Digitale Identitäten, zukunftsfeste Zahlungssysteme und Investitionen in Technologien von morgen: Europa ist herausgefordert, seinen Standpunkt neu zu bestimmen. Wie die Sparkassen-Finanzgruppe dazu beiträgt, dass Europa souveräner und wettbewerbsfähiger wird.

Digitale und wirtschaftliche Eigenständigkeit für Europa

Warum Europa digitale und wirtschaftliche Eigenständigkeit braucht.

Die Welt verändert sich rasant – geopolitisch, wirtschaftlich und digital. Europa steht zunehmend unter Druck, seine Souveränität zu behaupten. Was früher selbstverständlich war – stabile Handelsbeziehungen, verlässliche Bündnisse, planbare Regeln – ist heute fragiler denn je. Unsere Gesellschaften erleben tiefgreifende Transformationen, die zugleich wirtschaftliche, ökologische und technologische Dimensionen haben.

Europa braucht eine strategische Neuausrichtung

Umso dringlicher ist es, dass Europa seine Wettbewerbsfähigkeit, seine wirtschaftliche Widerstandskraft und seine politische Eigenständigkeit neu definiert. Das bedeutet nicht Rückzug von der Welt – sondern gezielte Investitionen in Infrastruktur, Innovation, Bildung und nachhaltiges Wachstum. Dazu braucht es eine entschlossene Politik, vernetzte Institutionen und ein Finanzsystem, das gleichzeitig stabil und gestaltend ist.

Die Sparkassen stehen bereit: Mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent finanzieren sie einen erheblichen Teil der Wirtschaft. Die Sparkassen-Finanzgruppe bringt regionale Nähe, Beratungskompetenz und ein dezentrales Geschäftsmodell ein, um Kapitalströme gezielt in Transformation und Innovation zu lenken – etwa in Wärmenetze, Kreislaufwirtschaft oder ressourceneffiziente Produktionsweisen.

Privates Kapital für öffentliche Aufgaben

Wer Souveränität sichern will, muss Freiräume schaffen für neue Ideen und Investitionen. Laut Draghi-Bericht braucht die EU jährlich rund 800 Mrd. Euro für zukunftsgerichtete Investitionen. Der weit überwiegende Teil muss aus privatem Kapital kommen.

Die Regulierungsdichte in der EU bindet aktuell jedoch viele Ressourcen – nicht nur bei Finanzinstitutionen, sondern in der gesamten Wirtschaft. Komplexe Berichtspflichten, starre Schwellenwerte und mangelnde Dynamik bei der Regulierung bremsen. Der Omnibus-Ansatz der EU ist ein erstes Signal. Für einen echten Durchbruch ist aber mehr nötig.

Wir brauchen eine konsequente Vereinfachung der Rahmenbedingungen, damit Unternehmer und ihre Finanzierungspartner ihre ohne Zweifel vorhandene Kraft bestmöglich nutzen und Zukunft gestalten können. Eine Dynamisierung der EZB-Aufsichtsschwelle, die seit 2013 unverändert ist, wäre ein konkreter Schritt in die richtige Richtung. Auch muss Regulierung wieder risikoorientiert und verhältnismäßig ausgestaltet sein. Gerade regional fokussierte Institute brauchen Beinfreiheit, um ihre Rolle als Finanzierer der Transformation auszufüllen.

Deshalb setzen wir uns für ein abgestuftes Regulierungsmodell ein: eines für international ausgerichtete Anbieter und eines für regional fokussierte Institute wie die Sparkassen, die Mittelstand, Handwerk und Kommunen finanzieren. Denn Modernisierung findet vor allem vor Ort statt – nicht allein an den Börsenplätzen.

Auch bei der EU-Taxonomie gilt: Gut gemeint reicht nicht. Die Idee, Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, ist richtig – aber die Umsetzung muss in der Praxis taugen. Die Taxonomie darf kein Bürokratiemonster sein, sondern sollte eine Orientierungshilfe bieten, gerade für kleine und mittlere Unternehmen.

Nötig ist ein Bürokratierückschnitt – klar, nachvollziehbar, konsequent und smart. Doch selbst die smartesten Regeln nützen nur, wenn sie auch auf zukunftsfähige Technologien angewendet werden. Deshalb braucht Europa Gestaltungsspielräume – gerade in Bereichen wie Cloud-Infrastruktur und Künstlicher Intelligenz.

Cloud, KI und digitale Grundregeln für Europa

Europa ist in vielen Bereichen auf außereuropäische Cloud- und KI-Anbieter angewiesen. Das allein ist kein Problem – solange wir die Regeln für deren Einsatz selbst definieren. Doch genau das ist aktuell nicht ausreichend gewährleistet.

Heute dominieren hier US-amerikanische Anbieter, deren Dienste vielfach alternativlos erscheinen. Umso wichtiger ist es, dass Europa nicht nur technologische Kompetenz stärkt, sondern auch die Hoheit über die Regelwerke und Sicherheitsstandards behält.

