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Die Kollegen des amerikanischen ROLLING STONE haben Pete Townshend zum großen Interview getroffen. Der The-Who-Gitarrist sprach mit Andy Greene über seine Werkschau „The Studio Albums“ und über die Geschichte der Who.
„Obwohl es sich hier um eine Sammlung von Solosongs handelt, hätten sie meiner Meinung nach alle Who-Songs sein können“, sagt Pete Townshend über die Compilation. „Lasst uns nicht in die Falle tappen, dass ich Songs vor den Who zurückgehalten hätte. Das habe ich nie getan. Ich habe einfach nur Songs geschrieben.“
Es ist ein intensives Gespräch über die Geschichte von The Who und den Solojahren Pete Townshends. Dabei geht es natürlich auch um Versäumnisse in einer rund 60 Jahre andauernden Karriere.
„The Who haben den Stadium Rock erfunden. Wir haben ihn weggegeben“
Es klingt ein wenig Enttäuschung durch, als Pete Townshend auf Stadionbands wie U2 oder Queen zu sprechen kommt. The Who hätten „die Vorarbeit“ dafür geleistet. Aber wurden dafür nicht mit entsprechendem Erfolg belohnt.
Andy Greene fragt: „In den neuen Liner Notes zum Box-Set, die Du geschrieben hast, heißt es: ‚Ich habe die Stadionbühne an Queen und U2 und natürlich an Bruce Springsteen abgegeben. Das war nicht schlecht. Aber wir hätten Teil dieser Wiederbelebung des Post-Punk-Erbes sein sollen, die diese Acts genossen haben?‘ Können Sie das näher erläutern?
Pete Townshend holt aus: „The Who haben den Stadium Rock erfunden. Wir haben ihn weggegeben. Unser Timing war schrecklich. Als wir Live Aid machten, konnten wir kaum spielen. Queen war mitten auf Tour. Ging da raus. Nahm das Ganze und machte daraus eine Werbung für sich selbst.“
Dann sagt Townshend, er hätte sich mit der Band von Freddie Mercury und Kollegen nie richtig auseinandergesetzt:
„Ich habe nie wirklich gewürdigt, worum es bei Queen ging, um ehrlich zu sein. Ich mochte ABBA. Aber ich habe es nicht wirklich mit der unbeschwerten Pop-Vielfalt des Queen-Katalogs in Verbindung gebracht. Ich bin natürlich ein großer Fan von Bruce und ein großer Fan von U2. Und sehr froh zu sehen, wie sie das Stadion erobert haben.“
„Ich habe dieses Instrument weggegeben“
Und weiter: „Aber mit Songs wie ‚Won’t Get Fooled Again‘ und ‚Baba O’Riley‘ habe ich es verdammt nochmal geschafft. Keine Frage. Und ich habe dieses Instrument weggegeben. Aber es wäre falsch zu sagen, dass ich es bereue, denn das tue ich nicht. Ich muss zurückblicken und sagen: ‚Nun, was ist, ist.‘ Aber was uns allen wirklich zu schaffen machte, war die finanzielle Seite. Denn in diesem Moment spielten die großen Acts nicht mehr in Clubs wie dem Fillmore und gelegentlichen Arenen. Sondern in durchweg riesigen Veranstaltungsorten.
Und dennoch seien The Who einer der ersten Acts gewesen, die ein Stadion buchen konnte:
„Natürlich waren wir nicht die Einzigen. Wir hatten wirklich großes Glück, dass wir 1976 in Anaheim unseren ersten großen Stadionauftritt hatten. Das Schockierende war, dass niemand jemals daran gedacht hatte, so etwas mit jemandem zu machen. Man hätte es mit Grateful Dead machen können. Man hätte es mit einer ganzen Reihe anderer Acts machen können. Aber niemand kam auf die Idee. Niemand dachte, dass es eine Band gibt, die die Aufmerksamkeit eines Football-, Fußball- oder Eishockeystadions auf sich ziehen könnte.
ROLLING-STONE-Redakteur Andy Greene bringt dann die Rolling Stones und Led Zeppelin ins Spiel. Beides Bands, die heute einen größeren Erfolg genießen als The Who.
„Warum verleugnen die Rolling Stones manche Alben?“
Greene: „Als ich in den 1990er Jahren ein Teenager war, hatte ich das Gefühl, dass The Who oft in einem Atemzug mit den Beatles, den Stones und Led Zeppelin genannt wurden. Ich habe das Gefühl, dass das nicht mehr der Fall ist. Dass junge Leute eure Arbeit nicht mehr so gut kennen wie früher. Stimmt das?“
Townshend sagt, er vermisse die Anerkennung nicht. Aber im Gegensatz zu Musikkollegen stehe er zu allem, was The Who je auf den Markt brachten: „Ich glaube, Sie haben recht. Ich glaube, das ist nicht der Fall. Und nein, es ist mir nicht wirklich wichtig. Ich glaube, weil wir es jetzt mit Mythologie zu tun haben, die tatsächlich von den sozialen Medien und dem Streaming genährt wird. Es ist eine inhaltsleere Welt. Die Stones helfen sich nicht wirklich selbst, oder? Ich finde, sie haben so viele wirklich interessante Alben gemacht, die sie in gewisser Weise verleugnet haben.
Ich denke, dass es keine gute Idee ist, als legendäre Band Alben zu verleugnen.Mein Lieblingsalbum der Stones ist immer noch „Aftermath“. Brian Jones war noch quicklebendig und hatte Ideen. Es fühlte sich für mich so an, als wären sie in einem unglaublich interessanten kreativen Raum einer Kunstschule. Ein bisschen hippiemäßig. Aber interessant. Die Beatles hielten einfach nicht lange genug durch.
Aber hier beginnen und enden die Mythen
Abschließend bringt Pete Townshend seine Bewunderung für Brian Wilson zum Ausdruck:
„Und dasselbe passierte mit den Beach Boys. Nachdem die Beach Boys Pet Sounds aufgenommen hatten, konnte man mit Brian Wilson ein Gespräch führen: „Komm schon, Brian. Warum hast du kein weiteres Pet Sounds gemacht? Was ist passiert, Mann?“ „Was tatsächlich passiert ist, ist, dass ich verdammt verrückt geworden bin, das ist passiert!“
Ich frage mich, ob Kinder, die Jimmy Page für den besten Gitarristen der Welt halten, „Pet Sounds“ gehört haben? Nicht, dass es etwas mit dem Gitarrenspiel zu tun hätte. Aber hier beginnen und enden die Mythen.“