Leipzig. Die Leipziger Stadtwerke haben ihre Strategie beim Thema Wasserstoff (H₂) geändert. Ursprünglich sollten 2026 erste Probeläufe im neuen Heizkraftwerk Leipzig Süd beginnen, bei denen dem dortigen Energieträger Erdgas ein Anteil Wasserstoff beigemengt wird. Doch daraus wird erstmal nichts.
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„Das Projekt Wasserstoffprobelauf wird von uns im Moment nicht weiter verfolgt“, teilte Unternehmenssprecher Frank Viereckl auf LVZ-Anfrage mit. „Die Entscheidung ist gefallen, weil sich in den vergangenen Monaten deutlich gezeigt hat, dass wir bundesweit mit einem späteren H₂-Hochlauf rechnen müssen.“
Kein Anschluss an Wasserstoff-Netz
Wie berichtet, hatte der Anschluss der Leipziger Region an ein künftiges Wasserstoff-Kernnetz im Juni einen Rückschlag erlitten. Damals stieg EnviaM als wichtigster Infrastukturpartner aus einem Vorhaben aus, durch das Unternehmen wie BMW, Porsche, DHL, Leag, Total Energies, Verbio und der Flughafen Leipzig/Halle mit grünem Wasserstoff versorgt werden sollten – zum Teil durch Umnutzung von Erdgasleitungen.
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Das Heizkraftwerk Leipzig Süd ist technisch so ausgelegt, dass es Wasserstoff in verschiedenen Beimischungsgraden verbrennen kann – auch zu 100 Prozent. Dafür wären nur geringe Änderungen bei den Einstellungen der Turbinen nötig. Ursprünglich wollten die Stadtwerke Testläufe über drei Jahre durchführen und dabei den Bemischungsgrad von 30 auf bis zu 100 Prozent erhöhen.
Auch die aktuell angespannte Haushaltslage der Stadt Leipzig und die insgesamt herausfordernde volkswirtschaftliche Situation waren mit ausschlaggebend für die Entscheidung zu den Wasserstofftests.
Frank Viereckl
Sprecher der Stadtwerke
Mangels Pipeline müsste das ohnehin recht teure H₂-Gas dafür in Flaschen per Lkw angeliefert werden – wahrscheinlich aus Leuna. Die Kosten fielen also sehr hoch aus.
„Auch die aktuell angespannte Haushaltslage der Stadt Leipzig und die insgesamt herausfordernde volkswirtschaftliche Situation waren mit ausschlaggebend für die Entscheidung zu den Wasserstofftests“, sagte Viereckl. „Auch wir als Leipziger Stadtwerke müssen entsprechend unseren Beitrag leisten und die kurz- und mittelfristigen Aktivitäten fokussieren.“
Andere Signale der Bundesregierung
Außerdem sei noch nicht genug grüner Wasserstoff verfügbar, welcher ohne klimaschädliche CO₂-Emissionen hergestellt und verbrannt werden kann. „Die politischen Signale der neuen Bundesregierung lassen aus unserer Sicht keine Überlegungen erkennen, die zu einer raschen Änderung der Situation beitragen würden“, so der Sprecher.
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Ins Stocken geraten war der Plan aber schon unter der alten Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Eigentlich wollten die Stadtwerke den H₂-Einsatz ab 2025 in „einem vom Bund geförderten Entwicklungsprojekt“ testen – gemeinsam mit Wissenschaftlern der Leipziger Hochschule HTWK und dem Turbinen-Hersteller Siemens Energy. Die Förderzusage zog sich in die Länge, weshalb zunächst der Termin verschoben wurde.
Trotzdem sei das in nur zwei Jahren erbaute Heizkraftwerk ein großer Gewinn für Leipzig, für die Versorgungssicherheit der Messestädter und ebenso für den Natur- und Klimaschutz, betonte Viereckl. Unter anderem lasse es sich sehr flexibel nutzen, also schnell an die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne anpassen.
Auch seien die Emissionswerte in allen Bereichen bis hin zum Lärm sehr niedrig. „Der Betrieb entspricht somit voll und ganz unseren Erwartungen.“
Transformationsvorhaben mit LEAG
Weiter erklärte Viereckl, dass der bisherige Vertrag für Wärmelieferungen aus dem Braunkohlenkraftwerk Lippendorf Ende 2025 endet. „Für die mögliche Nutzung CO₂-freier Wärmepotenziale im Leipziger Südraum untersuchen wir nun gemeinsam mit der LEAG mögliche Transformationsvorhaben.“
Hintergrund: Der Lippendorf-Betreiber LEAG hat angekündigt, an diesem Strandort nicht-fossile Erzeugerkapazitäten aufzubauen, also auch bei der Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energien umzusatteln.
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Den Abriss der früheren Kohlelagerhalle auf dem Kraftwerksgelände an der Bornaischen Straße hat das Baudezernat aus Denkmalschutzgründen untersagt.
Quelle: Jens Rometsch
Leipzigs kommunaler Energieversorger arbeite auch auf anderen Wegen weiter daran, die klimaschädlichen CO₂-Emissionen bei der Fernwärmeerzeugung zu senken, erinnerte Viereckl. So solle 2026 Deutschlands größte Solarthermie-Anlage in Lausen-Grünau den Betrieb aufnehmen. Und bereits in wenigen Wochen starte der Bau einer Trasse nach Leuna, die bisher ungenutzte Abwärme des dortigen Chemieparks nach Leipzig liefern soll.
Für die Architekturgestaltung des modernen Heizkraftwerks in der Bornaischen Straße 120 wurden Silvia Schellenberg-Thaut und Sebastian Thaut (Leipziger Büro Atelier ST) gerade mit dem internationalen „Best Architects Award 26“ ausgezeichnet. Im Oktober beginnen die Stadtwerke wieder damit, den 60 Meter hohen Wärmespeicher auf dem Gelände abends künstlerisch zu illuminieren.
Abriss von Lagerhalle untersagt
„Im Einfahrtsbereich gibt es jetzt sechs Schnellladeplätze für Elektroautos, die öffentlich nutzbar sind“, führte der Sprecher weiter aus. Die aktuelle Baustelle vor dem Kraftwerksgelände diene dem Fernwärmeanschluss der Gartenstadt Altlößnig.
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In der Warteschleife befinden sich noch zwei Projekte für das traditionsreiche Areal, auf dem sich einst ein Braunkohlenkraftwerk befand. Einerseits plant die Stadt dort den Bau einer großen Schwimmhalle. Andererseits würden die Stadtwerke auf dem früheren Kohlelagerplatz gern eine Solarthermieanlage bauen.
Letzteres rückte jüngst in weite Ferne. Denn die dort noch stehende Kohlelagerhalle, die eigentlich nur von Spaziergängern im Auenwald entdeckt werden kann, darf aus Denkmalschutzgründen nicht abgerissen werden. Stattdessen müssen die Stadtwerke das leere Gebäude nun sichern und erhalten, was eine Solarthermie-Anlage an jenem Ort aus ihrer Sicht unwirtschaftlich macht.
Das Heizkraftwerk Leipzig Süd war Ende 2022 in den Dauerbetrieb gestartet. Es hat samt Speicher etwa 180 Millionen Euro gekostet. Einen großen Teil davon können sich die Leipziger Stadtwerke über unterschiedliche Programme vom Bund fördern lassen.
LVZ