Gerade im Bereich der KI muss sichergestellt sein, dass europäische Grundwerte – von Datenschutz bis Transparenz – auch in automatisierten Systemen eingehalten werden. Ein Beispiel: US-Anbieter können nach dem „Cloud Act“ gezwungen werden, ihre Systeme auf Anweisung der US-Regierung anzupassen – auch gegen europäische Interessen. Eine solche Abhängigkeit darf Europa sich in kritischen Infrastrukturen nicht leisten. Was wir brauchen, ist digitale Souveränität durch Gestaltungshoheit – nicht durch Rückzug, sondern durch eigene Standards.

Wero: Europas Zahlungslösung der Zukunft

Zentraler Bestandteil dieser Eigenständigkeit ist ein funktionierendes, europäisches Zahlungssystem. Wero ist hierfür das Herzstück. Die erste rein europäische Zahlungslösung ist bereits Realität: Heute ermöglicht sie P2P-Zahlungen – bald auch Zahlungen im Handel und im E-Commerce.

Wero ist mehr als ein Projekt – es ist die Antwort auf eine strategische Lücke. Für Zahlungen im europäischen Ausland sind wir bislang komplett auf außereuropäische Kartenanbieter angewiesen. Selbst bei alltäglichen Transaktionen sitzt die geopolitische Abhängigkeit mit am Tisch. Mit Wero schaffen wir eine souveräne Alternative – entwickelt von europäischen Banken für europäische Bürgerinnen und Bürger.

Die Sparkassen-Finanzgruppe steht hinter diesem Projekt – aus Überzeugung und mit jahrzehntelanger Erfahrung im Zahlungsverkehr. Mit der girocard haben wir gezeigt, dass es auch nationale Erfolgsmodelle geben kann. Wero hebt diese Erfahrung auf die europäische Ebene.

Digitale Souveränität ist mehr als Technik

Digitale Eigenständigkeit beginnt mit sicheren Identitäten – und entfaltet ihren vollen Nutzen im Zusammenspiel mit souveränen Zahlungssystemen. Wer eine smarte Regulierung will, braucht eine moderne Verwaltung. Wer digitale Souveränität will, darf sich bei Zahlungen und Daten nicht von globalen Plattformen abhängig machen. Und wer Innovationen voranbringen will, muss digitale Prozesse sicher und alltagstauglich gestalten – einfach und smart.

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist als zertifizierter eID-Diensteanbieter ganz vorne mit dabei. Bereits heute wird in über 250 Instituten die eID für Kontoeröffnungen genutzt. Projekte wie der KulturPass zeigen: Wenn digitale Infrastruktur nützt, wird sie auch genutzt.

Im EU-Pilotprojekt NOBID setzen wir uns dafür ein, dass Identitätslösungen europaweit interoperabel funktionieren. Mit APTITUDE führen wir diese Infrastruktur weiter: Hier werden Identität, Nachweise und Zahlungen in einer EUDI-Wallet vereint. So entsteht ein souveränes europäisches Ökosystem – verlässlich, sicher, grenzüberschreitend.

Souveränität gelingt nur gemeinsam

Ob Zahlungen, Identitäten oder Investitionen – europäische Souveränität gelingt nur im Verbund. Das gilt für Institutionen ebenso wie für Menschen. Als Sparkassen-Finanzgruppe setzen wir deshalb auf Allianzen, europäische Standards und gemeinschaftliches Handeln. Dabei ist Vielfalt kein Hindernis, sondern eine Stärke: Dezentral organisierte Kreditwirtschaft und ein vertiefter Kapitalmarkt stehen nicht im Widerspruch – sie ergänzen sich.

Vielfalt als Vorteil: Finanzielle Bildung als Fundament

Europäische Souveränität ist kein Projekt der Institutionen allein. Sie beginnt bei den Menschen. Deshalb ist finanzielle Bildung ein zentrales Element ökonomischer Eigenständigkeit. Sie befähigt Menschen, mit Geld verantwortungsvoll umzugehen und informierte Entscheidungen zu treffen.

Warum wir das Thema im europäischen Kontext denken müssen? Weil finanzielle Bildung mehr ist als ein individuelles Thema – sie ist gesellschaftliche Daseinsvorsorge. Und weil wirtschaftliche Resilienz nicht an nationalen Grenzen endet.

Mit Angeboten wie „Geld und Haushalt“, dem Sparkassen-Schulservice und dem Planspiel Börse erreichen wir jedes Jahr Millionen Menschen. Damit füllen wir die Idee einer echten „Savings and Investments Union“ mit Leben – seit über 65 Jahren.

Fazit: Jetzt ist der Moment zu handeln

Europa kann es sich nicht leisten zu zögern. Die geopolitischen und wirtschaftlichen Verschiebungen lassen keinen Aufschub zu. Deshalb müssen wir heute die Grundlagen dafür legen, dass Europa eigenständig, widerstandsfähig und zukunftsfähig bleibt.

Die Sparkassen-Finanzgruppe steht bereit: Als Partnerin der Transformation, als Ermöglicherin von Teilhabe und als Motor eines starken Europas.

Dr. Joachim Schmalzl - Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, DSGV

Dr. Joachim Schmalzl

Dr. Joachim Schmalzl ist Koautor des Beitrags. Als geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV verantwortet er die Themen Markt-, Betriebs- und Personalstrategie. Zuvor war der Betriebswirt Mitglied des Vorstandes der Sparkasse KölnBonn, Leiter Informatik-Strategie bei der BHF-Bank und Unternehmensberater bei McKinsey & Company.