Leipzig. Seit dem vergangenen Jahr sind Besuche der Dauerausstellungen in den städtischen Museen in Leipzig kostenlos. 30 Prozent mehr Gäste zählten seitdem das Stadtgeschichtliche Museum, das Naturkundemuseum, das Museum der bildenden Künste und das Grassi-Museum für Angewandte Kunst. Ein Erfolgsmodell, das sich manch einer inzwischen auch für die Leipziger Städtischen Bibliotheken (LSB) gut vorstellen kann.

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Rund 60.000 Bibliotheksnutzer eingeschrieben

Dort leihen Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre zwar schon heute Bücher und andere Medien gratis aus. Das sind derzeit 46 Prozent der Nutzer. Erwachsene allerdings zahlen laut derzeit geltendem Gebührentarif 20 Euro pro Jahr, Leipzig-Pass-Inhaber die Hälfte. 59.745 Menschen besaßen im vergangenen Jahr einen Bibliotheksausweis, das ist nahezu jeder zehnte Leipziger. Im Jahr davor waren es noch 2656 weniger. Das Interesse an den Angeboten der LSB wächst seit Jahren kontinuierlich.

Die Grünen im Stadtrat sehen in den Stadtbibliotheken nichts weniger als zentrale Bildungs- und Kultureinrichtungen, „die allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation Zugang zu Wissen, Information und kultureller Teilhabe ermöglichen sollten“. Das Ziel des kostenfreien Zugangs, so Stadträtin Gesine Märtens auf LVZ-Nachfrage, habe die Partei daher auch in ihrem Kommunalwahlprogramm verankert.

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Durch eine langfristige Planung – „mit Umsetzung ab 2027″ – könne die Stadt die notwendigen Haushaltsmittel einplanen, heißt es dazu nun konkret in einer Anfrage der Grünen-Fraktion an die Stadtverwaltung, mit der sie Auskunft zu den Folgen einer allgemeinen Gebührenfreiheit erbittet.

Jahresgebühren bringen 440.000 Euro ein

Das Dezernat von Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) beschreibt in der Antwort die Auswirkungen so: Im laufenden Doppelhaushalt 2025/26 rechnet die Stadt mit Einnahmen der LSB von 784.500 Euro pro Jahr. Auf die Jahresnutzungsgebühren, die durch die wachsende Zahl der Leserinnen und Leser jährlich um etwa drei Prozent steigt, entfielen dabei 440.000 Euro. Dazu kämen dann noch Mahngebühren wegen verspäteter Rückgabe, die nach Erfahrungswerten auf 266.000 Euro prognostiziert werden, sowie sonstige Gebühren.

Auch wenn sich im Verwaltungsapparat immer noch Kosten reduzieren ließen, etwa durch Einsparungen bei der Zahlungsabwicklung oder im Mahnverfahren, bleibe eines festzuhalten: „Innerhalb des Budgets der LSB ist keine Kompensation der entfallenden Einnahmen denkbar, die den bisher bekannten Bibliotheksbetrieb auch nur annähernd aufrechterhalten könnte.“

Gebührenfreiheit in anderen Städten – Erfolg unterschiedlich

Die Idee der Gebührenfreiheit ist dabei nicht neu. Wiesbaden hat sie erst 2022 für die Stadtbibliotheken der hessischen Landeshauptstadt eingeführt. Kurzfristig habe ihnen das zu 10 bis 15 Prozent mehr Nutzern verholfen. Die Zahl der Entleihungen hingegen sei nicht dauerhaft angestiegen, heißt es im Rathaus. Was zeige, dass für die Inanspruchnahme einer Bibliothek weniger der kostenfreie Zugang entscheidend sei, sondern vielmehr ein qualitativ hochwertiges Angebot mit aktuellen Medien, moderner Ausstattung und Technik.

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Auch die Stadtbibliothek Nürnberg hatte die Gebühren schon mal abgeschafft, sie aber ein paar Jahre später wieder eingeführt – aufgrund von Haushaltsschwierigkeiten der Kommune.

Haushaltslage der Stadt verschärft sich

Ein Szenario, das auch Leipzig nicht außer Acht lassen kann. Denn die Stadt befindet sich in einer strukturellen Finanzkrise. Das Haushaltsdefizit steuert nach den aktuellen Gewerbesteuereinbrüchen auf 200 Millionen Euro zu, deutlich mehr als noch zur Verabschiedung des Doppelhaushalts 2025/26 im März erwartet, dessen Genehmigung noch immer aussteht.

Perspektivisch wäre ein Gebührenerlass für Erwachsene, die sich in Aus- und Weiterbildungsphasen befinden, sicher ein überlegenswerter Schritt.

Gesine Märtens

Stadträtin der Grünen

Ein Umstand, der die Grünen ihren Vorstoß zur Gratis-Bibliothek für alle offenbar noch einmal überdenken lässt. „Natürlich sind wir uns der schwierigen Haushaltslage der Stadt Leipzig bewusst“, sagt Gesine Märtens. Genau deshalb habe ihre Fraktion ja auch nach den Konsequenzen eines Gebührenerlasses gefragt. Märtens stellt daher klar: „Wir werden momentan auf einen Antrag auf Kostenfreiheit der Bibliotheken verzichten.“ Aber wohl nicht auf ewig. „Bildungsgerechtigkeit, auch für Erwachsene, ist für uns Grüne ein wichtiges Anliegen“, so Märtens. Eine Gruppe hat sie dabei besonders im Blick: „Perspektivisch wäre ein Gebührenerlass für Erwachsene, die sich in Aus- und Weiterbildungsphasen befinden, sicher ein überlegenswerter Schritt.“

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Stadtverwaltung plant Gebührenanhebung

Aktuell weisen die Bestrebungen der Stadtverwaltung allerdings in eine andere Richtung. Sie will ihre Bibliotheken zur Haushaltskonsolidierung und Einnahmenerhöhung mit heranziehen, daher noch in diesem Jahre eine neue Satzung mit höheren Gebühren vorlegen. „Ob wir der geplanten Erhöhung zustimmen werden, ist noch offen“, erklärt Märtens. „Da sehen wir andere Stellen im Haushalt, die vorrangig herangezogen werden sollten.“

LVZ