DOMRADIO.DE: Woher stammt die Idee mit den Gedenkbäumen?

Jan-Luca Helbig (Referent für Aufarbeitung in der Stabsstelle Intervention & Aufarbeitung im Generalvikariat des Erzbistums Köln): Die Idee kommt ursprünglich von einer Betroffeneninitiative aus dem Bistum Münster. Viele Kirchengemeinden haben sie im vergangenen Jahr übernommen und umgesetzt. Ich hoffe, dass wir im Erzbistum Köln ebenso viele Menschen für diese Idee gewinnen können. Vielleicht wird es solche Aktionen künftig auch in anderen Bistümern geben.

DOMRADIO.DE: Es werden also Purpurbuchen in Kirchengemeinden gepflanzt, vor denen eine Gedenktafel liegt. Diese kann beim Erzbistum bestellt werden. Wie sieht sie aus und was steht darauf?

Helbig: Die Gedenktafeln sind aus Edelstahl und werden auf einem Stein oder einer Stele möglichst nah am Baum befestigt. Den Text haben Mitglieder des Kölner Betroffenenbeirats entworfen. Es gibt zwei Versionen: eine eher sachliche und nachdenkliche sowie eine bildhaftere. Die Gemeinden können frei wählen. Die Bestellung läuft bis Ende September über unser Online-Portal. Die Tafeln werden kostenlos pünktlich zum Gedenktag geliefert.

Jan-Luca Helbig

„Eine Purpurbuche hat eine besondere Farbe, die an das Leid der Betroffenen erinnern soll.“

DOMRADIO.DE: Um den Baum müssen sich die Gemeinden selbst kümmern?

Helbig: Ja. Die Gemeinden wählen vor Ort ein passendes Exemplar aus, am besten in einer örtlichen Gärtnerei.

DOMRADIO.DE: Es soll aber eine Purpurbuche sein?

Helbig: Ja, sie hat eine besondere Farbe, die an das Leid der Betroffenen erinnern soll. Wenn das aus bestimmten Gründen nicht möglich ist, ist ein anderer Baum besser als gar keiner. Wenn es geht, soll es aber eine Purpurbuche sein.

DOMRADIO.DE: Lässt sich die Idee mit Stolpersteinen vergleichen?

Helbig: In gewisser Weise. Hier kommt allerdings die Kombination mit einem Baum hinzu. Dadurch entsteht ein lebendiger Erinnerungsort, der wächst – wie auch unsere Solidarität mit den Betroffenen wachsen muss.

DOMRADIO.DE: Die Gedenktafeln sind nicht personalisiert?

Helbig: Nein, es geht nicht um bestimmte Tatorte. Alle Gemeinden können eine Gedenktafel anbringen – unabhängig davon, ob vor Ort Missbrauchsfälle bekannt sind oder nicht. Es geht um alle Betroffenen im ganzen Erzbistum Köln.

DOMRADIO.DE: Könnten solche Orte auch für persönliches Gedenken genutzt werden?

Jan-Luca Helbig

„Es darf nie um Selbstdarstellung gehen, sondern um Sensibilisierung. Missbrauch hat immer eine konkrete Geschichte vor Ort.“

Helbig: Ja, wenn Betroffene das möchten. Wichtig ist, sie in die Planung einzubeziehen. Ich würde mich freuen, wenn Menschen am Baum vorbeigehen und denken: „Da war ja etwas. Missbrauch gibt es nicht nur in der Kirche, sondern in der ganzen Gesellschaft.“ Wir müssen uns daran erinnern und uns einsetzen, wenn wir mit anderen in den Gemeinden zusammenarbeiten.

DOMRADIO.DE: Warum setzen Sie auf dezentrale Gedenkorte?

Helbig: Die Aktion ist bewusst basisnah und flächendeckend angelegt. Zentrale Aktionen, etwa am Kölner Dom, sind auch wichtig. Aber es darf nie um Selbstdarstellung gehen, sondern um Sensibilisierung. Missbrauch hat immer eine konkrete Geschichte vor Ort. Deshalb müssen wir in den Gemeinden ins Gespräch kommen, sprachfähig werden und uns solidarisieren. Das ist auch ein Beitrag zur Prävention.

DOMRADIO.DE: Die Pflanzungen sind für Mitte November geplant. Wie sollen Gemeinden den Tag gestalten?

Helbig: Die Pflanzaktionen sollten in Gemeinschaft stattfinden. Möglichst viele Gruppen einer Gemeinde könnten mitorganisieren und teilnehmen. Die Gemeinden haben großen Spielraum. In der Konzeptbroschüre gibt es Anregungen, zum Beispiel eine Andacht zum Thema sexueller Missbrauch oder eine Vaterunser-Meditation einer Betroffenen. 

Man kann aber auch andere Formen wählen – Reden, Lesungen, Musik oder stille Begehung. Die Aktion kann aber auch Anlass sein, sich kritisch mit der bisherigen Aufarbeitung im Erzbistum Köln auseinanderzusetzen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Aktion Purpurbuchen

Den Gedenktag für Betroffene von sexuellem Missbrauch am 18. November möchten wir im Erzbistum Köln in diesem Jahr mit einer besonderen Aktion begehen.

In möglichst vielen Kirchengemeinden sollen Purpurbuchen (Fagus sylvatica purpurea pendula) gepflanzt und mit einer Gedenktafel zur Erläuterung versehen werden. So entstehen viele lebendige Gedenkstätten, die den Betroffenen im gesamten Erzbistum gewidmet sind.