Stand: 25.08.2025 10:04 Uhr

Ausgerechnet Polen war beim Ukraine-Gipfel in Washington nicht dabei. Premier Tusk und der neue Präsident Nawrocki schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Verspielt Polen die internationale Anerkennung?


Martin Adam

„Dyplomatyczna Żenada“, eine diplomatische Peinlichkeit, titelt die polnische Boulevardzeitung „Fakt“. Und darunter in Großbuchstaben: Polen auf dem Abstellgleis.

Zu sehen ist ein Foto von Donald Trump beim Treffen mit europäischen Spitzenpolitikern und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Washington. Selbst der finnische Präsident war dabei, beklagen sich polnische Medien. Nur aus Polen war niemand bei dem wichtigen Treffen, obwohl das Land EU- und NATO-Frontstaat ist und von Anfang an zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine gehört.

Der Ukraine-Gipfel in Washington: Weder Polens Präsident Nawrocki noch Premier Tusk waren dabei.

Gegenseitige Schuldzuweisungen von Tusk und Nawrocki

Seitdem schieben sich der polnische Präsident und der Premierminister gegenseitig die Schuld zu, und in Polens Außenpolitik herrscht Chaos.

Das begann schon, als Mitte August Friedrich Merz zur Telefonkonferenz vor dem Alaskatreffen zwischen Trump und Putin einlud. Eigentlich sollte Premier Donald Tusk dort Polen vertreten. Eigentlich.

Tusk musste dann erklären, kurzfristig habe die amerikanische Seite darauf gedrängt, dass sich an seiner Stelle der polnische Präsident um die Beziehungen zu Trump kümmere. „Es ist wichtig, dass sich die Polen nicht gegeneinander ausspielen lassen“, mahnte Tusk noch. Doch genau das scheint jetzt geschehen zu sein.

Polens neuer Präsident Karol Nawrocki wurde von der rechtspopulistischen PiS-Partei aufgestellt, Polens liberal-konservativer Premierminister Donald Tusk ist sein politischer Gegenspieler. Laut Verfassung ist die Regierung für Außenpolitik zuständig, in der Praxis aber ist der polnische Präsident im Kontakt mit anderen Präsidenten gefragt.

Nawrocki warb mit gutem Draht zu Trump

Nawrocki hatte sich im Wahlkampf auch mit einem speziellen Verhältnis zu Donald Trump gerühmt. Er hätte also auch in Washington dabei sein müssen, erklärt Regierungssprecher Adam Szlapka: „Wenn Nawrocki sich entscheidet, für diesen Bereich Verantwortung im Namen Polens zu übernehmen, dann muss er diese Verantwortung mit allen Konsequenzen übernehmen.“ Polen müsse in der Außenpolitik mit einer Stimme sprechen.

Präsident Nawrocki wiederum sieht Donald Tusk in der Pflicht. Der hätte nach Washington reisen müssen, schließlich habe sich dort die sogenannte „Koalition der Willigen“ getroffen und daran sei nun mal die Regierung beteiligt. Er werde sich ohnehin Anfang September mit Trump treffen, unter vier Augen.

Der Streit als Vorbote des Wahlkampfs?

Außenpolitisch verliert das Land durch das Hickhack an Ansehen, weil – mal wieder – der innenpolitische Streit dominiert, meint der Politologe Szymon Ossowski. „Die Welt hat die Spitzenpolitiker der westlichen Welt ohne Polen gesehen, was als Niederlage der polnischen Diplomatie zu bezeichnen ist“, so Ossowski. Er vermutet, der Streit sei ein Vorbote des nächsten Parlamentswahlkampfs: „Wenn es so weiter geht, wird es wieder nur gegenseitige Beschuldigungen geben.“

Polens früherer Außenminister Jacek Czaputowicz hat eine viel simplere Erklärung: Aus Warschau war niemand in Washington, so Czaputowicz, weil offenbar weder die USA noch die Ukraine Polen für einen wichtigen Partner halten – es habe gar keine Einladung gegeben. Statt aber gemeinsam für eine stärkere polnische Position zu arbeiten, zerlegen sich Präsident und Regierung jetzt im inneren Streit.