von ihnen waren aus dem Norden Vertriebene: Die Stadt wurde damals von Israel als sichere Zone deklariert. Im Mai des vergangenen Jahres folgte der Internationale Gerichtshof (IGH) einem Eilantrag Südafrikas, wonach Israel angesichts der „katastrophalen humanitären Lage“ die Offensive unverzüglich stoppen müsse. Israel setzte den Einsatz dennoch fort.
Im Juli kündigte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz an, im Süden von Gaza ein Lager errichten zu wollen, das zunächst 600.000 Palästinenser beherbergen soll. Einmal umgesiedelte Menschen sollen das „humanitäre Stadt“ genannte Internierungslager nach Betreten nicht mehr verlassen dürfen. Die Pläne wurden in Israel und international deutlich verurteilt.
Keine sicheren Zufluchtszonen in Gaza-Stadt
Bislang existieren keine sicheren Zufluchtszonen in Gaza-Stadt, was laut israelischer Armee umfangreiche Vorbereitungen erforderlich macht. Die „Evakuierung“ Rafahs hatte nach Angaben der Armee zwei Wochen beansprucht, für Gaza-Stadt rechne man mit deutlich längerer Zeit. Laut Ha’aretz will die Armeeführung zudem zunächst die laufenden Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln ausschöpfen. Ein massiver Angriff könne deren Sicherheit erheblich gefährden.
© Lea Dohle
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Die Spannungen zwischen Militär und Regierung nehmen laut Ha’aretz zu. Hohe Offiziere betonten demnach, dass der Armeechef sich strikt an die Vorgaben der Militärjuristin Yifat Tomer-Yerushalmi halte und keine rechtswidrigen Befehle umsetzen werde. Derweil setzt die israelische Armee ihre Operationen in den Vororten von Gaza-Stadt sowie in Dschabalija fort. Der Sender Al-Dschasira berichtet unter Berufung auf medizinisches Personal, dass die israelische Armee seit Tagesanbruch mindestens sechs Menschen in Gaza-Stadt durch Artilleriebeschuss des Viertels Sabra getötet hat und veröffentlichte ein Video, in dem ein israelischer Panzer zu sehen ist.
Nach Angaben von Anwohnern wurden erneut Wohnhäuser und Straßen zerstört. Die nächtlichen Explosionen lösten Panik aus und veranlassten einige Familien zur Flucht. In Gaza-Stadt sollen sich derzeit zwischen 800.000 und einer Million Palästinenserinnen und Palästinenser befinden.
UN bestätigen Hungersnot in Nordgaza
Israel lässt seit Monaten kaum Hilfsgüter in das Küstengebiet; nach dem Ende der Waffenruhe im März blockierte das israelische Militär
fast drei Monate sämtliche Hilfslieferungen vollständig. Inzwischen ist vor allem die von Israel und den USA unterstützte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) zuständig, die an einigen wenigen Verteilzentren im Süden von Gaza Rationen verteilt. Zuletzt bestätigten die Vereinten Nationen, dass im Verwaltungsbezirk Gaza, zu dem Gaza-Stadt gehört, eine Hungersnot herrscht.
Zudem hat von der GHF eingesetztes Sicherheitspersonal sowie das israelische Militär wiederholt das Feuer auf Hilfe suchende eröffnet, wodurch laut Vereinten Nationen und palästinensischen Behörden bislang mehr als 1.000 Menschen getötet wurden.
Alle Entwicklungen zum Krieg im Gazastreifen lesen Sie in unserem Liveblog.
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Was Hunger mit den Menschen macht