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Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist der Albtraum aller Mieter. Denn sich dagegen zu wehren, ist schwierig. Oft haben die Vermieter das Recht auf ihr Eigentum. Doch es gibt Ausnahmen.
Die eigenen vier Wände: In München sind sie wie eine eigene Währung. Schwer zu bekommen, heiß gehandelt – stets sehr begehrt. Vor allem der Mietmarkt ist problematisch: Jährliche suchen Tausende eine Wohnung in der Stadt, doch der schwierige Markt ist bundesweit berüchtigt. Auch deshalb ist das Thema Eigenbedarf so umstritten: Vermieter können eine Wohnung über Jahre vermieten, sie dann aber zurückfordern. Zurück bleiben oft frustrierte Mieter, die dann umziehen müssen. Wir erklären die Regeln dazu:
Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist der Albtraum aller Mieter. Denn sich dagegen zu wehren, ist schwierig. © Markus Scholz 1) Wer darf unter welchen Umständen Eigenbedarf anmelden?
Die ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs ist in Paragraf 573 Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt. Der Vermieter hat ein berechtigtes Interesse am Eigenbedarf für sich selbst oder seine „Familienangehörigen“ oder auch für „Angehörige seines Haushalts“, wenn er die Wohnung für den genannten Personenkreis „benötigt“ – wobei hier „vernünftige und nachvollziehbare Gründe“ ausreichen, erklärt Martin Klimesch, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht in der auf das Erb- und Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei Klimesch & Kollegen.
Fachanwalt Martin Klimesch © SIGI JANTZ
Klimesch weist aber daraufhin: „Nach einer brandneuen BGH-Entscheidung kann ein Eigenbedarf nicht für entfernte Verwandte, etwa Cousins oder Cousinen, geltend gemacht werden – wohl aber für engere Verwandte, etwa Neffen und Nichten.“ Sogar für die Nutzung als bloße Zweitwohnung könne der Vermieter Eigenbedarf anmelden. Firmen können jedoch keinen Eigenbedarf anmelden, sondern nur einzelne Vermieter, erklärt Monika Schmid-Balzert, stellvertretende Geschäftsführerin des Mieterverein München.
2) Darf man als Eigentümer auch Mietern kündigen, die seit vielen Jahren in der Wohnung leben?
Grundsätzlich ja. Aber: „Wir fordern, dass Vermieter nur noch für sich selbst und Angehörige in gerade Linie wegen Eigenbedarfs kündigen darf“, sagt Schmid-Balzert. „Bei sehr alten oder kranken Mietern wird vor Gericht abgewogen, welche Interessen höher wiegen, die des Vermieters oder die des Mieters. Unserer Erfahrung nach werden leider oft die Interessen des Vermieters als wichtiger eingestuft als zum Beispiel die von Familien, die fest im Viertel verwurzelt sind, samt Kita-Platz, Großeltern und Freundeskreis.“
Rentner Rudolf Kluge durfte im Alter von 89 Jahren hingegen bleiben, als ein Vermieter in Neuperlach seine Wohnung nach 44 Jahren zurückhaben wollte. Das Amtsgericht stufte Kluge 2019 als sogenannten Härtefall ein. Martin Klimesch sagt: „Das bloße hohe Alter stellt für sich genommen aber keinen Härtegrund dar. Erst im Zusammenspiel mit einer persönlichen Verwurzelung in der Wohnung oder im Viertel und/oder mit Krankheiten kann sich ein Härtegrund ergeben.“
Etwa wenn durch die Räumung eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Mieters oder gar ein Suizid drohe, „sind die Gerichte gehalten, einen gerichtlich bestellten Sachverständigen einzuschalten“. Bei vielen Entscheidungen sei es so, dass Mieter ausziehen müssen, weiß Schmid-Balzert – obwohl sie Krebs haben oder obwohl „nur“ eine Haushaltsangestellte einzieht in die Wohnung „oder die Wohnung nur alle zwei Wochen für den Besuch der Tochter in einer anderen Stadt für gelegentliche Opernbesuche genutzt wird“.
Bei Kündigung: Wie kann mich als Mieter wehren?
„Zunächst kann man versuchen den Eigenbedarf zu bestreiten und hierfür Beweise sammeln, z.B. im Grundbuch nachsehen, ob derjenige, der kündigt, auch wirklich Alleineigentümer ist oder ob ein Nießbrauch für jemand anderen eingetragen ist“, rät Schmid-Balzert. „Wir fordern schon lange, dass der Beweis für den vorgeschobenen Eigenbedarf nicht vom Mieter erbracht werden muss, sondern der Beweis für den Eigenbedarf vom Vermieter.“ Zudem könne man gegen eine Eigenbedarfskündigung Widerspruch einlegen: „Dazu muss der Mieter darlegen, dass es ihm aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen nicht möglich ist, die Wohnung zu verlassen. Das muss aber sehr ausführlich und leider auch dramatisch sein. In München gehen die Richter eher davon aus, dass ein Eigentümer in seine Wohnung ziehen darf, wenn er das will.“
Monika-Schmid-Balzert, stellvertretende Geschäftsführerin Mieterverein München. © Studio 4 e.K
Der zweite Widerspruchsgrund sei, dass der Mieter zu zumutbaren Bedingungen keine Ersatzwohnung finden kann. „Aber auch dafür muss der Mieter dann dem Richter darlegen, dass er wirklich alles versucht hat, um eine neue Wohnung zu finden.“ Die Rechtsprechung halte es für den Mieter zumutbar in anderen Stadtteil, auch außerhalb Münchens, in eine teurere Wohnung oder kleinere Wohnung zu ziehen. „Dazu muss der Mieter dem Richter dann die Bewerbungen und die jeweiligen Absagen vorlegen.“ Auch wenn der Auszug oft nicht verhindert werden könne, kann der Mieter sich durchaus „mehr Zeit für die Wohnungssuche verschaffen und eine Abfindung verhandeln“, sagt Schmid-Balzert.