Die Grünen wollen in Ostdeutschland Boden gutmachen. Das ist kein Geheimnis – und erst recht nicht für Heiko Knopf. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei tourt derzeit durch Sachsen-Anhalt. In Jena geboren, bringt er nach eigener Aussage „die Ostperspektive mit“ – und sucht den Kontakt zu Projekten, die im Alltag oft übersehen werden. Eines davon ist das Salinetechnikum in Halle: ein Schülerlabor, das für moderne technische Bildung steht – aber jedes Jahr um seine Zukunft bangen muss.
Bildung unter Vorbehalt
Im Salinetechnikum basteln Schüler an 3D-Druckern, experimentieren mit Lasercuttern oder erkunden chemische Prozesse – ein außerschulischer Lernort, der für viele Kinder der erste echte Kontakt mit technischer Bildung ist. Und doch fehlt eine verlässliche institutionelle Förderung. Jahr für Jahr wird auf neue Projektmittel gehofft – oder gefürchtet. „Wir wissen nie, wie es im kommenden Jahr weitergeht“, sagt Projektleiterin Inga Schlesier.
Die Ursachen für die Unsicherheit sind vielschichtig. Seit der Wende, so Schlesier, seien Schülerlabore in der Bildungsplanung schlicht nicht mitgedacht worden. „Dabei bräuchten wir in Sachsen-Anhalt viel mehr davon“, betont sie. Auch Knopf sieht Land und Kommune in der Verantwortung – doch bislang fehlt es an konkreter Unterstützung.
Kein Platz im Koalitionsvertrag
Das Bildungsministerium des Landes verweist auf den Koalitionsvertrag: Schülerlabore seien dort nicht vorgesehen, daher gebe es keine gezielten Förderprogramme. Für Schlesier ein unhaltbarer Zustand, gerade angesichts des eklatanten Lehrermangels. „Wir sind aus der modernen Bildung nicht mehr wegzudenken.“
Gerade einmal eine halbe Unterrichtsstunde Technik pro Woche steht Fünftklässlern in Sachsen-Anhalt zur Verfügung – in höheren Klassen ist es eine. Für Elke Hartmann, emeritierte Professorin und Gründerin des Salinetechnikums, ein Armutszeugnis. „Das Land hat wenig Interesse an technischer Bildung. Technikunterricht ist teuer – und da will die Politik lieber nicht ran.“ Doch: „Technik begreift man nur, wenn man sie anfassen kann.“
Praktikanten und Ehrenamt statt Vollzeit-Team
Gerade einmal zwei hauptamtliche Kräfte – beide in Teilzeit – stemmen den Betrieb. Unterstützt werden sie von etwa 30 Ehrenamtlichen sowie einigen Lehramtsstudierenden, die hier ihre Praktika absolvieren. Doch auch das ist nicht flächendeckend: Nicht alle Studiengänge – darunter ausgerechnet Mathematik – sind dabei eingebunden.
Ein Lichtblick: Kürzlich wurde mit dem Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) ein Digitallabor auf den Weg gebracht. Mit mobilen Gerätschaften wie 3D-Druckern können nun auch Schulen direkt vor Ort erreicht werden. Doch auch das reicht nicht aus, um flächendeckend Technikinteresse zu wecken.
Private Spenden – klein, aber wichtig
Knopf zeigte sich bei seinem Besuch interessiert am Engagement von Unternehmen. Doch große Konzerne halten sich zurück. „Die Mutterunternehmen haben hier nicht ihren Sitz“, erklärt Schlesier. Spenden kommen überwiegend von kleinen und mittelständischen Betrieben – meist im dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Bereich. Große Konzerne beteiligen sich gelegentlich – allerdings oft nur mit ausrangierter Technik.
Soziale Schieflage bei der Teilnahme
Das Salinetechnikum ist zentral gelegen, zwischen Alt- und Neustadt, auf dem historischen Gelände der Saline. Trotzdem findet nicht jedes Kind den Weg dorthin. „Kinder aus bildungsfernen Familien kommen selten von allein – da fehlt oft der familiäre Rückhalt“, sagt Schlesier. Schulen seien der wichtigste Zugang. Kinder aus akademischen Haushalten hätten dagegen häufig elterliche Unterstützung – und kommen regelmäßig.
12 Prozent ohne Abschluss – ein strukturelles Problem
Die Probleme sind größer als ein einzelnes Schülerlabor. In Sachsen-Anhalt verlässt rund jeder achte Schüler die Schule ohne Abschluss. Weitere 12 Prozent brechen ihre Ausbildung ab. Schlesier spricht von einem „strukturellen Notstand“. Technische Bildung, so ihre Überzeugung, könne ein Schlüssel zur Wende sein – wenn man sie denn ernst nähme.
Unklare Zukunft auch beim Standort
Auch räumlich ist das Salinetechnikum nur provisorisch untergebracht – im Obergeschoss eines Kaufhauses. Ursprünglich war das Schülerlabor Teil des Technischen Halloren- und Salinemuseums, das jedoch saniert werden muss. Ein Stadtratsbeschluss sieht eine Rückkehr vor – doch der Umbau stockt, das Geld fehlt.
Was bleibt?
Heiko Knopf appelliert an Länder, Kommunen und auch die Wirtschaft. Bildung, besonders technische, sei ein Gemeinschaftsprojekt. Doch solange Schülerlabore wie das Salinetechnikum auf Projektbasis ums Überleben kämpfen müssen, bleibt es bei einem Appell. Die Herausforderungen sind bekannt – nun müssten Taten folgen.