Die Helden in den gelben T-Shirts sind müde. Doch der Applaus am Brunnen auf dem Corredera-Platz nimmt kein Ende. Alle wollen in Hervás den Feuerwehrleuten die Hände schütteln, viele umarmen sie. Hunderte sind gekommen, um sie und das Ende des großen Feuers zu feiern. Ihr erleichtertes Klatschen übertönt das Knattern der letzten Hubschrauber, die Löschwasser hinauf auf den Gebirgszug schleppen. Dort oben hatte bis zum Wochenende der schlimmste Waldbrand gewütet, der die Extremadura jemals heimgesucht hatte, elf bange Tage lang.
Die Flammen waren die Hänge des Ambroz-Tales hinuntergestürmt. An mehreren Stellen überrannten sie sogar die Autobahn von Cáceres nach Salamanca. Das Feuer in der Region im äußersten Westen Spaniens ist unter Kontrolle, aber im benachbarten Kastilien-León, in Galicien und Asturien lodern die Brände weiter. In ganz Spanien sind 2025 schon mehr als 400.000 Hektar verbrannt, so viel wie noch nie in einem Jahr.
Schaudernd reden manche in der Extremadura von der „Bestie“, die vor zwei Wochen ein Blitz bei Jarilla entfesselt hatte. Andere sprechen von einem „Ungeheuer“, das mehr als 17.000 Hektar in einem Umkreis von 170 Kilometern fraß. An den Flanken der Höhenzüge nagte der Feuersturm an den dichten Kastanien- und Eichenwäldern. Er verwandelte die sattgrünen Hänge in eine pechschwarze Steppenlandschaft.
Malen gegen das Trauma
Die Kinder haben trotz des Albtraums, der hinter ihnen liegt, ihre Zuversicht nicht verloren. Sie lassen die Natur schon wieder blühen, zumindest in ihrer Phantasie. Vor der Dankesfeier haben sie für die Feuerwehrmänner von Hervás ein riesiges Poster gemalt. Darauf sind Berge zu sehen, auf denen die Bäume ausschlagen, bunte Flugzeuge kommen zur Rettung. Sie ziehen Banner mit roten Herzen hinter sich her, auf denen „Wir lieben euch“ steht – Kunsttherapie gegen das Trauma.
Wie während der Covid-Pandemie mussten die Kinder mehrere Tage bei geschlossenen Fenstern drinnenbleiben. Draußen trugen viele Menschen die altbekannten Gesichtsmasken, dieses Mal gegen den Rauch. Besonders die gelben Löschmaschinen faszinieren die jungen Maler: Mehr als zwei Dutzend Spezialflugzeuge gingen tagelang gegen die Feuer vor. Es klang wie in einem Kriegsgebiet, erinnert sich eine Mutter auf dem Platz.
In Hervás hatte die örtliche Jugendvereinigung zur „kollektiven Umarmung“ aller Helfer eingeladen. Ohne Politiker, die auch nicht auf der langen Dankesliste auftauchen, die am Abend vorgelesen wird. Oft mussten sich Nachbarn in den abgelegenen Bergen gegenseitig helfen, bis die Rettungskräfte zu ihnen vordrangen: „In den schwierigsten Situationen können wir stolz auf ein geeintes Volk sein“, tönt es aus dem Lautsprecher auf dem überfüllten Corredera-Platz: Nur gemeinsam sind wir stark, ist die Botschaft an die fernen Politiker, die anfangs nicht einmal ihre Sommerurlaube abbrachen.
Eine „Pyromanin“ und „Klimafanatiker“ sollen Schuld sein
Statt das ganze Land zu mobilisieren, bekämpfen sich rechte Opposition und linke Regierung, als wären morgen Wahlen. Die konservative PP beschimpft die Chefin des nationalen Katastrophenschutzes als „Pyromanin“, weil sie nicht schnell genug und ausreichend staatliche Hilfe zur Verfügung gestellt habe. Die Zentralregierung erinnert die PP daran, dass für den Katastrophenschutz die von ihrer Partei geführten Regionalregierungen zuständig seien. Und die Rechtspopulisten von Vox wiederholen ihre alten Parolen: Linke „Klimafanatiker“ seien mit einem übertriebenen Naturschutz schuld an den Bränden.
Die Feier in Hervás erinnert an Valencia. „Nur das Volk rettet das Volk“, lautet der Slogan, der bis heute dort an Wänden prangt. Während der Flutkatastrophe mit mehr als 200 Toten fühlten sich im vergangenen November viele Menschen von den Politikern verlassen. Als die Ersten ertranken, saß der konservative Regionalpräsident bei einem stundenlangen Arbeitsessen. Von der Enttäuschung über die „etablierten“ Parteien profitierten laut Umfragen am Ende die Rechtspopulisten.
