Dresden. Die sächsische Landeshauptstadt wird die erste deutsche Pilotkommune für die neue europaweite digitale Ausweis-Brieftasche „Eudi Wallet“ sein. „Die Dresdner und ihre Gäste werden ab 2026 die neue Wallet nutzen können“, erklärte Michael Breidung, Chef des städtischen Eigenbetriebs für Informationstechnologie (IT), auf DNN-Anfrage. Damit sei Dresden der Vorreiter für ein zentrales Digitalisierungsprojekt der EU. Die Wallet ist als App für Smartphones konzipiert.
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Zu den ersten Digitalausweisen, deren Nutzung in der EU-Brieftasche die Stadt erprobt, werden laut Breidung der Dresden-Pass, der Ehrenamtspass, die „Dresden Welcome Cards“ für Touristen, der Personalausweis und Führerschein gehören. „Künftig wird es dann auch möglich sein, weitere Ausweise, aber auch Behördenbescheide darin abzulegen, zum Beispiel fürs Wohngeld“, erklärt Breidung. „Ich gehe davon aus, dass die Dresdner diese neue Wallet auch schnell annehmen werden.“
IT-Eigenbetriebsleiter Michael Breidung
Quelle: Heiko Weckbrodt
Denn für den einzelnen Nutzer, die Verwaltung und Unternehmen sieht er viele Vorteile aus der Eudi-Wallet erwachsen: Neue Ausweise, Pässe und Bescheide zum Beispiel müssen dann nicht mehr im Bürgerbüro oder anderswo in Behörden in Papierform vor Ort abgeholt werden, sondern lassen sich künftig automatisch und sofort nach der amtlichen Entscheidung in die digitale Brieftasche einspielen. Zudem hat der Bürger sofort all diese Dokumente in seinem Mobiltelefon – das fast jeder überall hin mitnimmt – stets parat und muss nicht mehr soviel Plaste- und Papierausweise herumschleppen.
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Wir geben den Bürgern die Hoheit über ihre Identifikations-Verwaltung zurück.
Michael Breidung
IT-Eigenbetriebschef
Hinzu komme ein ganz prinzipielles Argument: Mit den Ausweisen in der Digi-Brieftasche kann man sich eindeutig elektronisch identifizieren, auch beispielsweise auf Internetportalen, in der Kommunikation mit Behörden oder für Einkäufe und Rechtsakte in der Online-Welt. Aber sie gibt dabei immer nur soviel Informationen preis, wie der Nutzer wirklich will beziehungsweise für die konkrete Aktion im Netz unbedingt nötig sind. „Wir geben den Bürgern die Hoheit über ihre Identifikations-Verwaltung zurück, die bisher die großen Hyperscaler aus den USA haben.“
30 Prozent weniger Personal für Antragsbearbeitung in Behörden
Der IT-Eigenbetriebs-Chef rechnet aber auch mit einem handfesten finanziellen Nutzen aus Steuerzahler-Sicht: „Mit der Eudi-Wallet kommt die Verwaltungsautomatisierung stark voran“, prognostiziert Breidung. Das spare Zeit und Personal in den Ämtern. „Wir rechnen mit zehn bis 30 Prozent weniger Personalaufwand zum Beispiel in der Antragsbearbeitung.“ Und für Unternehmen sollen dadurch Geschäftsmodelle möglich sein, für die eine eindeutige Fern-Identifikation der Kunden zwingend notwendig ist und für die das Videoident-Verfahren zu unsicher ist. Nach derzeitigem Erkenntnisstand wird „Eudi“ einfacher, schneller, sicherer und preiswerter sein als die bisher eingesetzten ID-Verfahren im Netz.
Abzuwarten bleibt indes, wie begründet Breidungs Optimismus ist: Sieht man einmal von der etablierten Steuer-Signatur „Elster“ ab, waren bisherige deutsche Anläufe für eine universelle elektronische Bürgeridentifikation bislang nur mäßig erfolgreich, wegen möglicher Datenlecks umstritten beziehungsweise so kompliziert, dass nur Wenige sie nutzen. Erinnert sei an den holprigen Start des „elektronischen Personalausweises“, der Bundesausweis-App oder an den hürdenreichen selbstbestimmten Zugriff auf die elektronische Patientenakte.
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Und auch das Eudi-Pilotprojekt in Dresden wird nicht für alle nutzbar sein. Denn die Wallet ist vorerst nur als App für Mobiltelefone konzipiert, lässt sich voraussichtlich – zumindest in der ersten Phase – aber nicht über PCs oder Laptops aufrufen. Zudem benötigt man wohl zwingend Smartphones mit „NFC“-Unterstützung (Nahfeldfunk), um die App-Brieftasche überhaupt mit Personalausweis, Führerschein und ähnlichen Ausweisen befüllen zu können.
EU hofft auf großen Wurf für die Digitalisierung
Dennoch hoffen viele Politiker, dass die „European Digital Identity Wallet“ (Eudi) endlich den großen Durchbruch für eine digitale und schnellere Verwaltung in Europa bringt – von der Kommunalebene bis hinauf zu Bund und EU. „Die Eröffnung eines neuen Bankkontos, die Einschreibung an einer Universität im Ausland oder die Bewerbung für Ihren nächsten Traumjob wird ebenso einfach wie sicher sein“, verspricht die EU-Kommission.
„Ihre Privatsphäre wird stets gewahrt; Sie bestimmen, welche Daten weitergegeben werden und wer sie nutzen darf.“ Zwar gibt es bereits private Wallet-Apps auf iPhones oder Android-Telefonen, in denen man zum Beispiel Flugtickets, Konzertkarten oder Bahnfahrkarten ablegen kann. Auch speichern sich manche Nutzer Fotos ihrer Ausweise auf ihren Mobiltelefonen. Eine sichere und universell akzeptierte Identifikation ist damit aber nicht möglich.
Insgesamt 27 EU-Mitgliedsstaaten hatten sich daher 2024 dazu verpflichtet, diese elektronische Ausweis-Brieftasche zeitnah einzuführen. Mittlerweile drängt die Zeit: Ursprünglich geplant war, dass alle Behörden ab 2026 diese Wallets als Ausweis akzeptieren. Inzwischen wurde konkretisiert, dass alle EU-Staaten bis 2027 Eudi-Wallets bereitstellen müssen. Deutschland hat sich dabei für eine staatliche Wallet entschieden. Deren Sicherheitsmerkmale und Spezifikationen sollen aber auch für private Wallet-Betreiber zertifizierbar sein.
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Sachsen forscht an Digi-ID-Lösungen
Dass der Bund Dresden als Eudi-Pilotkommune gewählt hat, ist im Übrigen kein Zufall: Die sächsische Landeshauptstadt gilt einerseits als Mikroelektronik- und Software-Hochburg. Anderseits arbeiten Forschungseinrichtungen wie die HTW Dresden – ähnlich wie auch die Bundessprungagentur „Sprind“ in Sachsen – bereits seit längerem in bundesgeförderten Projekten wie „ID-Ideal“ an universell einsetzbaren digitalen Ausweisen und Brieftaschen.
DNN