Berlin – Teilung, Mauer, Todesstreifen und Schießbefehl waren die größte Katastrophe, die Berlin nach 1945 erlebt hat. Die Dimension dieser Geschichte ist in der Bernauer Straße nach wie vor nicht erkennbar.

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Wer als Tourist nach Berlin kommt, der will wissen, wo die Mauer stand und wie der Todesstreifen aussah. Um das zu erfahren, wird von den Touristenführern die „Gedenkstätte Berliner Mauer“ empfohlen (Bernauer Straße 119).

„Auf 420 Quadratmetern widmet sich die Ausstellung der Geschichte der Teilung Berlins. Sie erläutert die politisch-historischen Hintergründe vom Mauerbau bis zum Mauerfall und der Wiedervereinigung“, heißt es in der Empfehlung des Berliner Senats.

Dieses Versprechen hat die Gedenkstätte allerdings noch nie gehalten – und in diesem Sommer kann sie es weniger denn je. Denn zur allgemeinen und bekannten Unübersichtlichkeit der Ausstellung kommt jetzt auch noch ein Anflug von Verwahrlosung und Schlampigkeit, den ich so in anderen europäischen Hauptstädten bisher nicht gesehen habe.

Schmuddel-Ausstellung

Besuch in der Bernauer Straße in diesem August: Im Mittelteil der Ausstellung im Erdgeschoss sind die Beleuchtung und fast alle Audio-Angebote ausgefallen. Man zieht den Hörer aus der Schautafel, kann aber nichts hören. Am Eingang sitzt ein Aufpasser, der den Schaden nicht erklären kann und auch nicht weiß, wann das alles repariert wird.

Etwas irritiert gehen die Besucher die Treppe aufwärts. Die Stufen sind nicht sauber und auch nicht beleuchtet, der Belag ist abgetreten. Den Handlauf am Geländer möchte man nicht greifen, bevor er nicht gereinigt wurde. Ein ähnliches Bild im Aufzug und auch oben auf der Plattform: Es sieht dort schlichtweg weder gepflegt noch schön aus.

Inhaltlich auch nicht strukturierter

Wer sich an all dem nicht stört und sich auf den Inhalt der Ausstellung konzentriert, der hat es auch nicht leicht, denn es fehlt der rote Faden: Wer wenig oder gar nichts von der Mauer weiß, dem wird die Geschichte nicht systematisch erklärt.

Beispiel: Gleich am Eingang liegt ein großes Nagelbrett. Das war eine der hinterhältigsten und grausamsten Installationen, die das SED-Regime für den Todesstreifen ersann: Wer die Hinterlandmauer überwunden hatte, der sollte mit den Füßen zuerst in die Nägel springen, die mit den Spitzen nach oben zeigten. Dieses Nagelbrett wird in der Ausstellung in keinen sichtbaren Zusammenhang gestellt, es liegt einfach da.

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Genauso ist es mit dem Mauerrest, der gegenüber der Ausstellung zur Gedenkstätte gehört und eigentlich der Mittelpunkt sein soll: Man kann den Todesstreifen nicht sehen, weil nach einem Künstlerentwurf zwei große Spiegelwände im rechten Winkel zur Mauer aufgestellt wurden.

Dimension in der Bernauer Straße nicht erkennbar

Man verlässt die Gedenkstätte und hat nicht viel verstanden. Und warum ist sie darüber hinaus so schlecht gepflegt? Die Anlage gehört zur „Stiftung Berliner Mauer“, die wiederum dem Berliner Senat gehört. Sie wird von Direktor Axel Klausmeier geführt. Dem Stiftungsrat sitzt Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson vor. Neben ihr sind dort auch die Bundesregierung und die Evangelische Kirche vertreten.

Ihnen allen gelingt es nicht, die Gedenkstätte erstens sauber zu halten und zweitens so zu gestalten, dass man sofort und klar versteht, was man verstehen soll. Teilung, Mauer, Todesstreifen und Schießbefehl waren die größte Katastrophe, die Berlin nach 1945 erlebt hat. Die Dimension dieser Geschichte ist in der Bernauer Straße überhaupt nicht erkennbar.

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de