Der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez zog es vor, direkt mit dem Hubschrauber zu den regionalen Einsatzzentralen zu fliegen. Mit Buhrufen und der Aufforderung „Geh mit dem Volk reden“ verabschiedeten sich enttäuschte Bewohner in der Extremadura von dem Regierungschef, als er in seinen Helikopter stieg. Ohne mit ihnen zu sprechen, reiste er wenig später zurück in sein Urlaubsdomizil auf den Kanaren.
Von den „Bomberos alemanes“ sind die Spanier jedoch begeistert. An den Straßen, an denen der deutsche Feuerwehrkonvoi mit mehr als 20 Fahrzeugen vorbeifährt, salutieren die Polizisten und applaudieren Passanten. Es sind nur 67 Feuerwehrleute, aber ihr Einsatz erregt Aufsehen und tut den Menschen in der Extremadura wohl. Ihre eigene Regierung in Madrid musste zeitweise eingestehen, dass sie keine Verstärkung mehr für sie hatte. Auch die Tschechische Republik und Slowenien schickten Kräfte in den Südwesten Spaniens. Im Norden sind Rumänen und Griechen aktiv.
Mit mehr als 20 Fahrzeugen hatte die deutsche Feuerwehr zeitweise ihr Feldlager auf dem Sportplatz von Aldeanueva del Camino aufgeschlagen.Hans-Christian Rößler
„Die reden nicht nur. Sie kommen von weit her und packen an. Das sind echte Profis“, sagt ein Mann, der neugierig über den Zaun des Fußballplatzes von Aldeanueva del Camino blickt. Er schwärmt von „Europa“, das in der Not zusammenhalte. In der Sportanlage hat das deutsche EU-Waldbrandmodul sein Feldlager aufgeschlagen. Die vier schweren geländegängigen Löschfahrzeuge sind gerade von ihrem Einsatz zurückgekehrt und tanken wieder auf; 3000 Liter können sie aufnehmen. Zwei Stunden dauert an diesem Tag allein die Anfahrt ins unwegsame Gebirge.
Die Feuerwände, die in den nahen Bergen die ersten Nächte erhellten und vom Sportplatz aus zu sehen waren, sind gelöscht. Die 40 Deutschen nahmen sich die letzten Glutnester vor. Mit Äxten, Hacken und Schaufeln sorgten sie dafür, dass der Wind sie nicht wieder anfacht. Wechselnde Winde hatten die Feuer erst nach Norden getrieben, dann wieder nach Süden, die Flanken der Gebirgskette hinauf und dann wieder hinunter. Die Flammen gaben sich lange nicht geschlagen.
Mit Rettungswagen und Gulaschkanone im Einsatz
„Wir lernen hier selbst eine Menge. Das ist eine völlig andere Vegetation als in Deutschland“, sagt Dirk Altmann. Der Berufssoldat kommt von der Freiwilligen Feuerwehr im niedersächsischen Wietzendorf. Wie rund die Hälfte seiner Kameraden hat er alles stehen und liegen lassen und ist vor einer Woche nach Spanien aufgebrochen. Inzwischen sind sie zum nächsten Brand nach Kastilien-León weitergezogen.
„GFFF-V-DE1“ heißt im europäischen Fachjargon die gemeinsame Spezialeinheit der Feuerwehren aus Bonn, Düsseldorf, Leverkusen, Königswinter und Ratingen, die Verstärkung aus Niedersachsen erhielten. Es ist ihr dritter Auslandseinsatz nach den Waldbränden in Griechenland im Jahr 2021 und in Südfrankreich 2023.
Am Sonntagmorgen vor einer Woche kam die spanische Anfrage über den Europäischen Mechanismus für Katastrophenschutz, am Nachmittag setzte sich der deutsche Löschzug in Marsch. Der Trupp ist autark, mit eigenem Rettungswagen, zwei Kfz-Mechanikern und einer mobilen Gulaschkanone. Das Rindergeschnetzelte in der Feldküche bereiten die Johanniter zu. Eine Nachbarin des Feldlagers brachte Tomaten vorbei.
Ein Mann löscht Baumstümpfe mit zwei Eimern
Die Spanier beeindruckt, wie effizient und gründlich die Deutschen ans Werk gehen. Für die deutschen Brandbekämpfer ist es eine wichtige Erfahrung, denn ihre EU-Einheit ist noch relativ neu. Aber wie in Spanien werden auch in Deutschland die Sommer trockener und länger. Eine Million Feuerwehrleute gibt es in der Bundesrepublik, aber immer noch wenige Spezialisten für große Vegetationsbrände wie in diesem Sommer auf der Iberischen Halbinsel. „Die Notfalleinheit UME der Armee ist Champions League“, sagt Dirk Altmann anerkennend über die Kollegen von der spanischen Armee, an deren Seite die Deutschen arbeiten. Die deutschen Helfer loben die professionelle Koordination auf der Iberischen Halbinsel – auch wenn spanische Medien und besonders die Opposition einen anderen Eindruck erwecken.
Die roten Löschfahrzeuge der spanischen UME-Soldaten und der deutschen Feuerwehr sind weitergezogen. Der Großbrand von Jarilla ist offiziell für beendet erklärt. Aber am Rand des Dorfes, das dem bisher größten Feuer in der Extremadura den Namen gab, traut ein einsamer Mann der Ruhe nicht. Sein grünes Paradies ist über Nacht schwarz geworden. An den Bäumen hängen verkohlte Feigen, auf dem Boden liegen aufgeplatzte Tomaten. Wie ein Sisyphos füllt er zwei Eimer mit Wasser und kippt sie auf Baumstümpfe, aus denen dünne Rauchschwaden aufsteigen. „Ich kann jetzt nicht sprechen, ich muss löschen, damit es nicht wieder losgeht“, sagt er und geht zum nächsten Glutnest. Sein Nachbar steht mit Tränen in den Augen wie gelähmt vor den rußgeschwärzten Überresten seiner uralten Olivenbäume. Vier Tage lang mussten die Einwohner ihr Dorf verlassen, während die Feuerwehrleute es gegen die Flammen verteidigten. Erst kurz vor dem Kirchturm aus dem 15. Jahrhundert konnten sie das Feuer stoppen.
Verkohlte Erde: Ein Blitz in der Nähe von Jarilla hatte den Brand ausgelöst.Hans-Christian Rößler
María Ángeles Gordo sitzt mit ihrem Mann unter einer Pergola zwischen dem Glockenturm und dem Haus ihres Großvaters. Im Garten gackert eine Hühnerschar, die wie durch ein Wunder überlebt hat. Die Lehrerin wohnt in der Nachbarstadt Plasencia, ihr 89 Jahre alter Vater hat sein kleines Dorf nie verlassen. „Für ihn ist sein Leben verbrannt. Als hätte der Brand ihn entwurzelt. Früher konnte er keine Ruhe geben. Jetzt ist er wie gelähmt und will gar nichts mehr machen“, sagt sie besorgt. Vom Garten ihres Vaters mit einem kleinen Schwimmbad und dem Hühnerstall, in dem er Trauben, Zwiebeln und Tomaten pflanzte, ist praktisch nichts übrig geblieben. „Die Natur wird sich erholen, er wird es wohl nicht mehr erleben“, meint der Mann von María Ángeles Gordo.
Ihre Familie ist ein Beispiel für einen Generationswechsel, der fatale Umweltfolgen hat. Einst lebten die Menschen in den Dörfern mit und von der Natur. Ihre Ziegen fraßen die wuchernde Vegetation auf, bevor sie austrocknen und zu explosivem Zunder werden konnte – wie jetzt, während einer der schlimmsten Hitzewellen, die auf einen extrem regenreichen Winter folgte. Die Bauern nutzten Baumreste und Zweige als Brennholz.
„Blitze entfachten schon früher Feuer. Aber sie breiteten sich nicht aus“, erinnert sich María Ángeles Gordo, die zu den jüngeren Generationen gehört, die aus den Dörfern in die Städte zogen. Jahrzehntelang dauert nicht nur in der Extremadura schon die Landflucht an. Sie führte dazu, dass die Natur immer mehr sich selbst überlassen blieb und im Sommer ein Fraß der Flammen wurde. Dazu kommen immer strengere Umweltschutzauflagen. „Wenn du einen Ast abreißt, wirst du bestraft“, klagt ein Nachbar.
Vieles hat sich geändert. Heute leben immer mehr Bauern von den Touristen und von den knackig süßen Kirschen im Jerte-Tal, auf der anderen Seite des Bergrückens. Die großen Plantagen blieben vom Feuer verschont. Doch die Urlauber hat es verschreckt. In Jerte und Hervás bleiben trotz der Hochsaison viele Zimmer und Restauranttische leer. Beide Orte kämpfen darum, dass mit dem Alltag auch die Gäste zurückkehren. In der Nachbarregion Kastilien-León, in der immer noch nicht alle Brände gelöscht sind, haben einige genug vom Staat. Er hat aus ihrer Sicht ein weiteres Mal versagt. Im Norden, in León, flackern die alten Forderungen nach einem „Lexit“ wieder auf. Das Wort ist eine Kombination aus dem Anfangsbuchstaben der Region und Exit für Austritt – eine Anspielung an den britischen Brexit.